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Porträt

Arbeiten am Empfang und 47-mal Ballermann

Von: Ginger Hebel

20. August 2013

Wenn Urs Werner nicht am Empfang von Tamedia sitzt, dann schreibt er. Sein erster Roman ist eine Hommage an Mallorca und ein Stück Lebensgeschichte.

«Es gibt für mich nichts Schöneres als die Vorstellung, dass jemand auf dem Liegestuhl liegt und mein Buch liest», sagt Urs Werner. Er hat den Sommerroman «Der Ewigsommer» geschrieben, ein Buch über Männerfreundschaft, Party, Strand und die Sehnsucht, irgendwann dem Glück zu begegnen. Das Buch handelt von Gerrit und seinen drei besten Freunden, die Ferien am Ballermann machen und einen unvergesslichen Sommer erleben wollen. Doch «Der Ewigsommer» von Urs Werner ist nicht einfach eine erfundene Geschichte, es ist ein bisschen auch seine eigene, denn er hat bereits 47-mal Ferien an der Platja de Palma verbracht und genug erlebt, um ein Buch zu schreiben. «Die Insel ist wie ein Stück Heimat. Wir haben hier so viel erlebt, dass ein Kollege meinte, irgendwann würden die Erinnerungen verloren gehen, man sollte sie aufschreiben», erzählt Urs Werner – und tat es.

Zwei Jahre hat er an seinem Erstling geschrieben. Als Schweizer Autor hat man einen schweren Stand, er aber weiss, dass man nichts erreicht, wenn man es nicht wenigstens versucht, darum hat er eine Buchdruckerei gesucht und seinen Roman im Eigenverlag herausgebracht. In den Bücherläden liegt sein Werk zwar nicht auf, aber man kann es in jedem bestellen. «Hauptsache, ich werde gelesen.» Urs Werner ist selbstkritisch und ein Zweifler, aber wenn er positive Feedbacks bekommt, dann bestärkt ihn das in seinem Tun. Eigentlich wollte er nur ein einziges Buch schreiben, doch weil die Reaktionen der fast ausschliesslich weiblichen Leser überraschend gut ausfielen, schrieb er eine Fortsetzung – «Der Ewigsommer 2». «Ich wollte Gerrit weiterleben lassen. Während der erste Band aber sehr viel mit der Wahrheit zu tun hat, ist der zweite Fiktion.»

Im Innersten ist er ein Hippie

Das Schreiben ist sein grösstes Hobby. Die Einnahmen decken aber nur die Ausgaben. Seine Brötchen verdient Urs Werner seit zwölf Jahren als Empfangsmitarbeiter beim Medienhaus Tamedia, das auch Miteigentümerin des «Tagblatts» ist. Hier, in Anzug und Krawatte, sieht man ihm die Liebe zum Ballermann nicht an. Als typischen Ballermann-Touristen sieht er sich auch selber nicht, «ich bin ein Beobachter.» Doch in seinem Innersten ist er ein Hippie. «Am liebsten würde ich mir einen Bart und die Haare wachsen lassen, das ist so eine Hippie-Fantasie», sagts und lächelt keck. Bei Tamedia arbeitet er im Schichtbetrieb. Seine Hauptaufgabe ist es, Kunden zu empfangen, er nimmt Telefonanrufe entgegen, kümmert sich um Leseranfragen und nachts, wenn andere schlafen, bewacht er den Neubau aus Glas und Fichtenholz. Mit der Taschenlampe in der Hand begibt er sich auf einen Sicherheitsrundgang durch die dunklen Gänge und schreibt an seinem Buch. Fühlt er sich nie einsam, nachts, allein? «Doch, aber es ist Bestandteil meines Jobs. Das Flair nachts ist speziell. Wer nicht allein sein kann, darf diese Arbeit nicht machen.»

