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Das Insektenhotel dient der Artenförderung und bietet Wohnraum auf mehreren Etagen für diverse Tiere. (Bild: Werner Schüepp)

Zürichs grösster Lebensturm

Von: Von Werner Schüepp

06. April 2021

Im Albisgütli zieht ein eigenartiges Objekt die Aufmerksamkeit auf sich. Es handelt sich um einen mehrere Meter hohen Turm mit diversen Etagen, der beim Eingang zum Gasthaus Albisgütli steht. 

Seit die Temperaturen steigen und sich der Frühling lautstark mit Sonnenschein meldet, kommt es häufig vor, dass beim Eingang des Gasthauses Albisgütli Spaziergänger verwundert vor einem mehrstöckigen Gebilde stehen bleiben, welches dort aufragt. Die Installation zieht die Blicke an und fällt doppelt auf, da das Gasthaus mit der grossen Terrasse wegen der Corona-Pandemie seit mehreren Monaten geschlossen ist. Des Rätsels Lösung: Beim Objekt handelt es sich um einen Lebensturm. Er dient der Artenförderung und bietet verdichteten Wohnraum auf mehreren Etagen für diverse Tiere. Der Turm wurde im letzten Jahr installiert, als das Gasthaus Albisgütli nach einer mehrmonatigen Umbauphase wieder eröffnet wurde und seither von der Pächterin, der Remimag Gastronomie AG, betrieben wird. Deren Verwaltungsratspräsident Peter Eltschinger hatte die Idee mit dem Lebensturm, weil ihm die Natur am Herzen liegt. «Als Kind durfte ich oft unseren Nachbarn auf dem Bauernhof helfen. Dabei lernte ich alle Jahreszeiten kennen und lieben», sagt er. Gerade ein Lebensturm eigne sich ausgezeichnet dazu, das Erlebnis Natur den Menschen in städtischer Umgebung näherzubringen.

Lebensraum für Tiere

Das Grundgerüst eines Lebensturms besteht aus drei bis fünf Meter hohen Holzstangen, die zu einem Quadrat fixiert werden. Die Stangen wiederum geben im Innern des Turms Holzharassen und -beigen einen Halt. Die Füllung der einzelnen Harasse ist wichtig, schliesslich ist das Ziel, damit die gewünschten Bewohner, sprich Tiere, anzulocken. Es empfiehlt sich, für die einzelnen Turmetagen unterschiedliche Materialien zu verwenden, zum Beispiel Wolle, Stroh, Laub oder Heu.

Aussen am Gerüst hat es noch Platz für diverse «Tierwohnungen»: Nistkästen für Höhlenbrüter, Wildbienenhotels, Fledermauskästen oder Marienkäferhäuschen. Beliebt ist auch, das Äussere des Turms mit Ranken zu bepflanzen. Vögel schätzen Kletterpflanzen als Brutplatz und Nahrungsquelle.

«Beim Bau eines Lebensturms sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Ästhetik und Ökologie können nach Lust und Laune miteinander verwoben werden», sagt Urs Amrein vom Baumhaus / Archehof in Luzern. Er ist der Initiant der Lebensbäume in der Schweiz, die bis jetzt vor allem in der Innerschweiz ein Begriff sind. Städte wie Zürich eignen sich allerdings genauso gut als Standort wie eine ländliche Umgebung. Amrein: «Die Förderung der Biodiversität ist in einer Stadt wie Zürich ebenso wichtig wie auf dem Land.» In Städten mit bepflanzten Parks und Blumenrabatten finden Insekten ein Nahrungsangebot von Frühling bis Herbst. «Ein Lebensturm bietet dazu ergänzend einen Lebensraum, Unterschlupf, Überwinterungsmöglichkeiten sowie Nahrung für Kleinstlebewesen.» Hier leben auf engem Raum unter anderem Marienkäfer und Ohrwürmer, Wespen und Fliegen, Spinnen und Bienen.

Begeisterte Reaktionen

Wie Urs Amrein erklärt, ist für das Gedeihen des Lebensturms eine begrenzte Fläche in der Nähe optimal, zum Beispiel eine Wiese oder ein Wald. Je nach Höhe und Ausstattung belaufen sich die Kosten pro Turm auf 3000 Franken. «Bei Schulprojekten versuchen wir auch Sponsoren oder Stiftungsgelder für die Finanzierung zu gewinnen.»

Der Unterhalt ist kostengünstig: Bis auf das Nachfüllen mit Nistmaterial sind keine Arbeiten nötig. Ein Lebensturm ist für eine Lebensdauer von rund zehn Jahren konzipiert. Selbst an vielbesuchten Orten habe es noch nie Vandalismus gegeben.

Wie fiel die Reaktion der Restaurantbesucher aus? «Wegen Corona konnten wir die Gäste leider nur kurz bedienen, aber wir bekamen viele positive Echos. Besonders ältere Gäste waren vom Lebensturm ganz begeistert», sagt Eltschinger. Da die Insekten nicht immer sofort zu erkennen sind, musste das Servicepersonal ab und zu für Erklärungen sorgen und Fragen beantworten.

Bedenken, dass die Insekten die Restaurantgäste vertreiben könnten, hat Eltschinger keine. «Die Bienen im Lebensturm stellen für uns kein Problem dar. Mehr zu kämpfen haben wir im Sommer mit den Wespen auf der Gartenterrasse, aber die kommen nicht vom Lebensturm.»

Der Gastronom hat vor, künftig weitere Lebenstürme in seinen Betrieben aufzustellen. In der Wirtschaft Schönegg in Wädenswil steht noch ein Exemplar, ein weiteres ist in Vorbereitung für den Landgasthof Breitfeld in Risch-Rotkreuz.

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