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Porträt

Kreativer Freigeist: «Hummel»-Schöpfer Alex Macartney. Bild: SB

Den Bünzli zum Helden gemacht

Von: Sacha Beuth

16. Januar 2018

Rund 26 Jahre war der «Hummel»-Comic ein fester Bestandteil des «Tagblatts» und brachte die Leserschaft zum Schmunzeln. Nun ist er in Rente gegangen. Autor Alex Macartney gönnt seinem Titelhelden aber keine Ruhepause und hat eine Crowdfunding-Aktion für ein «Hummel»-Buch gestartet.

Über 1200 «Hummel»-Geschichten hat Macartney für das «Tagblatt» gezeichnet. Als im Zuge von Umstrukturierungsmassnahmen die Zusammenarbeit beendet wurde, schien es, als ob damit auch das Ende der Figur Hummel gekommen sei. Doch der 54-jährige Zürcher Autor will «sein Kind» nicht einfach so sterben lassen und hat darum zusammen mit einem Freund eine Crowdfunding-Aktion (siehe Box) für ein neues «Hummel»-Buch gestartet. «Darin sollen alle bisherigen ‹Hummel›-Comics enthalten sein. Ziel ist es, das Projekt komplett über die Aktion finanzieren zu können.» Benötigt werden 7000 Franken. Kurz nach dem Start sind bislang rund 10 Prozent zusammengekommen.

Kein Sex, kein Fäkalhumor

Dabei hatte Macartney selbst anfangs gar nicht viel für den langweiligen und Brille tragenden Junggesellen mit seinem schlecht sitzenden Anzug und seinem viel zu kleinen Hut übrig. Denn als der gebürtige Engländer 1991 vom «Tagblatt» den Auftrag erhielt, jeweils für Donnerstag (das «Tagblatt» erschien damals noch an jedem Werktag) einen Comic zu zeichnen, war die Figur des Herrn Hummel erst gar nicht vorgesehen. «Mir schwebte eigentlich eine Story um eine Tankstelle vor, die am Fuss eines Vulkans liegt. Aber dann verwarf ich die Idee wieder, weil ich nicht wusste, wie ich ein solch bizarres Konzept auf Dauer an den Leser bringen konnte», erklärt der Autor. «Wie ich dann so rumgrübelte, meinte eine Bürokollegin, mit der ich damals in der Berufsberatung zusammenarbeitete: Du hast doch eine Skizze von so einem Bünzli gemacht, nimm doch den!» Macartney tut, wie ihm geheissen, doch der damalige Chefredaktor des «Tagblatts» ist von der Idee nicht sonderlich begeistert. «Als ich jedoch aus einem Geistesblitz heraus hinzufügte, dass die Figur ein Gürteltier als Haustier hält, erhielt ich umgehend grünes Licht.» Dem Zeichner werden bei der Umsetzung seiner Geschichten viele Freiheiten zugestanden. «Nur an drei Vorgaben hatte ich mich zu richten: keinen Fäkalhumor, keinen Sex und nichts gegen den damaligen Stadtpräsidenten Thomas Wagner.»

Es dauert eine Weile, bis die Leserschaft mit den Zeichnungen und Geschichten warm wird. Einige stören sich, dass die Figur von Polaschnikow, eines rücksichtslosen, egomanischen und kleinkriminellen Nachbarn Hummels, einen ausländischen Namen trägt, und werfen Macartney Rassismus vor. «Das ist natürlich Quatsch, zumal ich als Halbengländer selber ausländische Wurzeln vorweise. Trotzdem habe ich in der Folge Polaschnikow in Poltermann umbenannt.» Die aussergewöhnlichste Reaktion richtet sich jedoch nicht an den Autor selbst, sondern an seine Kunstfigur. «Eine Leserin schrieb, wenn Herr Hummel nicht sofort sein Gürteltier aus dem viel zu engen Käfig lasse, werde sie das «Tagblatt» nicht mehr lesen.»