Urs Werner ist 1967 in Baden-Dättwil geboren und ein Sonntagskind. Schon als Jugendlicher war er der Typ Einzelgänger, der tat, was er gut fand, und nicht um des lieben Friedens willen. «Ich mache auch heute, was ich will, auch wenn es Konsequenzen haben kann.» Früh begann er Klavier zu spielen, komponierte deutsche Songtexte und produzierte eigene Platten, auch für die Walliser Rockröhre Sina schrieb er Songs, ­bevor sie den Durchbruch schaffte. «Ich habe meine Musikalität mit dem Schreiben ausgelebt.» Bereits als Kind machte er mit seinen Grosseltern Ferien auf Mallorca, und als Jugendlicher feierte er hier mit dem Fussballclub und seinen besten Kumpeln, als gäbe es kein Morgen. Im Verlaufe der Jahre hat er auf der Baleareninsel viele Kontakte geknüpft. Er grüsst den König von Mallorca, Jürgen Drews, und dieser grüsst zurück, doch Urs Werner bildet sich darauf nichts ein, weil der Entertainer wohl aus Freude allen zuwinkt, die ihn kennen. Er mag sie einfach, diese losgelöste Stimmung am Ballermann. «Alle sind aufgeschlossen und fröhlich, nicht so verhalten wie in Zürich. Hier ist es sehr viel schwieriger, neue Leute kennen zu lernen.»

Im Buch lässt Gerrit alles zurück und fängt in Mallorca ein neues Leben an. Ist das ein Wunsch, der auch in Urs Werner schlummert? «Ich habe mir oft überlegt, alle Zelte abzubrechen. Aber die Schweiz ist ein Paradies. Im Süden ist es nur schön, wenn man nicht arbeiten muss.» Stattdessen geniesst er die Freiheit, nach Mallorca zu fliegen, wann er will, schliesslich liegt sein persönliches Inselglück nur zwei Flugstunden entfernt.

Der 46-Jährige hat, im Gegensatz zu vielen Männern, keine Mühe über Gefühle zu reden und erst recht nicht zu schreiben. Sein Roman soll vergessene Gefühle wecken und einen dazu bringen, das eine oder andere im Leben zu überdenken. So wirft er auch die Frage auf, was der Sinn des Lebens ist. Ihn beschäftigt diese Frage selber. «Ich habe keine Midlifecrisis, aber auch ich frage mich manchmal, was wohl noch kommt in meinem Leben, ob es nochmals eine andere Wende nimmt.» Urs Werner ist ein Geniesser, umgibt sich gerne mit schönen Dingen und stürzt sich an freien Tagen schon mal ins Getümmel. «Ich bin gerne allein unterwegs und beobachte andere, denn dann kommen mir die besten Ideen zum Schreiben. Gewollte Einsamkeit ist der höchste Luxus, den man haben kann.»

Glücksgefühle am Strand von Malle

Wenn er nach der Arbeit nach Hause kommt, setzt er sich an seinen Computer und beantwortet E-Mails – jedes, das er bekommt. Eine Leserin stellte ihm kürzlich die Frage, ob sie ihren Mann verlassen soll, eine andere wollte Gerrit als Mann. In solchen Momenten traut Urs Werner seinen Augen nicht. «Das Denken von Gerrit ist indirekt zwar meines, aber es ist immer noch ein Roman.» Kein Tag vergeht, ohne dass er schreibt – derzeit an seinem dritten Band, «Das grosse Finale» wird im Februar erscheinen. Bereits plant er einen neuen Roman. Glückfindung wird auch dann ein zentrales Thema sein. «Ich habe lange geglaubt, Glücklichsein sei ein Grundrecht, aber das stimmt nicht. Man muss etwas dafür tun und es zulassen.» Er ist zufrieden mit seinem Leben, und wenn er am Strand von Mallorca sitzt, ertappt er sich, wie er sich eingesteht, dass er glücklich ist. Und er träumt von der grossen Liebe. «Wir wissen oft nicht, was Glück ist, nur, was Glück war. Ich persönlich glaube an den Ewigsommer.»

Infos zum Buch «Der Ewigsommer» auf Facebook oder unter
www.urswerner.com

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