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Porträt

«Interviews zu geben, ist wohl die grösste Herausforderung in meiner neuen Rolle, da muss ich erst mal hineinwachsen.» Bild: Nicolas Y. Aebi

Die Schöne und ihre eiserne Disziplin

Von: Clarissa Rohrbach

09. Juli 2013

Dominique Rinderknecht ist seit einem Monat die neue Miss Schweiz. In dieser Zeit ging es für die Zürcherin ziemlich drunter und drüber. Jetzt erzählt sie, wie die ersten 30 Tage im Amt waren.

An der Wand hängen der Kopf einer ausgestopften Wildsau sowie schwarzweisse Bilder aus längst vergangenen Zeiten, im Weissen Kreuz ist es warm, heimelig. Die Tür schwingt auf, und eine energische, durchnässte ­Dominique Rinderknecht betritt das Lokal. «Es regnet!» Unter dem Arm trägt sie ihren Hund Muffin, auch er ganz feucht. Der Wirt Roberto Petrucci, ein guter Freund ihres Partners Goek (32), bringt einen Napf für den Hund und ein Wasser für die Schönheit. Der Kontrast zwischen der kecken Miss und dem Restaurant könnte nicht grösser sein. Aber das stört sie nicht. «Ich mag es hier, weil es so urchig ist.» Sie esse hier immer Zürcher Geschnetzeltes. «Wenn ich etwas mag, bestelle ich es immer wieder.» Lieber etwas Bodenständiges wie ein simpler Teller Spaghetti als Schickimicki-Häppchen.

Die 23-Jährige streicht sich die letzten Regentropfen aus dem kurzen Haar und atmet erst mal tief aus. Obwohl sie bereits seit einem Monat im Amt ist, jagt immer noch ein Termin den nächsten. Gerade hatte sie ein anderes Interview. Die Fragen wiederholen sich immer wieder. Nicht schlimm für die Publizistikstudentin, die eher bedacht ist, stets interessante und intelligente Antworten zu geben. «Interviews zu geben, ist wohl die grösste Herausforderung in meiner neuen Rolle, da muss ich erst mal hineinwachsen.»

Der Ansturm der Presse hatte begonnen, bevor die Zürcherin überhaupt zu ihrem Sieg anstossen konnte. Bereits am Samstag der Wahl gab es Shootings und Interviews. Nach drei Stunden Schlaf setzte sie den Medienmarathon gleich fort, und das im Viertelstundentakt. «Ich war wie in einer Trance, so im Schuss, dass ich nie müde wurde. Im Nachhinein scheint es fast übermenschlich, wie ich den ersten Tag nach der Wahl bewältigen konnte.» Bei der darauffolgenden Homestory der «Schweizer Illustrierten» meinte ihre Mutter Helen zu ihr: «Unglaublich, wie du das durchziehst.»

Natürlich bekam Rinderknecht in der ersten Woche auch ein Medientraining. «Das hat mir extrem geholfen.» Sie habe schon immer darauf geachtet, was sie so sage, also sicher keine zweideutigen Aussagen. «Aber ich rede manchmal ein bisschen zu viel, komme nicht auf den Punkt, das übe ich jetzt.» Auch ihr Umgang mit Facebook hat sich geändert. Früher hatte sie selten Bilder geteilt, doch jetzt weiss sie, dass es die Leute freut, wenn sie Einblicke in ihr Leben gewährt. Die Privatsphäre leide aber nie darunter. «Ich habe die Macht über meine Informationen und entscheide, was ich preisgebe.» Auch auf der Strasse widmet sie sich ihren Fans und nimmt sich Zeit für Erinnerungsfotos. «Von allen erkannt zu werden, ist wohl die grösste Veränderung in ­meinem Leben.» Dazu gehört jederzeit ein makelloses Auftreten. Für die Tochter einer Make-up-Artistin kein Problem: «Mein Mami hat mir das Schminken beigebracht, ich mach es sehr gerne.» Wenn sie jemand anders stylt, wie bei den Shootings, sei das fast schon merkwürdig.

Das erste Mal stand die Miss für Goldwell vor der Kamera, danach für Jelmoli in der Luzerner Altstadt erstmals vor Publikum. Viele junge Mädchen gratulierten der neuen Miss voller Bewunderung. «Das fand ich megaherzig.» In der zweiten Woche wurden die Fototermine bereits zur Routine. Vier Tage lang war sie für Schild vor der Linse des Fotografen Thomas Buchwalder. Pünktlich zum Abschluss bekam Rinderknecht ihren auberginenfarbigen Lancia Y Elefantino. Mit ihrem ersten eigenen Auto kann sich die Miss jetzt selbstständig bewegen.

