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Porträt

Die Nase von Zürich

Von: Ginger Hebel

14. November 2017

Vero Kern ist 77 Jahre alt und kein bisschen arbeitsmüde. Unermüdlich tüftelt sie an neuen Düften. Jetzt will sie den Geschmack von Zürich einfangen.

Vero Kern wirft sich den weissen Kittel über und macht, was sie am liebsten macht: sie mischt Essenzen, Rose, Magnolie, Orangenblüte. «Wer schon einmal im Botanischen Garten an den Orangenbäumen gerochen hat, weiss, wovon ich rede: ein wunderbarer Duft.» Seit zehn Jahren entwickelt die 77-Jährige unter ihrem Label Vero Profumo eigenwillige Düfte. «Ich unterwerfe mich keinen Trends, sondern gehe meinen eigenen Weg», sagt Vero Kern.

In den Fünfzigerjahren träumte sie davon, die Kunstgewerbeschule zu besuchen, doch ihre Eltern waren davon wenig begeistert. Sie wurde Pharmaassistentin. Später arbeitete sie bei der Swissair und leitete ein Team, welches verlorenen gegangenes Reisegepäck auf der ganzen Welt suchte. Während der Swissair-Krise in den Neunzigern machte sie sich selbstständig. Vero Kern ist eine Vielgereiste, besonders Nordafrika mit seiner Bäderkultur hat es ihr angetan. Sie begann, sich intensiv mit Aromatherapie zu beschäftigen und lernte, wie Düfte auf Körper, Geist und Seele wirken. Später war sie Mitbegründerin des Hammam im Patumbah-Park, «schöne Hammams fehlten bis anhin in Zürich», sagt Vero Kern, die sich gerne auf einem warmen Nabelstein und in Thermen entspannt.

Hommage an Zürich

Immer stärker wurde ihr Wunsch, eigene, exklusive Parfüms zu kreieren. «Ein Parfüm ist heute ein Massenprodukt.» Viele Düfte enthalten ausschliesslich künstliche Moleküle, die chemisch im Labor hergestellt werden. Sie hingegen setzt zusätzlich auf natürliche Rohstoffe, «es ist eine andere Ästhetik.» Die alte französische Parfümeriekunst hat sie in Paris erlernt. «Parfümeur zu werden ist nicht einfach. Es bedarf eines Chemiestudiums oder einer speziellen Ausbildung, doch die Plätze sind begehrt.»

Mit 68 Jahren brachte sie ihren ersten eigenen Duft auf den Markt. Als Nase von Zürich hat sie sich mittlerweile einen Namen gemacht. Ihre Düfte stossen im In- und Ausland auf grosses Echo. In Zürich beispielsweise findet man sie in der Parfümerie Süskind. Um den Vertrieb kümmert sich eine kleine Firma in Italien. Mit 77 Jahren will sie nochmals durchstarten. Zum 10-Jahr-Jubiläum ihres Parfümlabels hat sie sich etwas Grosses vorgenommen: Sie möchte die Stadt und ihre kulturelle Vielfalt in einem Duft einfangen. Doch wie schmeckt Zürich? «Nach Lindenblüten», sagt sie prompt. Wenn die Sommerlinden auf dem Lindenhof blühen, hüllt ihr Duft die Bahnhofstrasse ein, «das ist magisch». Zürich ist für sie aber auch der Duft nach Schokolade, nach Limmat und See. Seit Ende Oktober läuft die erste Crowdfunding-Kampagne für ihr Duftprojekt O’züri.

Vero Kern lebt in einer kleinen Wohnung in der Stadt, ohne Mann, aber mit Hund. «Isidor ist meine Nase», sagt die schlagfertige Zürcherin. Als 22-Jährige war sie vier Jahre verheiratet. «Die Zweierkiste ist nichts für mich, ich vertrage keine Enge.» Sie ist überzeugt, dass man gute Beziehungen haben kann ohne gemeinsam unter einem Dach zu leben. «Männer und Frauen ticken einfach anders.» Wenn sie an die Fünfzigerjahre denkt, wo es als Frau unmöglich war, alleine in ein Restaurant zu gehen oder ein Konto zu eröffnen, schätzt sie die heutigen Möglichkeiten noch viel mehr. «In meinem Alter», sagt Vero Kern, «geniesst man eine grosse Narrenfreiheit. Ich muss nicht mehr mit anderen in den Wettbewerb treten. Ich bin bescheiden. Die Parfümerie ist mein Luxus, meine Freude.»

www.veroprofumo.com

wemakeit.com/projects/o-zueri

 

 

 

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