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Tanja Walliser und Sonja Wolfensberger gründeten «Empathie Stadt Zürich». (Bild: PD)

Zürich soll empathischer werden

Von: Christian Saggese

17. Januar 2023

Mit dem Projekt «Empathie Stadt Zürich» wollen zwei Zürcherinnen die Bevölkerung darauf sensibilisieren, das Wohlbefinden ihres Gegenübers besser zu verstehen. Das entspricht einem grossen Bedürfnis. 

«Wir machen Zürich zur empathischsten Stadt der Welt», lautet das ehrgeizige Ziel von Tanja Walliser und Sonja Wolfensberger, den Gründerinnen des Projekts «Empathie Stadt Zürich». Mit Kursen zu Konfliktlösungen sowie weiteren Aktionen sensibilisieren die beiden Kolleginnen die Bevölkerung darauf, verstärkt auf die Gefühlslage ihres Gegenübers einzugehen. Ausserdem wollen sie den Dialog über die gesellschaftliche Wichtigkeit der Empathie fördern.

Was heisst Empathie?

Empathie heisst laut Tanja Walliser, Verständnis für die Situation der Mitmenschen aufzubringen. «Das ist besonders dann wichtig, wenn Meinungen auseinandergehen oder wenn Konflikte auftreten.» Gleichzeitig sei auch die Entwicklung einer Selbstempathie bedeutend, «denn die wohl häufigsten Gewaltakte geschehen tagtäglich in unseren Köpfen gegen uns selbst». Nicht umsonst zählt die Aussage «Mir geht es wirklich gut!» zu den häufigsten ausgesprochenen Lügen. «Leider ist es aber so», sagt Tanja Walliser, «dass viele Menschen die Wichtigkeit der Empathie zwar anerkennen, jedoch nicht wissen, wie sie diese in anspruchsvollen Situationen anwenden können. Eine harzige Feedbackkultur, Missverständnisse und Konflikte gehören dadurch zur Tagesordnung».

Die beiden sprechen aus Erfahrung. Vor der Gründung des Projekts waren die Stadtzürcherinnen unzufrieden mit dem Weg, den ihr Leben eingeschlagen hatte. Tanja Walliser war Gewerkschaftssekretärin und SP-Parlamentarierin, als sie ein Burnout erlitt. Und die studierte Psychologin Sonja Wolfensberger hatte in ihrer Jugend mit Wutausbrüchen zu kämpfen. Umso wichtiger sei es gewesen, wieder mit sich selbst ins Reine zu kommen, wofür auch der Rückhalt in ihrem Umfeld unabdingbar war. Diese erlebte Empathie war es dann auch, die sie vor drei Jahren zur Gründung ihres Projekts mitmotivierte.

Doch nicht erst seither beobachten die beiden beunruhigt die Phänomene der gesellschaftlichen Spaltung und Polarisierung. Während der Pandemie waren diese gut ersichtlich, aber nicht nur: «Wir leben im Zeitalter der Krisen. Gerade in der Klimakrise erhoffen wir uns viel durch ein grösseres Verständnis zwischen den Fronten. Wenn wir wieder näher zusammenrücken, können wir aktuelle Herausforderungen gemeinsam überstehen», ist Tanja Walliser überzeugt. Umso wichtiger sei es, sich den Gräben zwischen den Generationen und den unterschiedlichen sozialen Schichten zu widmen.

Um aktiv dabei zu helfen, sprangen die beiden Frauen sprichwörtlich ins kalte Wasser. Sie bildeten sich in Gewaltfreier Kommunikation nach den Lehren von Marshall Rosenberg aus und versuchen seither, dieser unerfreulichen gesellschaftlichen Entwicklung Gegensteuer zu bieten. Zu ihrer Klientel gehören NGOs, Schulen, Firmen und politische Parteien, die ihre Mitarbeitenden und Mitglieder auf das Thema Empathie sensibilisieren wollen; aber auch Paare, die in einer Beziehungskrise stecken, nutzen das Fachwissen von Empathie Stadt Zürich. Einzelpersonen melden sich ebenfalls für ihre Angebote an, um ein besseres Verständnis für sich selbst und ihre Mitmenschen zu entwickeln.

WG ist entstanden

In ihren Kursen, die persönlich oder online stattfinden, geht es darum, den persönlichen Standpunkt besser rüberzubringen, aber auch andere Parteien zu verstehen und dabei zu lernen, eigene starke Gefühle wie Wut, Trauer oder Angst im Griff zu behalten. So lernen die Kursteilnehmenden, auch schwierige Konflikte erfolgreich zu navigieren.

Wie aber ist der Erfolg ihres Projekts messbar? Wie misst man, ob die Teilnehmenden an Empathie gewonnen haben? Das zeige sich insbesondere an der Community, die sich in den letzten drei Jahren gebildet habe, sagt Tanja Walliser. Menschen, die zuvor vielleicht nie miteinander in Berührung gekommen wären, tauschen sich nun regelmässig via soziale Medien oder auch persönlich aus. «Sogar eine WG ist dadurch entstanden», ist Tanja Walliser sichtlich erfreut. Die Gründung einer Community sei ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. Für einen Paradigmenwechsel reiche es nicht, wenn einzelne Individuen mehr Empathie zeigen würden; letztlich brauche es ein Umdenken in der ganzen Gesellschaft, weg vom Einzelkampf, hin zum Gefühl der menschlichen Zusammengehörigkeit.

Grosse Unterstützung

Wie stark das Bedürfnis und die Sympathie für «Empathie Stadt Zürich» ist, zeigt ein kürzlich durchgeführtes Crowdfunding-Projekt. An Heiligabend wurde es erfolgreich abgeschlossen, über 500 Personen spendeten zusammen rund 110 000 Franken. «Das ist nicht selbstverständlich, unser Ziel wurde sogar übertroffen, wofür wir unendlich dankbar sind», so Walliser. Ohne die finanzielle Spritze könnte das Projekt nämlich nicht existieren; die beiden Kolleginnen widmen sich ihrem Anliegen vollumfänglich und nicht nur als Nebenbeschäftigung. Geld für ihren Lebensunterhalt kommt in erster Linie nur durch Mitgliederbeiträge und Kursgelder rein. Da sie auch Projekte mit einem geringen Budget unterstützen und Menschen, die über wenig finanzielle Mittel verfügen, gratis an den Kursen teilnehmen dürfen, entstand eine finanzielle Lücke.

Das Team rund um Tanja Walliser und Sonja Wolfensberger ist in den letzten Monaten um neue Kursgeberinnen und -geber gewachsen. Das ist wichtig für ihre neue «Empathie- Initiative». Waren sie bisher nur in der Stadt Zürich tätig, soll es künftig auch in anderen Schweizer Ortschaften lokale Empathie-Communitys geben. Ausserdem konzentrieren sie sich derzeit auf generationsübergreifende Workshops, um mit Missverständnissen und Konflikten über verschiedene Altersgruppen hinweg aufzuräumen. Ein solcher findet Anfang Februar wieder statt, Plätze sind noch verfügbar.


Weitere Informationen:
www.empathiestadt.ch

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