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Porträt

Florian Bühler, "Portrait of the Painter", 2009, Öl auf Leinwand. Bild: Courtesy of the artist and KATZ CONTEMPORARY

Der diskrete Zauber von Fleisch

Von: Jan Strobel

13. Januar 2015

Der 31-jährige Zürcher Maler Florian Bühler gehört zu den grossen Entdeckungen unter den Schweizer Künstlern. Wir besuchten ihn an seiner Schau.

«Jeder Betrachter soll bekommen, was er verdient», sagt Florian Bühler, während der Besucher seinen Blick nicht von diesem gebratenen Stück Hasenfleisch abwenden kann, das sich vor ihm zusammen mit den Kartoffeln, dem Gemüse, der Sauce und den Kräutern zu einem verführerischen Ensemble vereint. Saftig glänzt das Fleisch im Licht, und am liebsten würde der Betrachter jetzt zu Gabel und Messer greifen, um sich ein Stück dieser Hasenkeule abzuschneiden. Denn schliesslich ist es diese Fantasie, die er sich in dem Moment verdienen will. Würde er damit ernst machen, würde er allerdings in blosse Leinwand schneiden. Denn dieses Fleischgericht existiert nur auf einem Bild, scheinbar hyperrealistisch von Bühler in Öl gemalt. «Kommen Sie näher an das Bild heran», fordert der Künstler den Besucher auf. Was vorher so realistisch wirkte, löst sich plötzlich in einem verwirrenden Farbenkosmos auf. Das Konkrete wird zum Chaos, das Chaos wird zum Konkreten. Die ­Gegensätze vereinigen sich auf 40 mal 50 Zentimeter.

Dieses Spiel mit der Wahrnehmung treibt Bühler auch auf seinen anderen Stillleben, die häufig ums Thema Essen kreisen und die noch bis morgen in der Galerie Katz Contemporary an der Talstrasse zu betrachten sind. Da hängt zum Beispiel das «Kleine Frühstück», das uns schlicht ein Weggli auf geblümtem Porzellanteller und eine Tasse Tee präsentiert. Oder die «Normale Suppe», mit angeschwitzten Speckwürfeln garniert. Das Bild gegenüber zeigt ganz einfach einen violetten Putzlumpen, auch er faszinierend realistisch auf die Leinwand gebracht, als ob es sich um eine Fotografie handeln würde. Es erstaunt nicht, dass der Künstler auch für diesen Artikel auf einem gemalten Selbstporträt besteht, statt sich fotografieren zu lassen.

«Natürlich ist Malerei elitär»
Dieser täuschende Hyperrealismus ist zu einem Markenzeichen des Zürchers geworden, der mit seinen 31  Jahren unter den jungen Schweizer Künstlern als die Entdeckung in der Malerei gilt. Seine Werke sind bereits in zahlreichen Sammlungen vertreten. Die Katz Contemporary fungiert dabei seit einigen Jahren als seine Galerievertretung. Dass heutzutage ein junger Künstler ausschliesslich auf die Malerei setzt und damit Erfolg hat, erstaunt. Schliesslich ist hierzulande vor allem multimediale Kunst en vogue. «Man wirft der Malerei», pflichtet Bühler bei, «immer wieder Nostalgie vor, manchem gilt sie als altbacken, vielleicht auch elitär. Und natürlich ist sie elitär, sie hat schliesslich auch ihren Preis», schmunzelt er selbstbewusst.

Die Langsamkeit, die Sorgfalt sei in seiner Arbeit essenziell. «Ich will nicht schnell malen oder mehr Bilder produzieren, als ich es tue, auch wenn einige sich das vielleicht wünschten», sagt Bühler. Dabei meint er das keineswegs zeitkritisch oder in irgendeiner Art ideologisch. Es geht ihm nicht um die immer wieder routinemässig hervorgebrachte Klage über unsere «zu schnelllebige Gesellschaft», sondern um eine praktische Arbeitsphilosophie. Das Malen ist für ihn ganz unpathetisch eine «Umsetzungsarbeit». Seine Werke entstehen in seinen Ateliers in Zürich und im französischen Jura, welche er sich mit Künstlerfreunden teilt, die sich ebenso wie er der Malerei verschrieben haben.

Dabei arbeitet Bühler, der Maler, durchaus digital: Er projiziert selbst aufgenommene Fotos oder Bildmaterial aus dem Netz auf die Leinwand, zeichnet grob die Grundzüge und Proportionen nach, bevor schliesslich aus der Zeichnung ohne Projektor in mehreren Schichten das Gemälde entsteht. Die alltäglichen Szenerien, besonders das Essen, es wird plötzlich aufgeladen, erhält seine längst in Vergessenheit geratene archetypische Symbolik wieder, einen «optischen Code», wie Bühler das nennt. «Eine Zitrone beispielsweise, früher ein Sinnbild für Mässigung, wird heute anders verstanden. Und was der Betrachter in einem Bild liest, ist natürlich sehr individuell.» Bühler knüpft hier an die grossen Meister der Stillleben des 17.  Jahrhunderts an, die prall gefüllte Gemüse- oder Früchtekörbe voller Symbolkraft auf die Leinwand bannten. Überhaupt das Essen: Fotos von Gerichten in Sekundenschnelle auf Instagram, Facebook oder in Blogs zu posten, ist längst zu einem eigenen Genre auf Onlinenetzwerken geworden. Das Phänomen, die Obsession mit dem Essen, nennt sich passenderweise «Foodporn».

Bühler, könnte man jetzt einwerfen, setzt dazu mit seinen Stillleben voller Langsamkeit einen Gegenpol. Doch der Künstler, der selbst auf keinem dieser Netzwerke präsent ist, sieht das nicht so. «Ich habe schon Essen gemalt, als von Foodporn noch keine Rede war, freue mich aber über dieses Phänomen.» Bereits während seiner Ausbildung an der ZHDK von 2002 bis 2008 hatte sich Bühler auf die gegenständliche Malerei konzentriert. Als Teenager fasziniert von den Porträts Egon Schieles, dessen Werke gerade im Kunsthaus zu sehen sind, stellte Bühler ab 2002 seine Bilder regelmässig in verschiedenen Zürcher Galerien aus. Dabei kam der Künstler eher spontan zur Kunst, es gab da kein «Erweckungserlebnis», «in meiner Schulzeit gehörte Zeichnen nicht gerade zu meinen stärksten Fächern. Trotzdem sah ich in der Kunst einen Weg für mich. Ich wollte es einfach ausprobieren.»

Wir stehen wieder vor unserem Hasengericht auf Leinwand, und Bühler sagt: «Ich bin ja eigentlich Vegetarier. Aber ein Bild von Fleisch hat seinen eigenen Zauber. Wahrscheinlich ist es schon die Vorstellung, dass das mal ein lebendes Tier gewesen ist.» Der Umsetzungskünstler meint das wieder ganz gelassen, ohne Ideologie. 

"Hasengericht", 2014, Öl auf Leinwand. Bild: Courtesy of the artist and
KATZ CONTEMPORARY

www.katzcontemporary.com

www.florianbuehler.com

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