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Porträt

Der Zürcher Samichlaus wohnt im Waldhüsli im Chäferbergwald und empfängt dort die Kinder. Bilder: PD

Der Zürcher Samichlaus kämpft um seine Zukunft

Von: Sibylle Ambs

21. November 2017

1947 gründeten 17 engagierte Männer im Saal des Hotels Limmathaus die Zürcher St. Nikolausgesellschaft. 70 Jahre später sind es rund 40 Chläuse und 55 Schmutzli, die in der Weihnachtszeit Kinderaugen zum Leuchten bringen. Doch es bräuchte noch viel mehr.

Ein bisschen wie bei Superman: Niemand weiss, wer sie sind, und keiner kennt die Gesichter der rund 40 Samichläuse und 55 Schmutzli, die jedes Jahr in den Tagen rund um den 6. Dezember durch die Strassen und Gassen der Stadt und der Agglomeration ziehen – ganz zu schweigen von den vielen weiteren Freiwilligen, die im Hintergrund die Chlaus­säckli bereitstellen oder sich um die Bärte und Kutten der Teams kümmern. Sie bleiben hinter den verschlossenen Türen der Sami­chlauszentrale verborgen oder sind gut getarnt, hinter weissen und schwarzen Bärten und unter roten und braunen Kapuzen.

Immer zu zweit unterwegs, besuchen und beschenken die Chläuse und ihre Gehilfen die Kinder, ermahnen gelegentlich auch mal die Eltern – und sie tun Gutes, ohne gross darüber zu reden. Mit viel Hingabe und Leidenschaft widmen sich die Freiwilligen ihrer Mission und pflegen ihre Tradition. Dafür werden sie extra geschult: «Interessierte laden wir zu einem ersten Gruppengespräch ein», so Dölf Hitz, seit zehn Jahren Präsident der Gesellschaft. «Wer danach immer noch willens ist, in der Adventszeit einige Tage unentgeltlich im Dienste der St. Nikolausgesellschaft zu stehen, der beginnt seinen Dienst als Schmutzli.»

Polizei blockierte Chläuse

Der Zürcher Samichlaus pflegt eine lange Tradition: Bereits vor 70 Jahren waren in der Stadt Zürich zahlreiche Männer als Samichläuse unterwegs. So mancher Onkel oder Götti klebte sich ein Stück Watte ins Gesicht, zog einen roten Morgenmantel an, fuchtelte mit der Fitze. Die meisten von ihnen boten ihre Dienste im «Tagblatt der Stadt Zürich» an. Inmitten von Inseraten für Gebissreparaturen warben unter anderem der «Samichlaus», der «Klaus mit Ruprecht» oder der «Original Samichlaus» um die Gunst der Kinder und Eltern. Karl Hotz war einer von ihnen. Um die seiner Ansicht nach «üblen Auswüchse in Kostümierung und Verhalten» zu bekämpfen, schlug er all den freischaffenden Chläusen kurzerhand die Gründung einer Gesellschaft vor.

So wurde am 20. Dezember 1947 die St. Nikolausgesellschaft als politisch und konfessionell neutraler Verein gegründet. Sie hat bis heute den Auftrag, den Brauch des Chlausens in der Vorweihnachtszeit zu pflegen und weiterzuführen. Ihre Aufgabe ist es aber nicht nur, Kinderaugen zum Leuchten zu bringen. Auch das Wohl der Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, wird vom Samichlaus nicht vergessen.

In der schwierigen Nachkriegszeit nach dem Gründungsjahr war es nicht leicht, Spanisch Nüssli, Mandarinen und Äpfel für die Chlaussäcke zusammenzubringen. Sie wurden vom Mund abgespart und von Grossverteilern erbettelt. Und auch der grosse Umzug, der mittlerweile zur Zürcher Tradition geworden ist, war zunächst alles andere als selbstverständlich. So wurden die Organisatoren des ersten Umzugs kurzerhand verhaftet, beim zweiten Versuch ein Jahr darauf blockierte die Polizei den Einzug der Samichläuse in die Stadt. Denn der Bischof Nikolaus war zwar ein Heiliger – aber ein Bischof in der Zwinglistadt? Das ging damals gar nicht.

