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Porträt

Chips-Liebe verbindet: Der verstorbene Patron Hans-Heinrich Zweifel (r.) und Sohn Christoph (l.), CEO.Zweifel Pomy-Chips AG

Begeisterung statt Zweifel

Von: Ginger Hebel

05. Oktober 2021

Kultchips: Nach 29 Jahren steht wieder ein Familienmitglied an der Spitze. Christoph Zweifel (52) vom gleichnamigen Zürcher Unternehmen denkt oft an seinen verstorbenen Vater, der die Zweifel-Chips gross rausbrachte. 

Es sind goldene Zeiten für Kartoffelchips-Produzenten. 2020 futterten die Schweizerinnen und Schweizer elf Millionen Kilogramm Chips, 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Boom nach salzigen Knuspersnacks ist auch dieses Jahr ungebrochen. Das freut Marktführer Zweifel, ein Stadtzürcher Familienunternehmen. «Die Nachfrage bringt aber auch Herausforderungen mit sich», sagt Chips-Chef Christoph Zweifel, Sohn des Mitbegründers Hans-­Heinrich Zweifel. So reiche die Schweizer Kartoffelernte derzeit nicht mehr aus, um den Markt zu versorgen.

Seit Mai 2020 sitzt Christoph Zweifel an der Spitze des Chips-Imperiums, das sein Vater aufbaute. Im November letzten Jahres starb der Patron im Alter von 87 Jahren an Herzversagen. «Sein Tod war für unsere Familie und auch für die Mitarbeitenden ein schwerer Schlag. Er war so beliebt bei allen», sagt Christoph Zweifel. Es mache ihn glücklich, dass sein Vater ihn noch in seinem neuen Amt als CEO erleben durfte. «Ich konnte stundenlang mit ihm über alle möglichen Themen diskutieren. Er war ein Herausforderer mit genialen Ideen. Er fehlt mir.»

Sorgfalt für das Produkt

Christoph Zweifel wuchs am Rande der Stadt Zürich – in Höngg – auf. Hier wurde vor über sechzig Jahren auch das Familienunternehmen Zweifel gegründet. Lange sei es für ihn keine Option gewesen, ins Familybusiness einzusteigen. Es war ihm – wie vielen jungen Leuten – wichtig, sich abzugrenzen von den Idealen und Vorstellungen der Eltern. Er wollte Erfahrungen bei internationalen Konzernen sammeln und neue Kulturen kennen lernen. «Mein Vater akzeptierte dies. Dennoch hatte er mich stets über seine Entscheide und Visionen informiert. Ich spürte, dass es ihn sehr freuen würde, wenn ich eines Tages einsteige.» Wohl auch deshalb, weil Christoph als Lebensmittelingenieur genau weiss, was ein gutes Produkt ausmacht und wie es qualitätsvoll produziert werden muss. Er schrieb seine Dissertation zum Thema Teigwaren-Hochtemperatur-Trocknung. «Ich bin eigentlich eher Doktor der Pasta und nicht Doktor der Chips», sagt Christoph Zweifel und lacht.

2015 stieg er als Leiter Marketing und Verkauf ins Familienunternehmen ein. Fünf Jahre später übernahm der heute 52-Jährige den Chefposten. Sein Vorgänger Roger Harlacher sitzt im Verwaltungsrat. Christoph Zweifel denkt oft an seinen Vater und seine Interpretation des Erfolgs. Die Sorgfalt, die dem Produkt und dem Vertrieb gewidmet ist, und die innovativen Marketing- und Werbeideen, die den Chips-Kreationen Kultstatus verleihen.

Schlechtes Kartoffeljahr

Bereits in den Sechzigerjahren investierte Hans-Heinreich Zweifel in klassische Fernsehwerbung. «Er wusste, wie wichtig es ist, eine Marke erlebbar und bekannt zu machen», sagt sein Sohn. Dies bedeute aber nicht, dass der heutige Bekanntheitsgrad Werbung überflüssig mache. «Im Gegenteil. Sie ist Teil unseres Erfolgs», ist Christoph Zweifel überzeugt. Die Nähe zu den 250 hiesigen Bauernbetrieben liegt Zweifel am Herzen. Für die Chips verwenden sie, wenn immer möglich, Schweizer Kartoffeln – 25 000 Tonnen pro Jahr. Der verregnete Sommer macht den Kartoffelbauern allerdings einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. «Die Ernteausfälle sind enorm. Das ist das schlechteste Kartoffeljahr in der Geschichte. Wir müssen 20 bis 30 Prozent der benötigten Menge aus dem Ausland importieren, um die Nachfrage zu decken», sagt Christoph Zweifel.

Bewusste Ernährung, Veganismus. Die Konsumenten achten immer stärker auf Inhaltsstoffe. «Chips sind aber nicht ungesund», betont der Lebensmittelingenieur. «Wir verwenden für die Zubereitung hochwertiges Rapsöl und Alpensalz.» Dank Innovationen wie dem Mehrkornsnack Graneo oder VAYA auf Süsskartoffel- und Kichererbsen-Basis schafft es Zweifel immer wieder, die Trends der Konsumenten frühzeitig aufzunehmen und Alternativen anzubieten. Seit 1970 werden die Chips in der grossen Fabrik in Spreitenbach produziert. In den vergangenen Jahren wurden für über 40 Millionen Franken die Produktion ausgebaut und modernisiert, Büroräumlichkeiten erneuert und eine Genusswerkstatt sowie ein Besucherzentrum realisiert.

