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Die Kosten für ausserordentliche Polizeieinsätze wie hier bei der Räumung einer besetzten Liegenschaft an der Brand­schenkestrasse 2012 müssen auch weiterhin nicht zwingend auf die Verursacher abgewälzt werden. Bild: newspictures.ch

Zwängerei oder gerechte Kostenabwälzung?

Von: Sacha Beuth

02. Februar 2021

Gegenwärtig ist es im Kanton Zürich nicht verpflichtend, dass die Kosten für ausserordentliche Polizeieinsätze den Verursachern aufgebrummt werden. Hooligans oder Hausbesetzer kommen darum oft ungeschoren davon, während die Allgemeinheit bezahlen muss. Dies wollten HEV und Bürgerliche mit einer Parlamentarischen Initiative ändern, scheiterten aber im Kantonsrat an der linksgrünen Mehrheit, die darin eine unnötige Zwängerei sieht.

Dass die Kosten, welche polizeiliche Grosseinsätze zur Räumung von Hausbesetzungen und zur Bekämpfung von Saubannerzügen und Hooliganismus mit sich bringen, nicht zwingend den Verursachern übertragen werden, ist bürgerlichen Parteien und dem HEV des Kantons Zürich schon lange ein Dorn im Auge. Aber spätestens seit August 2014 ist so richtig Feuer unterm Polit-Dach. Grund war die Weigerung von Richard Wolff, damals Vorsteher des Sicherheitsdepartements, den Einsatz zur Räumung des Labitzke-Areals den Besetzern in Rechnung zu stellen mit der Begründung, ein solcher Einsatz gehöre zur «polizeilichen Grundversorgung».

Dieser und andere ähnlich gelagerte Vorfälle bewogen FDP, SVP und CVP 2016 dazu, die parlamentarische Initiative «Chaoten statt Steuerzahler belasten» im Kantonsrat einzureichen. Eine Vorlage, die vom HEV des Kantons Zürich befürwortet wurde, dem in erster Linie ein strikteres Vorgehen gegen Hausbesetzer am Herzen lag. Der Vorstoss wurde im April 2017 durch den Kantonsrat noch «vorläufig» unterstützt. Doch bei den letzten Wahlen änderte sich das Mehrheitsverhältnis in der Kammer zu Gunsten von Linksgrün. Das führte wiederum dazu, dass die bürgerliche Vorlage am Montag vor einer Woche in der Abstimmung durchfiel. 88 Nein zu 79 Ja lautete das Verdikt.

Die linksgrünen Parteien begründen ihre Ablehnungen unter anderem damit, dass schon jetzt die Möglichkeit bestehe, die Kosten für ausserordentliche Polizeieinsätze auf die Verursacher abzuwälzen. «Ausserdem hätte es die Parlamentarische Initiative ermöglicht, dass zum Beispiel unbeteiligte Fussballfans haftbar gemacht werden, die zwar nichts mit den Ausschreitungen am Rande eines Fanmarsches zu tun hatten, aber halt zur falschen Zeit am falschen Ort waren und dann mithängen. Es braucht deshalb Ermessensspielraum für die Strafverfolgungsbehörden», erklärt Stefan Rüegger, stellvertretender Generalsekretär der SP Kanton Zürich. In unserem föderalistischen System brauche es bei den genannten problematischen Aktionen eine städtische und keine kantonale Lösung. «Weil die rechtsbürgerlichen Parteien in der Stadt Zürich aber für ihre Forderung weder im Parlament noch in der Bevölkerung Rückhalt finden, versuchen sie, der Stadt Zürich via Kanton ihren Willen aufzuzwingen. Das ist staatspolitisch problematisch und undemokratisch, weil damit unser föderalistisches System missbraucht und die Menschen in der Stadt übergangen werden», findet Rüegger.

Gefahr der Willkür

Ganz anders sehen es die Initianten und der HEV Kanton Zürich, die die Abstimmung mit grosser Enttäuschung zur Kenntnis genommen haben. «Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass die bestehende Kann-Formulierung im Polizeigesetz schlicht nie angewendet wurde, selbst wenn es möglich gewesen wäre», sagt FDP-Kantonsrätin Sonja Rueff-Frenkel. Die heutige Kann-Formulierung zeige aber, dass eine Weiterverrechnung der Polizeikosten rechtsstaatlich zulässig sei. Laut Marc Bourgeois, ebenfalls FDP-Kantonsrat und Erstunterzeichner der Initiative, hatte etwa der Einsatz der Stapo bei der illegalen Nachdemo zum 1. Mai 2007 855 000 Franken gekostet. «Ausgaben, die allein der Steuerzahler berappen musste.» Er führt zudem an, dass die geltende Regelung bei der Frage, welche Einsätze nun den Verursachern verrechnet werden und welche nicht, zu Willkür führe.

Dass bei Annahme der Initiative nicht nur Gewalttäter, sondern auch andere Teilnehmer einer illegalen Demo oder Hausbesetzung gebüsst hätten werden können, halten Bürgerliche und HEV Kanton Zürich für richtig. Es gehe ja nicht um Schadenersatz für begangene Sachbeschädigungen, die ohnehin kaum einer Person zugeordnet werden können. Sondern um die Übernahme der Kosten für die Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration. «Könnte man die Teilnehmer zur Verantwortung ziehen, hätte dies mit Sicherheit eine abschreckende Wirkung entfaltet», schreibt der HEV Kanton Zürich.

Den Vorwurf der Zwängerei lassen Bürgerliche und HEV Kanton Zürich dagegen nicht gelten. «In der Schweiz liegt die Polizeihoheit bei den Kantonen und nicht bei den Gemeinden – und damit auch nicht bei der Stadt Zürich», betont FDP-Kantonsrat Bourgois. Somit würden Gemeinden, die keine eigene Polizei unterhalten – was auf die meisten Gemeinden zuträfe – nach dieser Argumentation dauernd «bevormundet». «Damit entpuppt sich dieses Argument als reines Scheinargument.»

Während die SP laut Rüegger überzeugt ist, dass die Stadt Zürich in den vergangenen Jahren bewiesen habe, dass sie Ausschreitungen am Rande von Grossveranstaltungen effektiv reduzieren und somit entsprechende Kosten verhindern kann, sind FDP und HEV Kanton Zürich wesentlich skeptischer. «Die FDP wird aufmerksam darüber wachen, ob die geltende Kann-Formulierung von der Stadt Zürich in Fällen, in denen Täter und Polizeikosten bekannt sind, künftig (neuerdings) angewendet wird, und wenn nötig wieder einschreiten. Wir wollen nicht, dass weiter die Allgemeinheit für die Einsatzkosten aufkommen muss, sondern eine verursachergerechte Kostenabwälzung.»

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

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