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Porträt

Blues Max: "Ein Auftritt ist wie ein Blind Date"

Ein bisschen Hippie und viel Blues im Blut

Von: Ginger Hebel

06. Januar 2015

Seit über 30 Jahren ist er auf den Schweizer Bühnen daheim: Musiker und Kabarettist Max Werner Widmer alias Blues Max. Mit seinem neuen Programm «Kino im Kopf» tritt er ab kommendem Freitag für einige Wochen im Restaurant Weisser Wind auf.

Hätte er seinen Hut auf dem Kopf, wie immer, wenn er als Blues Max auf der Bühne steht, würde man ihn gleich erkennen. Oben ohne ist es etwas schwieriger. Diese gewisse Anonymität, die ist ihm ganz recht. Jeden Tag trinkt Max Werner Widmer alias Blues Max seinen Espresso in der Markthalle und liest in Ruhe Zeitung – ein Ritual, wobei er von Ritualen sonst nicht viel hält. Er mag die Abwechslung, die sein Beruf als Kleinkünstler mit sich bringt. An manchen Tagen ist er so sehr ins Schreiben seiner Texte ­vertieft, dass er Raum und Zeit ­vergisst, an anderen Tagen spielt er stundenlang Blues auf der Gitarre, manchmal folgt er einfach nur seinen Impulsen und vertrödelt den Tag.

Seit über 30 Jahren sind die Schweizer Bühnen sein Zuhause. Seine Zürcher Kultfigur Blues Max ist eine feste Grösse in der Schweizer Musik- und Kabarettszene. Wenn man in Zürich einen Auftritt von ihm sehen will, dann muss man in das Restaurant Weisser Wind. Sein neues Programm «Kino im Kopf» feierte am 19. November im Casinotheater in Winterthur Premiere. Inwiefern unterscheidet es sich von früheren Programmen wie «light» oder «Endlich Popstar»? «Gar nicht», sagt Blues Max. «Ich mache formal seit Jahren das Gleiche. Ich singe Lieder und erzähle Geschichten.» Die Form ist dieselbe, die Inhalte sind neu. 1979 wurde sein Song «Ego-Blues» ein Hit, «den habe ich zwanzig Jahre nicht mehr gespielt», sagt er prompt.

Er ist keiner, der bei jedem Auftritt die alten Songs hervorholt, auch wenn einige Zuschauer genau die manchmal gerne ­hören wollen, weil sie finden, wer einen Hit hat, der muss ihn spielen. Blues Max sieht das anders. «Man entwickelt sich weiter, mich fas­ziniert das Neue.» Früher waren seine Bühnenprogramme eher ­come­dylastig, heute sind sie musikalischer, melancholischer und ­leiser.

Wie ein Film, der im Kopf abläuft

Übermorgen gibt er seinen ersten Auftritt in diesem Jahr auf der Bühne im Weissen Wind. Das Zürcher Publikum sei schnell und direkt und manchmal ziemlich «schneuggig», wie er es nennt, ein bisschen heikel und wählerisch. Am Raunen im Saal merkt er, wie der Abend werden könnte. Jeder Auftritt ist anders, weil jedes Publikum anders ist. «Ich muss jedes Mal von null beginnen. Ein Auftritt ist wie ein Blind Date. Da sind Leute im ­Publikum, die ich nicht kenne. Ich muss einen Kontakt herstellen und ihn dann nicht mehr abreissen ­lassen.»

Blues Max singt, musiziert und fabuliert zwei Stunden pro Abend. Seine Lieder und Geschichten sind von der Realität inspiriert. «Es ist wie ein Film, der in meinem Kopf abläuft», erklärt der 63-Jährige. Er ist aufmerksam, hört anderen Menschen und ihren Geschichten zu und spinnt sie weiter. Und wenn er auf der Bühne den Faden verliert, was auch einem Profi wie ihm mal passiert, ist da ein Netz, das ihn auffängt – die filmische Geschichte in seinem Kopf, die er genau kennt. «Man muss Fehler nicht immer überspielen, man darf auch mal darüber lachen.» Auf der Bühne redet er Züritüütsch, obwohl er kein waschechter Zürcher ist. Er wuchs im Thurgau auf – auch diesen Dialekt hat er noch drauf – doch schon in seinen Jugendjahren hat es ihn in die Limmatstadt verschlagen. «In der Ostschweiz fehlten mir in der Kultur wie im Sport die Spitzen, dafür musste man schon früher nach Konstanz oder nach Zürich.» Als Jugendlicher wollte er Fussballer werden, machte Probetrainings beim FCZ und spielte auf nationaler Ebene. Doch auch das Texten und die Musik interessierten ihn früh. Von seiner Mutter, die schon als Siebenjährige Gitarre spielte, hat er das musikalische Flair. Als Primarschüler konnte er den Kopfstand wie kein anderer, sodass der Lehrer ihn bei Schulbesuchen immer nach vorne rief und er für den Kopfstand 20 Rappen kassierte «das war mein erster bezahlter Auftritt», erzählt er lachend.

Mit siebzehn stand er erstmals auf der Bühne und sang Mani-Matter-Lieder auf Berndeutsch. In der Hippiezeit zog er als Strassenmusiker durch Europa und sang auf kleinen Bühnen politische Lieder, bis er, mehr durch Zufall, ins komische Fach rutschte. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Kleinkunstszene stark verändert. «Kleinkunst ist heute eine Institution wie Migros, es gibt sie überall. Als ich angefangen habe, war es etwas ­Alternatives. Wir wollten anders sein und Gegenpositionen beziehen. Nur nichts machen, was den Eltern gefiel.» Denen gefiel es auch nicht. Sein Vater wollte, dass er «­etwas Rechtes macht», während seine Mutter heimlich Zeitungs­berichte ausschnitt. «Als ich dann im Fernsehen auftauchte, da waren sie beide stolz.»

Im Herzen ist Max Werner Widmer noch heute ein Hippie. Er ordnet sich nicht gern unter und will sein eigenes Ding durchziehen. Wer ihn für private Feiern oder Firmenanlässe buchen will, muss ihn persönlich anfragen. «Ich entscheide nach Gefühl, ob ich da hin will oder nicht.» Über Agenturen ist er nicht zu buchen. Bei der Premiere des neuen Stücks waren auch seine drei erwachsenen Kinder im Publikum. «Ihre Meinung ist mir wichtig. Sie haben den Auftrag, es mir zu sagen, wenn es Zeit ist, aufzu­hören.»

Noch denkt der 63-Jährige aber nicht ans Aufhören, er steht gerne auf der Bühne. «Es kommen noch immer viele Leute, und denen macht es Freude. Was will ich noch mehr?» Er hält sich mit Velofahren und Langlaufen fit und besucht oft Konzerte. Seit 15 Jahren lebt er im Kreis 5: «Ich war schon da, als das heutige Szenequartier eine verschlafene Gegend war. Ich fühle mich wohl hier im Quartier, habe alles um die Ecke; den Fluss, das Riffraff, die Musikclubs, den Bahnhof. Ich könnte alt werden hier. Oder noch älter.»

Tickets für Auftritte von Blues Max im Restaurant Weisser Wind gibt es via

www.starticket.ch

www.bluesmax.ch

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