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Porträt

Kämpferisch: Frauendemo auf der Zürcher Münsterbrücke im Film «Die göttliche Ordnung». Bild: Filmcoopi

Ein Film über echte Kämpferinnen

Von: Irene Genhart

03. März 2017

«Die göttliche Ordnung» von Petra Volpe lenkt das Augenmerk auf ein tragikomisches Kapitel der Schweizer Politgeschichte. Er regt unterhaltsam zum Nachdenken an und ist siebenmal für den Schweizer Filmpreis nominiert.

Am 8. März – heute – feiert man den internationalen Frauentag. Er verweist auf die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als der Kampf um die Gleichberechtigung und das Wahlrecht der Frauen in Europa einen ersten Höhepunkt erlebte. In der Schweiz könnte man dessen allerdings ebenso gut am 7. Februar gedenken: Am 7. Februar 1971 nämlich, und damit im internationalen Vergleich eher spät, erhielten die Schweizer Frauen das Stimmrecht.

Rund um die legendäre Abstimmung und den davor hitzig geführten Abstimmungskampf, hat Petra Volpe («Traumland», Drehbuch für «Heidi») «Die göttliche Ordnung» gedreht: Eine amüsante Tragikomödie, in welcher Schweizer Männer und Frauen – obwohl sie sich lieben – derart heftig die Meinung sagen, dass in einem kleinen Schweizer Dorf der Haussegen vorübergehend zünftig schiefhängt. Dieser Film sei für sie einfach ein «Muss» gewesen, meint Volpe. Sie ist 1970 geboren, als Tochter einer Schweizerin und eines Italieners in einer «ganz normalen» Familie im aargauischen Suhr aufgewachsen. Doch die Mutter hat ihr früh schon erklärt, dass sie es später anders machen solle.

Der grosse Schweizer Frauenstreik im Juni 1991, an dem eine halbe Million Frauen einen Tag lang die Arbeit liegen liess, war für Volpe dann eine Initialzündung: Feminismus, Emanzipation, Gleichberechtigung sind ihre Themen. «Eigentlich», sagt sie: «drehen sich die Geschichten, die ich in meinen Filmen – etwa: «Traumland», «Frühling im Herbst» – erzähle, immer um Frauen, die sich befreien». So auch diejenige von Nora, die sich in «Die göttliche Ordnung» zusammen mit einigen anderen Frauen von der 1971 herrschenden Aufbruchstimmung mitreissen lässt.

Zürich als Hochburg
Die Geschichte ums Schweizer Frauenstimmrecht, meint Volpe, habe jahrelang unerzählt herumgegeistert. Sie hat intensiv recherchiert, und das Thema hat sie heftig gepackt. Derart heftig, wie die Zürcherin Rachel Braunschweig – sie spielt in «Die göttliche Ordnung» Noras Schwägerin Theres – schmunzelnd berichtet, dass sie ihrem Filmteam noch heute regelmässig hell begeistert neue Archiv-Trouvaillen zuschicke.

Überhaupt, fährt Braunschweig fort, habe Volpe eine ansteckende und bestimmende Art, und das habe auf den Dreh abgestrahlt. Man habe auch in den Pausen immer mit allen über Themen wie Gleichberechtigung diskutiert und auch über das, was damals geschah. Und als man vor einem Jahr auf der Zürcher Münsterbrücke stundenlang Szenen einer Demo drehte, liess die hitzige Stimmung die Februarkälte einfach vergessen. Fidel ging es auch beim Dreh derjenigen Szene zu, die auch im Kinosaal für grösste Heiterkeit sorgt: ein Sexworkshop, in dem eine östlich angehauchte Esoterikerin (Sofia Helin) den verbiesterten Schweizerinnen unverbrämt Anleitungen zu einem erfüllteren Sexualleben erteilt.

Doch geht es in «Die göttliche Ordnung» weniger um die sexuelle Befreiung, weniger auch um Zürich, wo die junge Schweizer Frauenbewegung damals ihre Hochburg hatte, als vielmehr um Nora (Marie Leuenberger) und das Dorf im Appenzellischen, in dem sie wohnt. Nora ist verheiratet. Ihr Mann Hans (Max Simonischek) hat einen guten Job, das Paar hat zwei Kinder. Somit hat Nora eigentlich alles, was Frauen 1971 nach gängiger Meinung glücklich macht.

Frauenstreik im Dorf

Doch Nora spürt die Zeit für Neues anbrechen. Sie möchte jetzt, da die Kinder beide zur Schule gehen, gern arbeiten gehen. Was ihr Hans – «Mein Gott, Nora, was würden denn die anderen denken?!» – untersagt. Es ergibt sich aus dem Einen das Andere. Nora stolpert im Nachbarort über einen Wahlkampfstand, nimmt Flyers und Broschüren mit nach Hause, erzählt Theres davon. Es finden sich weitere Verbündete. Man organisiert im Gemeindehaus einen Info-Anlass, zu dem das ganze Dorf erscheint, aber die Stimmung – angeführt von einer Frau, der Schreinereibesitzerin Frau Dr. Wipf, die so etwas wie eine Dorfkönigin ist – zugunsten der Gegner ausschlägt.

Bis zum Frauenstreik im Dorf führt die Geschichte, die Volpe in «Die göttliche Ordnung» in Anlehnung an tatsächliche Ereignisse erzählt. Vorlage für Nora zum Beispiel war eine junge Frau, die damals auf einen Einzahlungsschein schrieb, sie sei sonst nie politisch, aber der Aufruf der Stimmrechtsgegnerinnen mache sie derart wütend, dass sie sich nun doch überlege, aktiv für das Stimmrecht zu kämpfen.

Die Figur der Frau Wipf ist den Antisuffragetten nachempfunden, und Frauen wie Theres, die sich mitreissen liessen, hat es damals viele gegeben. Anders als Nora, die nach der Abstimmung zwar ihre Freiheit nutzt und arbeiten geht, aber mit Hans zusammenbleibt, trennt sich Theres von ihrem Mann und zieht nach St. Gallen.

Es haben, sagt Braunschweig, die Abstimmung und der Wahlkampf damals viel ausgelöst und auch einiges bewirkt. Das sei in den 46 danach verstrichenen Jahren zwar nicht verloren gegangen, aber doch in Vergessenheit geraten. So ist es für sie wie für Volpe heute denn auch an der Zeit, die Diskussion neu anzustossen, denn am Ziel sei man in der Schweiz noch lange nicht.

«Die göttliche Ordnung» hat, so aufmüpfig und vergnüglich wie er daherkommt, grosses Potenzial, diese Diskussion mit anzustossen. Der Film wurde bei seiner Premiere an den Solothurner Filmtagen mit minutenlangem Applaus gefeiert, und er ist – das hat es noch nie gegeben – siebenmal für den Schweizer Filmpreis nominiert. Den Preis für die beste Nebendarstellung wird er am 24. März garantiert gewinnen. Denn in dieser Kategorie sind mit Sibylle Brunner und Theres Affolter nebst Rachel Braunschweig zwei weitere Darstellerinnen aus «Die göttliche Ordnung» nominiert.

«Die göttliche Ordnung» läuft ab Donnerstag, 9. März, im Kino.

www.goettlicheordnung.ch

Die Zürcher Schauspielerin Rachel Braunschweig.

Petra Volpe, die Regisseurin von «Die göttliche Ordnung».

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