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Porträt

Lebte und arbeitete ein Jahr in Uganda: Roman Eberhard, Augenchirurg am Universitätsspital Zürich. Bild: Nandor Nagy

Ein Zürcher bringt wieder Licht ins Dunkel

Von: Sacha Beuth

31. Januar 2017

Der Zürcher Augenchirurg Roman Eberhard (41) hat ein Jahr für die CBM Christoffel Blindenmission in Uganda gearbeitet. Dabei behandelte er über 2000 Menschen und rettete viele von ihnen vor dem Erblinden.

Roman Eberhard ist die Antwort auf die Frage, welches der bewegendste Moment bei seiner Tätigkeit in Uganda war, sichtlich peinlich. «Das war, als sich eine Frau, die ich vor dem Erblinden retten konnte, hinterher vor lauter Dankbarkeit vor meine Füsse warf», erzählt er zögerlich und ergänzt sofort: «Dabei habe ich einfach meinen Job gemacht. Und ausserdem hätte ein einheimischer Arzt die Operation genauso gut erledigen können.» Nichtsdestotrotz freut er sich jeweils mit den Patienten. Über 2000 hat er während seines einjährigen Aufenthalts im ostafrikanischen Staat im Auftrag der CBM Christoffel Blindenmission (siehe Box) behandelt. Zur Hauptsache jene, die am grauen Star erkrankt waren. «Diese Krankheit kommt in Uganda nicht häufiger vor als bei uns. Das Problem ist, dass die Ugander, vor allem jene aus der ärmeren Landbevölkerung, viel zu lange warten, ehe sie sich in Behandlung begeben. Dann ist es teilweise bereits zu spät. Das heisst, es erblinden Menschen, obwohl sich das hätte verhindern lassen.»

Ohne OP keine Schule

Der zehnjährige Charles ist einer von denen, bei denen die Sehfähigkeit gerettet werden konnte. Auf beiden Augen hatte sich bei ihm die für den grauen Star typische Trübung gezeigt. Charles’ Beeinträchtigung war so massiv, dass er nicht zur Schule durfte, weil er wegen der Sehschwäche durch den Eintrittstest fiel. Für eine Operation fehlte Charles’ Eltern das Geld. Dank der Spendengelder war es der CBM möglich, Unterstützung anzubieten und Charles im Mengo-Spital in Ugandas Hauptstadt Kampala einen Operationstermin zu verschaffen. «Bei uns in Europa wird im Fall des grauen Stars die getrübte Linse durch ein Ultraschallgerät zertrümmert, die Trümmerteile hernach abgesaugt und dann eine Kunstlinse eingesetzt. In den Drittweltländern wird die eingetrübte Linse als Ganzes entfernt und dann durch die Kunstlinse ersetzt. Letzterer Eingriff erfordert einen grösseren Schnitt, die Gefahr von Komplikationen ist ebenfalls grösser, dafür kostet es deutlich weniger», erklärt Eberhard. Charles wurde auf diese Weise erfolgreich von Eberhard operiert. Nun sieht der Bub wieder fast so wie vor der Erkrankung und kann zur Schule. «Ein Happy End für alle Beteiligten», lacht Eberhard, der inzwischen wieder zu seiner alten Wirkungsstätte, der Augenklinik des Universitätsspitals Zürich, zurückgekehrt ist.

Dass Roman Eberhard dereinst eine medizinische Karriere einschlagen würde, war quasi vorprogrammiert. «Mein Vater war Arzt, meine Mutter Krankenschwester, mein älterer Bruder wurde ebenfalls Arzt und eine meiner Schwestern Arzt­gehilfin.» 1975 im bündnerischen Samedan geboren, studierte Roman Eberhard nach der Matura also Medizin an den Universitäten von Zürich und Lausanne. Bereits als Student reiste er für Praktika nach Übersee und arbeitete unter anderem in einem Buschspital in Zimbabwe. Nach seiner Dissertation wird er im Universitätsspital Basel als Assistenzarzt eingestellt, ist in der Folge an mehreren Spitälern und Kliniken in der Schweiz tätig, bis er 2007 ans Universitätsspital Zürich zurückkehrt und dort 2008 zum Oberarzt Augenklinik befördert wird. Weitere Afrika-Erfahrung gewinnt Eberhard, als er von einer Stiftung angefragt wird, ein Projekt in Äthiopien zu betreuen. «Ich habe dort dann jeweils für kurze Zeit gearbeitet und wurde Mitglied des Stiftungsrates. Doch wegen der gegenwärtig dort herrschenden Unruhen ist das Projekt vorläufig auf Eis gelegt.»