Denn die ersten zwei Wochen verbrachte sie beim «Missen-Mami» Karina Berger. Diese fuhr sie an Termine und kochte für sie, weil die Zeit der schönsten Frau der Schweiz nicht mal fürs Einkaufen reichte. «Ich habe es sehr genossen, so bemuttert zu werden, es war ungewöhnlich, weil ich sonst eine sehr unabhängige Person bin.» So wollte Rinderknecht stets ihr Studium selber finanzieren und nebenbei arbeiten gehen. «Auf Kosten der anderen zu leben, mag ich nicht.» Gerade hat sie den Bachelor in Publizistik erhalten, was sie sehr freut, hatte sie doch darum gebangt. «Bei einer Prüfung war ich mir nicht ganz sicher, das war die Woche vor der Wahl, da fehlte mir die Zeit, um mich vorzubereiten.» Die Uni ist ihr wichtig, deswegen ist ihr Lieblingsort in Zürich auch die Polyterrasse.

Mit ihrem neuen Auto flitzte die Miss nach Vevey für ein Shooting mit Balmain- Uhren. Es erwartete sie ein Märchenhotel und ein Prinzessinnenzimmer. «Es ist schon krass, wie viele schöne Sachen ich jetzt sehe und bekomme.» Wie die vielen ausgeliehenen Kleider von Mery’s Couture, die sie einfach hinreissend findet. Da die Miss das ganze Jahr von Sponsoren ausgestattet wird, gibt es in ihrem Schrank kaum noch Platz. «In der ersten freien Minute muss ich ihn unbedingt ausmisten.»

Exakt zwei Wochen nach der Wahl gab Rinderknecht eine Autogrammstunde im Glattzentrum. «Das hat Spass gemacht, aber für Muffin wären die vielen Leute zu stressig gewesen.» Sie nehme ihn so oft, wie es gehe, mit, und sonst passten Mami oder Grosi auf ihn auf. Am selben Abend konnte die Miss endlich mit ihren Freundinnen in den Ausgang. Sie hat wenige, aber dafür gute. Aber auch von vielen Bekannten bekam sie herzige SMS, kein Schimmer von Eifersucht darin.

Nach einem Besuch bei «Glanz & Gloria» und einem Umstyling mit Oral  B und Venus fand sie Zeit für den Coiffeur. Dieses Mal besuchte sie Valentino, aber sonst schneidet ihre Schwester Noemi ihr die Haare. Sie ist auch verantwortlich für den viel besprochenen Kurzhaarschnitt. Auf die Idee kam ­Rinderknecht wegen eines Fotos von Miley Cyrus.

Mitte der dritten Woche stand Kochen fürs «Migros-Magazin» auf dem Plan. «Eigentlich bin ich in den Desserts besser, vor allem meine Muffins und Joghurtmousse sind beliebt.» Danach hatte die Vielbeschäftigte endlich zwei Tage frei. Sie feierte den Geburtstag ihrer Freundin Carole, mit der sie und Goek in Altstetten wohnen. Und erledigte die Sachen, die bei jedem ­anfallen: Post, Rechnungen, Waschen. «Ich versuche, mir mindestens einen Tag pro Woche frei zu halten, aber das klappt nicht immer.» Trotzdem reicht es, um mit ihrem Freund Qualitätszeit zu verbringen. Und als Mitbewohner sehen sie sich sowieso jeden Tag, auch wenns manchmal zehn Uhr abends wird. Die Tage der Miss sind lang. Sie versucht, mindestens sechs Stunden pro Nacht zu schlafen, aber das ist nicht immer realistisch. Doch den strengen Zeitplan ist sie aufgrund des Studiums und des Jobbens gewohnt. «Ich erinnere mich nicht an das letzte Mal, wo ich weniger als eine Sechstagewoche hatte.» Auch für zweimal Fitness reicht es. «Es ist eine Ausrede, wenn Leute sagen, sie hätten keine Zeit für den Sport.»

Die dritte Woche liess Rinderknecht mit einem Ausflug ans Drachenbootrennen in Eglisau ausklingen. «Da war ich das erste Mal an einem öffentlichen Ort, ganz viele Menschen kamen auf mich zu.» Dann gings weiter mit einem Shooting für Remington und frechen Bildern mit Samichlausmütze für Sodastream. Der Miss Schweiz fällt es ganz leicht, die verschiedensten Posen vor der Kamera einzunehmen, denn sie trainiert schliesslich schon, seit sie ein Baby war. Bei uns gibt sie sich auch einmal sympathisch, einmal frech, einmal ernst. So wie ein richtiger Profi. Und schon sind wir fertig, und die Miss macht sich wieder auf, hinaus in den Regen, das Telefon am Ohr, bereits beim nächsten Interview.

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