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Porträt

Ein Zimmer zahlen, eine Wohnung nutzen

Von: Ginger Hebel

02. Mai 2017

Wohnformen: Das «Tagblatt der Stadt Zürich» porträtiert in loser Folge Menschen, die unkonventionell leben. Heute: Matthias Probst in seiner Cluster-WG im Hunziker-Areal in Zürich-Leutschenbach.

Der Platz in den Städten wird knapper, im Trend liegen Cluster-Wohnungen mit flexiblen Grundrissen, eine Art WG für Individualisten. Matthias Probst (34) lebt in einer dieser sogenannten Satellitenwohnungen in Zürich-Leutschenbach. Mit zehn Mitbewohnern teilt er sich eine 400-Quadratmeter-Wohnung in Minergie-P-Bauweise, mit Singles in den Dreissigern und einem Pärchen samt Kind. Alle bewohnen ein oder zwei abschliessbare Zimmer mit Bad, Teeküche und Kühlschrank. «Ich geniesse hier den Luxus einer ganzen Wohnung, habe aber dennoch meine Privatsphäre und kann mich zurückziehen, wenn ich das will», sagt Matthias Probst. Zuvor lebte er in einer 5er-WG im Zürcher Industriequartier. «Ich kannte dort nach zehn Jahren weniger Leute als hier nach einem halben Jahr», erzählt er.

Gekocht wird bio und vegetarisch

Der Umweltnaturwissenschaftler sitzt auf dem grossen, grauen Ecksofa im Wohnzimmer, es gehört allen, die hier leben. Die Bewohner haben eine gemeinsame Haushaltskasse, es kocht, wer Lust hat, man isst mit oder auch nicht – jeder, wie er will. Alle zwei Monate fährt der Lastwagen vor und bringt Paletten mit 10-Kilo-Pasta-Säcken. Gekocht wird bio und vegetarisch: Curry, Ofenkartoffeln, Gemüseauflauf. «Wenn man für mehrere Leute kocht, überlegt man sich genauer, was man kauft, das ist positiv», sagt Matthias Probst.

Wie wollen wir in Zukunft leben? Diese Frage inspirierte 50 Zürcher Wohnbaugenossenschaften und führte zur Gründung der Baugenossenschaft Mehr als wohnen. Das Hunziker-Areal in Zürich-Nord – auf dem ehemaligen Areal der Betonfabrik Hunziker – bietet in 13 Gebäuden Wohnraum für die unterschiedlichen Bedürfnisse und Lebenskonzepte von Singles, Paaren, Familien und Wohngemeinschaften. Das Wohnprojekt wurde jüngst mit dem World Habitat Award 2016/17 ausgezeichnet als eines der grössten und ehrgeizigsten Genossenschaftsprojekte in Europa. Auch nachhaltige Nahversorgung ist hier ein Thema. Das Gemüse kommt aus der eigenen Genossenschaft. Seit April 2016 versorgt Meh als Gmües Zürich-Nord mit saisonalem und ökologisch produziertem Gemüse. Mit diesem Projekt möchte man die Wertschätzung von Lebensmitteln erhöhen und nebenbei Food-Waste verringern. Matthias Probst arbeitet mit in der Betriebsgruppe.

Auf dem Areal befinden sich ein Yoga- und Tanzstudio, eine Kinderkleiderbörse, ein Nähatelier, eine Bäckerei sowie Restaurants. «Ein Quartier ist nur dann lebendig, wenn es auch Gewerbe gibt», ist Matthias Probst überzeugt.

Anonyme Grossstadt statt Gemeinschaft? Nicht im Hunziker-Areal. Das Miteinander wird hier aktiv gefördert. «Es bedarf einer gewissen Toleranz, wenn man so leben will», sagt der 34-Jährige. Er ist jedoch überzeugt, dass dieses Wohnkonzept funktioniert, auch in Zukunft. «Die Leute sehnen sich nach Gemeinschaft, viele sind es bloss nicht gewohnt.»

Weitere Informationen: www.mehralswohnen.ch

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