Dafür kamen immer mehr Gleichgesinnte zur Gesellschaft: Zeitweise hatte der Verein mehr als 400 Aktive und gegen 2000 Kunden. Der gute Ruf der St. Nikolausgesellschaft und die uneigennützigen Taten der Mitglieder fanden weit über Zürich hinaus grosse Sympathie. 1991 bekamen die Freiwilligen die grösste Anerkennung der Vereinsgeschichte: Die Stadt Zürich verlieh der St. Nikolausgesellschaft einen Kulturpreis. Sie durfte die «Auszeichnung für allgemeine kulturelle Verdienste» entgegennehmen.

Heute absolvieren die Chläuse und Schmutzli während zwölf Tagen im Advent rund 1000 Besuche in Familien, Heimen, Spitälern, Schulen und Kindergärten. Viele Tausend Kinder – und Erwachsene – freuen sich Jahr für Jahr auf den Samichlaus daheim, beim grossen Umzug durch die Bahnhofstrasse, oder sie besuchen ihn direkt zu Hause im Waldhüsli am Hönggerberg.

Auch die zweite Tradition der Gesellschaft wird noch vorgelebt: Die St. Nikolausgesellschaft unterstützt das ganze Jahr über Menschen, die Hilfe brauchen. Zum Beispiel mit Aktionen für Kinder aus sozial schlecht gestellten Familien oder Ausflügen mit alten oder behinderten Menschen.
«Das Symbol der St. Nikolausgesellschaft ist die gebende und die nehmende Hand», erläutert Dölf Hitz. «Das Geld der Besuche, die wir den Eltern in Rechnung stellen, fliesst zurück zu den Menschen, die Unterstützung ­benötigen.» Die Chläuse, Schmutzli und Helfer im Hintergrund arbeiten, wie das vor 70 Jahren definiert wurde, auf freiwilliger Basis. So viel Herzblut und Leidenschaft die aktuell rund 200 Freiwilligen auch geben, es reicht nicht, um all die Anfragen zu bewältigen: «2016 konnten wir etwa 150 Bestellungen nicht annehmen. Wir haben zwar als Alternative ein Chlaus-Telefon eingerichtet, wo die Kinder direkt mit dem Samichlaus sprechen können. Trotzdem suchen wir natürlich weitere Freiwillige, die sich während der Adventszeit mindestens vier Tage frei nehmen können», so Dölf Hitz.

Ein Grund des aktuellen Personalmangels ortet Hitz bei den Arbeitgebern: Immer weniger sind heute bereit, ihre Angestellten für ein paar Tage freizustellen, damit sie sich für eine gute Sache engagieren können.

Einer der amtierenden Chläuse hat eine elegante Lösung für dieses Problem gefunden: «Ich habe kurzerhand meinen Chef mit in unsere Einsatzzentrale genommen. Seit er mit eigenen Augen gesehen hat, wie motiviert und engagiert wir unsere Aufgabe wahrnehmen, bekomme ich jedes Jahr ein, zwei Tage frei zum Sami­chlausen.»

Der heilige Bischof Nikolaus in der Zwinglistadt: Einzug des Samichlaus im Zürcher Niederdörfli Ende der 1940er-Jahre.

Chläuse, Schmutzli und Fahrer gesucht

Auch 2018 werden viele Anfragen bei der St. Nikolausgesellschaft eintreffen. Interessierte Freiwillige, die sich im Samichlaus-Schmutzli-Team engagieren möchten, können sich via Mail melden:
praesident@samichlaus-zuerich.ch oder unter der Nummer:
044 454 70 02 (Bürozeit im November/Dezember 2017).

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Leserkommentare

Didier Drouard - Ich denke, dieser exzellente Artikel könnte und sollte auch freiwillige (Eseli) Samichläuse u. Schmutzli Fahrer erwähnt haben, die eine wichtige Rolle bei diesen Besuchen spielen!

Vor 6 Jahren 4 Monaten  · 
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