mobile Navigation

Porträt

Nzuzi Toko: «Es gibt kein besseres Land, um darin zu leben, als die Schweiz.» Bild: Nicolas Y. Aebi

Der «Zwilling» hat alles im Griff

Von: Sacha Beuth

15. Oktober 2013

Nzuzi Toko (22) ist bei den Grasshoppers eine feste Grösse im defensiven Mittelfeld. Der Kongo-Schweizer macht aber auch als Torhüter eine gute Figur.

In der zweiten Runde des Schweizer Cups führen die Grasshoppers auswärts gegen Stade Nyonnais (1. Liga Promotion) mit 2:1, als GC-Goalie Roman Bürki ausserhalb des Strafraums mit den Händen klärt und deswegen die Rote Karte erhält. Da das Auswechselkontingent bei den Hoppers schon ausgeschöpft ist, muss ein Feldspieler Bürki ersetzen: Nzuzi Toko. «Für mich war sofort klar, dass ich für Roman einspringe», erzählt der Kongo-Schweizer. «Schon beim Hallenmasters in Winterthur 2011 schickte mich der damalige GC-Trainer Ciri Sforza auch zwischen die Pfosten, und ich habe im Final gegen den Gastgeber gleich den letzten Penalty der Winterthurer abgewehrt.»

Die guten Reflexe Tokos kommen auch gegen Nyon zum Tragen. Den Ausgleich muss der 22-Jährige zwar noch hinnehmen («Scharfer Schuss, aber leider in die Goalieecke»), in der Verlängerung aber hat er alles im Griff, wehrt einmal bravourös mit den Fäusten ab und hält den Kasten rein, sodass sich die Grasshoppers schliesslich mit 4:2 durchsetzen. «Ich bin froh, dass ich meinen Beitrag leisten konnte. Trotzdem möchte ich meinen Stammplatz als Mittelfeldspieler jetzt nicht mit der Goa­lieposition tauschen», sagt Toko lachend.

Der junge Mann fühlt sich auf der Sonnenseite des Lebens. Dabei hätte alles auch ganz anders laufen können. Denn die ersten Jahre verbringt Toko nicht in der Schweiz, sondern in Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, wo er am 20. Dezember 1990 zur Welt kommt. Er erhält den Vornamen Nzuzi, was auf Lingala Zwilling bedeutet, denn mit ihm wird auch eine Schwester geboren, die jedoch kurz darauf stirbt. Vier Jahre später – es tobt wieder ein Bürgerkrieg – beschliesst sein Vater, mit Ehefrau, Toko und seinen fünf Brüdern den Kongo zu verlassen und in die Schweiz zu fliehen. «Das war unser grösstes Glück. Es gibt kein besseres Land, um darin zu leben, als die Schweiz».

Aus dem Afrikaner wird ein Zürcher

Zürich, genauer der Kreis 4, wird das neue Zuhause der Familie. Toko lebt sich schnell ein. Selbst die Umstellung auf vier Jahreszeiten und eine neue Sprache ist kein Problem für ihn. Ruckzuck spricht er Dialekt wie ein waschechter Zürcher. «In unserem Quartier lebten fast nur Ausländer oder Secondos. Die Integration führte vor allem über den Zürcher Dialekt und natürlich über Fussball.» Toko nutzt jede Gelegenheit, um zu kicken, und gelangt als 8-Jähriger zum Ball­spielclub Zürich. Ein paar Jahre später wechselt er zu YF Juventus und dann mit 12 zu den Grasshoppers. «Ich hatte auch Angebote von anderen Clubs. Aber GC bot die beste Kombination von Ausbildung und Fussball.»

