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Porträt

"Ich wusste nie wirklich, wo ich hingehore, liess mich nirgendwo einordnen." Bild: Yves Suter

Ein Mann vom Ende der Welt

16. Juli 2013

Julian Zigerli ist der neue Jungstar des Schweizer Modeschaffens. Seine Kollektionen sind weltweit gefragt. Am 8. Juli 2014 zeigt er seine neueste Kolletkion an der Berliner Fashion Week.

Julian Zigerli lächelt sein Gegenüber wissend an, weil gerade wieder diese Frage gestellt wurde, wie sie bei jedem Interview irgendwann fällt, das er in letzter Zeit gibt. «Julian Zigerli, was bedeutet für Sie Mode?» Das klingt natürlich irgendwie nervig, Zigerli zumindest findet eine Diskussion darüber ziemlich überflüssig, abgelutscht. Andere haben schliesslich längst tausendfach die Antworten gegeben. Oscar Wilde zum Beispiel, der immer für eine Zuckersäckchen-Weisheit gut ist. Mode sei das, meinte er einst, was man selber trage. «Geschmacklos ist das, was andere tragen.» Oder dann jüngst die Autorin Sibylle Berg: «Für mich ist es eine Kunstform, wie Architektur – und ich will natürlich nicht scheisse aussehen.» Zigerli überschlägt die Beine, blickt auf die Kleiderstange in seinem Atelier und stellt angenehm lapidar fest: «Mode ist schwierig zu fassen.»

Der 29-Jährige verfällt keiner redseligen Eitelkeit, die so viele erfasst, die früh von der Frucht des Erfolgs kosten. Dabei wurde der Zürcher Modedesigner gerade in Berlin an der dortigen Fashion Week für seine aktuelle Kollektion gefeiert. Vielen gilt er als die Entdeckung schlechthin. «Es muss erst ein Schweizer kommen, um in lässiger Perfektion eine Kollektion zu inszenieren, die auf den Punkt bringt, warum wir Berlin so lieben», urteilte das Lifestylemagazin «Interview» nach der Show in einer Kreuzberger Galerie. 

An den Grenzen kitzeln
Dass er das Ego der Berliner streichelt, schmeichelt dem Zürcher. «Ich habe schliesslich zu dieser Stadt eine sehr enge Beziehung, sie ist eigentlich meine zweite Heimat», sagt Zigerli. Sechs Jahre lang lebte er in der deutschen Hauptstadt, studierte Modedesign an der Universität der Künste bevor er einen ziemlich ungewöhnlichen Schritt für einen angehenden Modemacher wagte – er kehrte zurück in die Fashion-Provinz Zürich und gründete 2011 das eigene Label für Männermode. Seine erste Kollektion kündigte bereits an, wohin die Reise gehen würde. Die Zigerli-Welt ist eine, welche an den Grenzen des sogenannten guten ­Geschmacks kitzelt. Wer ein Teil von dieser Welt am Körper trägt, muss mitunter eine gehörige Prise Selbstbewusstsein und vor allem eine spielerische Natur mitbringen. Ein Mann, der findet, Jeans und ein schlichtes T-Shirt seien modisch einfach die billigste Lösung, hat es da schwer. «Die europäischen Männer», sagt Zigerli, «mögen es allgemein schlicht, klassisch. Ganz anders sieht das in Asien aus. In Tokio oder Hongkong verkaufen sich meine Kollektionen derzeit eindeutig am besten.» 

Und die Frauen? «Männermode hat mich einfach immer mehr interessiert, weil sie grössere Herausforderungen bietet. Sie bildet ja ein ziemlich eng gestecktes Feld. Mit diesen scheinbaren Einschränkungen zu spielen, das reizt mich.» Und so ist auch seine aktuelle, in Berlin so gefeierte Kollektion für den Mann eine Grenzerfahrung geworden. Da passt es, dass ihr Zigerli den Titel «At the end of the world to the left» verliehen hat – «Am Ende der Welt und dann links», es ist die Wegbeschreibung, die ins Absurde führt, an einen nebligen Ort, an dem plötzlich gebräunte Jungs mit Igelfrisuren auftauchen, gekleidet in chaotisch bunt besprühte Hosen, Mäntel oder Hemden. Es scheint so, als seien sie Nomaden aus den 90ern, deren Stil ja ohnehin gerade seit geraumer Zeit ein Revival feiert. Diese Kleider vom Ende der Welt tragen auch die Handschrift der Berliner Künstlerin Katharina Grosse, die Zigerli für die Gestaltung gewinnen konnte. Grosses Markenzeichen ist eine Spraytechnik, mit der sie auch schon ganze Bahnhöfe in schrille Farben getaucht hat – und auch ihre Wohnung ist ein bespraytes Kunstkabinett. An der Wand in Zigerlis Atelier hängt das Foto ihres früheren Schlafzimmers in Neongrün, Blau oder Pink.

Der rosarote Pulli
Woher Zigerlis Leidenschaft fürs Grenzenkitzeln kommt, das kann der Modedesigner selbst nicht genau erklären. «Vielleicht», sagt er, «kommt es daher, dass ich eigentlich nie wirklich wusste, wo ich hingehöre. Ich liess mich nirgendwo einordnen.»

Das fing schon in der Jugend in Uster an. Der Sohn eines Piloten hatte damals ein absolutes Lieblingskleidungsstück – nicht etwa eine Jeansjacke oder Baggy Pants, sondern einen rosaroten Pulli, mit dem er regelmässig in der Schule auftauchte. Die Linie, aus dem Rahmen zu fallen, zog sich durch – auch, als er in Paris seine allerersten Kreationen an der Modemesse an den Mann bringen wollte. «Ich stand da, ohne Kontakte, ganz allein mit meinen Teilen aus Fellen und Schlangenprints. Aber genau dieses leicht Irre fiel den Einkäufern auf. Und so nahm alles seinen Anfang.»

Dass das erst rund zwei Jahre her ist, erstaunt. Zigerlis Erfolg breitete sich rasend schnell von Boutique zu Boutique aus. Der Markt schien nach einem neuen jungen Wilden zu dürsten. Und 2012 verlieh ihm auch noch das Bundesamt für Kultur den Designpreis, machte ihn so gewissermassen zum Aushängeschild des Schweizer Modeschaffens. Dass das auch eine Erwartungshaltung, einen Druck, erzeugt – Zigerli sieht das noch ziemlich gelassen. «Ich habe zum Glück nicht diese Fashion-Attitüde, diese Angst davor, an einem Tag «in» und am nächsten schon wieder «out» zu sein. Jede Kollektion ist etwas ganz Neues. Ich mache einfach mein eigenes Ding, nämlich das, was mir gefällt.»

Am 8. Juli 2014 präsentiert Julian Zigerli an der Berliner Fashion Week seine Kollektion.

www.julianzigerli.com

 

 

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