Rückblickend gibt Macartney zu, die Aufgabe, aus der Figur Hummel etwas Besonderes zu schaffen, unterschätzt zu haben. «Ich hatte zuvor mit meinen ‹Stadtgeschichten› grossen Erfolg im ‹Züritipp› gehabt und war ziemlich überheblich. Ich dachte, so ein Bünzli passt ideal zur ­ebenfalls bünzligen ‹Tagblatt›-Leserschaft. Das wird ein Selbstläufer. Ein Irrtum.»

Mit der Zeit gelingt es Macartney immer mehr, sich in die Person von Hummel, in seinen Alltag, einzufühlen. «Es war mein persönliches kleines Comicforschungsfeld.» Die Ideen zu den Geschichten holt sich der Autor aus den Erlebnissen und Beobachtungen aus seinem Alltag. «Ich habe mir angewöhnt, witzige und ungewöhnliche Dinge immer sofort aufzuschreiben oder zu skizzieren, und habe darum immer Stift und Papier dabei.»

Dass seine Comics nicht jedes Mal die gleiche Qualität aufweisen und gleich gut ankommen, dessen ist sich Macartney wohl bewusst. ­«Erstens ist Humor nun mal verschieden. Und zweitens weist jeder Mensch Unzulänglichkeiten und Schwankungen auf. Es ist nicht möglich, immer nur Superlative zu bieten. Das schafft niemand, nicht einmal ein Konzern wie Disney. Und die haben Ersatzzeichner, wenn mal einer wegen einer Grippe ausfallen sollte. Ich jedoch muss auch liefern, wenn ich krank bin.»

Totale Kontrolle

Das Schicksal teilt er mit der Mehrzahl freiberuflicher Comiczeichner. Wenige können allein von dieser Tätigkeit leben, weshalb der gelernte Grafiker seit einigen Jahren auch ein Gästehaus betreibt. Ob und wie es nach dem Sammelbuch mit Hummel weitergeht, ist noch offen. Klar ist aber schon jetzt, dass sich Macartney trotz aller Widrigkeiten ein ­Leben ohne Comiczeichnen nur schwer vorstellen kann. «Hier hast du nicht nur unglaubliche Freiheiten, sondern auch die totale Kontrolle über dein Schaffen. Du bist zugleich Regisseur, Autor und Bühnenbildner.» Und wie bei einem Kinofilm bestehe auch beim Comiczeichnen die Aufgabe darin, eine ­Geschichte möglichst packend rüberzubringen. «Jede Story ist ein Mosaiksteinchen eines sich allmählich formenden Ganzen. Darin hat es grellbunte, erdfarbene, schöngeformte, aber auch defekte Steinchen. Wie im richtigen Leben.» Die Figur von Hummel repräsentiert dazu noch ein Stück Nostalgie. Ein Durchschnittsbürger, der sich mit den kleinen Dingen des Alltags beschäftigt und an dem die grossen Ereignisse vorbeiziehen. «Mit seinen Geschichten will ich in Zeiten des Umbruchs das heimelige Gefühl einer intakten Welt vermitteln.»

Das Sammelprojekt «Herr Hummel»

Im Mai 2018 will Alex Macartney seinen neusten «Hummel»-Band veröffentlichen. Das Buch trägt bislang den Arbeitstitel «Herr Hummel». Es soll auf rund 300 Seiten insgesamt 1200 Comics beinhalten und über Crowdfunding (www.100days.net/herr-hummel) finanziert werden. Wer mitmacht und mindestens einen Band vorbestellt, erhält diesen zum Subskriptionspreis von 35 Franken inkl. Versand (statt 40 Franken exkl. Versand nach Veröffentlichung).

Weitere Infos:
www.herzglut.com/herrhummel

und
www.macartney.ch

 

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Leserkommentare

Jacques Meier - Ist das wirklich war, dass der "Herr Hummel" nicht mehr fortgesetzt wird?! Kann es kaum glauben. Nicht alles wird besser… Herzlichen Dank Herrn Macartney für die konstante Qualität, ich habe den Comicstrip immer als erstes gelesen, auch wenn er
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Vor 6 Jahren 3 Monaten  · 
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