Fortan wohnt und trainiert Toko im clubeigenen Internat in Dietikon und geht in Oerlikon in die Mannschaftssportschule MSP. «Am Anfang fiel mir die Umstellung nicht leicht. Ich war Weg von der Familie, weg vom Kreis 4. Alles war so ruhig. Im Nachhinein war das aber ganz gut so. Es hat mir geholfen, den Fokus richtig zu setzen. Und der hiess, Fussballprofi zu werden.» Drei Jahre büffelt und schwitzt Toko am GC-Internat. «Ich hatte Mühe, mich auf den Schulstoff zu konzentrieren. Ging es aber um Sport, war ich immer hellwach und zählte immer zu den Besten.» Das macht sich schliesslich bezahlt. Als 16-jähriger erhält Toko seinen ersten Vertrag als Profi der Grasshoppers, spielt aber anfangs entweder für die U-18 oder die U-21. Ein knappes Jahr später erhält er eines Tages einen Anruf von Thomas Binggeli, dem damaligen Assistenztrainer von Headcoach Hanspeter Latour. Durch Verletzungen und Sperren sei das Fanionteam arg dezimiert. Ob er nicht aushelfen wolle? «Natürlich wollte ich», lacht Toko. Er darf in einem Freundschaftsspiel gegen Thun ran und erzielt dabei auch gleich einen Treffer. Mit knapp 17  Jahren folgt dann sein Super-League-Debüt gegen Basel und wenig später seine Premiere bei einem internationalen Pflichtspiel, als er mit GC im UI-Cup gegen Lech Poznan antritt.

«Alle haben auf uns eingehackt»

Zwar spielt Toko noch immer hauptsächlich für die U-21, erhält aber zugleich mehr und mehr Einsatzzeiten in der ersten Mannschaft. Als 19-Jährigem gelingt ihm schliesslich unter Ciri Sforza der definitive Durchbruch. In der Folge erhält der Aufstieg Tokos allerdings ein paar Dämpfer. «GC bekam finanzielle Probleme, und wir kämpften plötzlich gegen den Abstieg. Alle haben auf uns eingehackt.» Toko, der inzwischen mit einem Kumpel aus Jugendtagen in einer WG wohnt, kommt öfter frustriert nach Hause. «Zum Glück haben mich meine Familie und meine Freunde immer wieder unterstützt und halfen mir über diese Zeit hinweg.» Heute sieht er die schwere Phase positiv. «Sie hat mich mental gestärkt. Aus­serdem war ich immer überzeugt, dass unser Engagement früher oder später belohnt wird.»

Der Ruf der alten Heimat

Tatsächlich geht es mit den Grasshoppers bald wieder aufwärts. Man schafft nicht nur in der Liga den Weg zurück zum Spitzenteam, sondern gewinnt in der letzten Saison überraschend den Cup, Tokos erste Trophäe als Profi. Schon zuvor wird man bei der Schweizer U-21-Nati auf das Mittelfeldtalent aufmerksam. Einziges Problem: Toko fehlt der Schweizer Pass. Erst 2010 wird er eingebürgert – und sogleich fürs Junioren-Nationalteam aufgeboten. Sein Debüt gibt er beim 2:1 gegen Katar, wo er auch ein Tor beisteuert. «Es war ein tolles Gefühl, mit dem Schweizer Kreuz auf der Brust einzulaufen. Ich war sehr stolz.» Die Verantwortlichen der kongolesischen Nati sind nun ebenfalls an ihm interessiert. Doch Toko winkt ab – vorerst. «Mein Ziel war, mich mit der U-21 für die Endrunde in Israel zu qualifizieren.» Das Unternehmen scheitert jedoch, und so wird der Kongo wieder ein Thema. «Aus sportlichen Überlegungen habe ich mich schliesslich für mein Geburtsland entschieden, da in der Schweizer A-Nationalmannschaft meine Position gleich mehrfach und wohl über Jahre hinaus sehr gut besetzt ist.»

Vor den ersten Heimspielen in Afrika eckt Toko gleich an. Im Training gibt er wie gewohnt Vollgas, bis ihm nicht nur seine Nationalmannschaftskollegen, sondern auch der Coach zurufen: «Hey Toko, das ist Afrika, nicht Europa. Nimm es lockerer.» Toko schmunzelt. «Doch das geht nicht. Da bin ich zu sehr Schweizer.» Ausserdem habe er sich ja noch einige Ziele gesetzt, will nicht nur mit GC weiter für Furore sorgen, sondern auch an einer Endrunde des Afrikacup oder gar einer WM teilnehmen. «Und ohne Fleiss kein Preis.»

zurück zu Porträt

Artikel bewerten

Gefällt mir 3 ·  
5.0 von 5

Leserkommentare

Keine Kommentare