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Porträt

Feiert demnächst seinen 90. Geburtstag: Rechtswissenschaftler und Staranwalt Hans Giger. Bild: SB

Ein Staranwalt mit Schlagkraft

Von: Sacha Beuth

01. Oktober 2019

Hans Giger doziert seit Jahrzehnten an der Universität Zürich, führt noch immer eine Anwaltskanzlei und feiert nun seinen 90. Geburtstag. In jungen Jahren sorgte der Jubilar auch ausserhalb der Gerichte für Aufsehen und fuhr nicht nur Autorennen, sondern war auch Vollkontakt-Europameister im Karate.

Geht es um das Thema Rechtswissenschaften, führt kein Weg an Hans Giger vorbei. Der Anwalt, der am 10. Oktober seinen 90. Geburtstag feiert, hat akademische Titel gesammelt wie andere Briefmarken (Prof. em. Dr. iur. et Dr. phil. I, E. C. L.), über 250 wissenschaftliche Schriften verfasst und die Justiz der Schweiz mitgeprägt. Auch international geniesst er enormes Ansehen und wurde etwa von Österreich mit zwei hohen Auszeichnungen geehrt. Und er ist einer, der vor Gericht seinen Gegnern ein ums andere Mal den Meister zeigte.

Sieg nach Punkten

Dabei wirkt der Gründer und Seniorpartner der Kanzlei Prof. Giger & Partner Rechtsanwälte an der Nüschelerstrasse 49 im Gespräch sanft und bescheiden, vom Körperbau her zudem eher schmächtig. «Ich wurde in meinem Leben einige Male unterschätzt», erzählt der gebürtige Churer. «Das konnte ich oft zu meinem Vorteil nutzen.» Wie etwa 1981, als er mit bereits 52 Jahren bei der Karate-Fullcontact-EM in Frankreich antritt. «Mein Gegner war ein wahrer Hüne und einige Jahre jünger. Als wir in den Ring stiegen, hat er mich mitleidig angelächelt. Und auch der Speaker kündigte mich nur als «petit suisse» an.» Ein Fehler. Denn hatten Giger zuvor noch die Knie geschlottert, ist nun sein Kampfgeist geweckt. Mit einem Blitzangriff schickt er den Gegner gleich mal auf die Matte, entgeht den folgenden wütenden Angriffen und gewinnt schliesslich nach Punkten. «Als ich dann im nächsten Jahr zur Titelverteidigung antrat, unterschätzte mich niemand mehr. Gleich in der ersten Runde zog ich mir einen Nierenriss zu, und dann war Feierabend.» Giger beendet daraufhin seine Karate-Wettkampfkarriere. Den Sport betreibt er aber weiterhin. Stolz präsentiert er, wie er auch heute noch eine Kampfstellung einnehmen kann und seinen Fuss auf Kopfhöhe bringt. «Karate hat mir auch für meinen Beruf als Anwalt viel gebracht, etwa ein sicheres Auftreten. Und dass man alles erreichen kann, wenn man wirklich will.»

Anfangs sah es nicht so aus, als würde aus Hans Giger einmal ein Staranwalt werden. «Zwar wollte ich schon als Teenager Jura studieren, weil es mich faszinierte, wie man ein Rechtssystem aufbaut und für gerechte Urteile sorgt. Mein Vater hatte jedoch andere Pläne mit mir. Er führte im sankt-gallischen Rheineck eine Eisenhandlung und wollte nicht, dass ich eine akademische Laufbahn einschlage. Er beabsichtigte vielmehr, dass ich eines Tages sein Geschäft übernehmen sollte. Also schickte er mich nach Zürich, um dort eine kaufmännische Lehre im Eisenhandel zu absolvieren.»

Der junge Hans Giger tut zwar, wie ihm beschieden, meldet sich aber bei seiner Rückkehr nach Rhein­eck schnurstracks zur Aufnahmeprüfung in die Kantonsschule St. Gallen an, schafft es ins Gymnasium und besteht auch die Matur. Von 1951 bis 1958 absolviert er sein Jurastudium an der Uni Zürich, studiert zwischendurch zusätzlich auch zwei Semester Medizin. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich in dieser Zeit als Rechtsberater. «So war es auch möglich, Geld zurückzulegen und mir einen meiner grossen Träume zu erfüllen: den Kauf eines Porsches.» Mit diesem fährt er ein Jahr später bereits Rennen («meist Bergrennen») und erlebt auch den einen oder anderen Unfall, die glücklicherweise immer glimpflich verliefen. «Meine Sturm-und-Drang-Zeit habe ich zwar hinter mir und nehme schon lange nicht mehr an Rennen teil. Aber eine Ausfahrt mit meinem Porsche ist auch heute noch meine liebste Freizeitbeschäftigung. Und auch der einzige Luxus, den ich mir gönne. Ansonsten bin ich ein genügsamer Mensch.»

Freispruch für Brillantenilse

Nach seinem Anwaltsexamen 1961 gründet er sein erstes Anwaltsbüro in Wallisellen. «Dabei hatte ich das Glück, dass ich es schon bald mit prominenten Fällen zu tun bekam.» Etwa mit der «Brillantenilse», einer Dame, die durch krumme Geschäfte im Diamentenhandel bekannt geworden war und für die Giger einen Freispruch erreichte. Oder die wegen mehrfachen Betrugs angeklagte Käthe Gold, «eine faszinierende Frau, die fast jeden um den Finger wickeln konnte». Weniger gern erinnert sich Giger dagegen an die «Geierwally». «Diese Frau war wegen Kunsthandelbetrugs in mehrfacher Millionenhöhe angeklagt und zeigte eine enorme kriminelle Energie. Als ich dies erkannte, legte ich mein Mandat nieder.»

Damals wie heute ist Giger ein fairer Umgang mit seinen Klienten wichtig. «Bevor wir einen Fall übernehmen, klären wir erst einmal die Erfolgsaussichten ab und informieren den Kunden darüber. Sehen wir für ihn keine Chance, lehnen wir einen Fall auch mal ab, selbst wenn er noch so lukrativ ist.» Geld sei bei ihm in seinem Beruf ohnehin nie im Vordergrund gestanden, betont Giger. «Wäre ich nur auf Geld aus, hätte ich nicht so viel Zeit mit den Schreiben von rechtswissenschaftlichen Büchern verwendet. Wichtiger ist mir, dass sich die Justiz weiterentwickelt und das Recht nicht zur Lotterie verkommt, sondern dass Urteile vermehrt sowohl rechtskonform wie gerecht ausfallen.» Über mangelnde Aufträge kann sich der Jubilar trotzdem nicht beklagen. «Mein Terminkalender ist nach wie vor voll.»

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