Nachhaltigkeit ist ein grosses Thema. Kartoffeln, die aus Qualitätsgründen aussortiert werden, landen nicht im Abfall, sondern werden auf dem Areal zu Biogas und Tierfutter verarbeitet. Zudem wird das Gebäude grösstenteils mit zurückgewonnener Wärme aus dem Dampf der eigenen Fritteusen beheizt. Das Thema Verpackung jedoch sei ein noch ungelöstes Problem. «Wir forschen intensiv an einer ökologischen Verpackung, die das Produkt schützt und haltbar macht. Bis jetzt sind diese Verpackungen alle noch zu stark sauerstoff- und lichtdurchlässig. Dies würde die Haltbarkeit der Chips massiv einschränken», erklärt Zweifel.

Zweifel hatte seine Zweifel

Die Pandemie hat auch dem Unternehmen Zweifel einen digitalen Schub verliehen. Homeoffice, Videokonferenzen, flexible Arbeitsmodelle. «Ich muss ehrlich sagen, dass ich früher neuen Arbeitsformen wie Homeoffice gegenüber eher konservativ eingestellt war. Ich zweifelte daran, ob die Mitarbeitenden daheim tatsächlich den gleichen Effort leisten.» Doch genau das taten sie, «viele arbeiteten noch produktiver und mit der gleichen Freude. Dies zu erkennen, war auch ein wichtiger Prozess für mich selber,» betont Christoph Zweifel. Er hat seine Meinung revidiert. Künftig möchte er die flexiblen Möglichkeiten der modernen Arbeitswelt in seinem Betrieb ausschöpfen.

 

Die gesamte vierte Generation des Familienunternehmens sitzt im Verwaltungsrat. Die Familie trifft sich regelmässig zum Austausch, auch Christoph Zweifels Söhne (18 und 20) und sein Cousin Urs, der in Höngg die Weinhandlung Zweifel 1898 mit 50 Mitarbeitenden leitet. Was ist der Vorteil eines Familienunternehmens? «Die Nähe und Vertrautheit ermöglicht es, auch unangenehme Themen offen anzusprechen. Davon profitieren wir alle.» Zur Grossfamilie gehören aber auch die 400 Angestellten der Zweifel Pomy-Chips AG. Patron Hans-Heinrich kannte sie alle per Namen. «Ich bin nicht der Beste, wenn es um Namen geht. Da muss ich noch einen Zacken zulegen», sagt Christoph Zweifel.

Sein Vater habe ihm viel Gutes mit auf den Weg gegeben. Vor allem Begeisterungsfähigkeit. «Er sagte stets: Mach, was dich begeistert. Begeisterung ist der Schlüssel. Er hatte recht.»

Was ist Ihre Meinung zum Thema? echo@tagblattzuerich.ch

Familienunternehmen Zweifel

1898 gründeten die Höngger Brüder Emil und Paul Zweifel einen Wein- und Getränkehandel. Ihr beliebtestes Produkt: der hauseigene Apfelmost.

Die Chips-Idee hatte Bauer Hans Meier aus Katzenrüti bei Rümlang, ein Cousin von Heinrich Zweifel. Auf seinem Bauernhof frittierte er die ersten Kartoffel-Chips in einer Feldküchen-Pfanne. Nach seinem Tod übernahm die Familie Zweifel die Chips-Herstellung. Sie integrierte die kleine Manufaktur in die Höngger Mosterei.

1958 werden in Höngg Chips unter der Marke Zweifel lanciert.

1960 Die erste vollautomatisierte Fritteuse produzierte 180 Kilogramm Chips pro Stunde.

1962 gründet Patron Hans-Heinrich Zweifel den Frisch-Service: Eine Flotte von zehn VW-Bussen belieferte die ganze Schweiz wöchentlich mit Chips.

1964 bringt Zweifel die original Paprika-Chips auf den Markt. Die Rezeptur wurde nie verändert. Seit Ende der 60er-Jahre baut das Familienunternehmen in Höngg wieder selber Reben an und keltert eigenen Wein.

1970 wird die Chips-Produktion ausgebaut und nach Spreitenbach verlegt. In Höngg befinden sich nach wie vor die familieneigene Weinhandlung (zweifel1898.ch) mit Weinbeiz und Terrasse sowie Büros.

2019 entsteht das neue Produktions- und Verwaltungsgebäude in Spreitenbach.

2021 Das neue Besucherzentrum wird eingeweiht. Zweifel legt den Grundstein für eine langfristig ausgerichtete Produktion in der Schweiz. Heute besteht die Zweifel Holding AG aus diversen Firmen. Flaggschiff ist die Zweifel Pomy-Chips AG mit rund 400 Angestellten. Der Umsatz wächst von 0,656 Mio. Franken (1960) kontinuierlich auf 262,6 Millionen Franken (2020).

Weitere Informationen: www.zweifel.ch

 

 

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