Abflug nach Kampala

Ende 2015 – Eberhard ist inzwischen verheiratet und hat zwei Kinder – ruft Uganda. «Meine Frau ist Infektologin am Unispital. Auf diesem Gebiet arbeitet das USZ und die Universität Zürich eng mit der Universität von Kampala zusammen. So kam es, dass meine Frau von dort angefragt wurde, ob sie nicht für ein Jahr in Uganda arbeiten wolle.» Die Eberhards sind begeistert. «Es war schon immer ein gemeinsamer Traum von uns, einmal im Ausland zu arbeiten. Da die CBM Bedarf an einem Augenchirurgen für das von ihr unterstützte Mengo-Spital hatte und die Universität Zürich mir ein Jahr unbezahlten Urlaub ermöglichte, flogen wir Ende 2015 mit unserer damals vier Jahre alten Tochter und dem zweijährigen Sohn nach Kampala.»

Die Eberhards können zwar ein Haus von einer anderen Expat-Familie und auch deren Auto übernehmen, trotzdem braucht es einige Zeit, bis sie sich an ihre neue Heimat gewöhnen. «Kampala ist eine Riesenstadt, relativ dreckig und mit enormem Verkehr. Die ­Behördengänge sind zeitraubend, gerade wenn man der teilweise kaum versteckten Aufforderung der Beamten nach einem Trinkgeld nicht nachkommt. Und obwohl die Kriminalität für afrikanische Verhältnisse relativ niedrig ist, braucht man als Hausbesitzer Wachleute für sein Grundstück.» Und während der Sohn in der Krippe, in der ausschliesslich Englisch gesprochen wird, quasi spielend eine neue Sprache lernt, tut sich die Tochter anfangs schwer damit. Bald zeigt sich zudem, dass die Wohnlage nicht den Bedürfnissen der Eberhards entspricht. «So sind wir dann in eine andere Gegend mit weniger Verkehr und in ein schöneres Haus gezogen.»

An seine Wirkungsstätte fährt Eberhard zuerst nur mit dem Auto. «Das ÖV-System funktioniert etwas anders als bei uns. So fährt ein Bus beispielsweise erst dann los, wenn er voll ist. Zu den Hauptverkehrszeiten geht das aber immer sehr schnell. Darum habe ich mit der Zeit aufs Auto verzichtet und bin wesentlich weniger gestresst zum Arbeitsplatz gelangt – auch wenn man teilweise halb zerquetscht wird und mir einmal, als ich am Fenster sass und telefonierte, das Handy aus der Hand gerissen und geklaut wurde.» Das sei allerdings während des ganzen Aufenthalts das einzige Mal gewesen, bei dem jemand aus der Familie Opfer eines Deliktes wurde.

Roman Eberhards Arbeitstag beginnt jeweils um 8 Uhr und dauert bis 17, an Operationstagen («Mit teilweise 20 bis 30 OPs») bis 20 Uhr. Im ganzen Team herrscht eine gute Stimmung, obwohl im Vergleich zur Schweiz pro Arzt deutlich mehr Patienten anfallen. Eberhard lehrt nicht nur, sondern lernt auch selbst neue Operationstechniken kennen. «Ich habe von den einheimischen Ärzten mindestens ebenso profitiert wie sie von mir. Die Erfahrung, die ich in Uganda gemacht habe, kann ich teilweise auch hier anwenden.» Dafür nimmt er auch gern in Kauf, dass er im ­Vergleich zur Schweiz viel weniger verdient.

Die Familie lebt sich in den afrikanischen Alltag ein. Man geht auf dem Markt einkaufen, feilscht, ­bezahlt in den Lebensmittelläden gegen Vorkasse Wasser, Strom und Internet, beobachtet abends und an den Wochenenden die bunten ­Vögel im Garten und trifft sich mit Freunden. Viel zu schnell ist das Jahr vorbei. Rückblickend löst es bei Eberhard unterschiedliche Gefühle aus. «Einerseits sind wir gerne in die Schweiz zurückgekehrt. Auch im Hinblick auf die Ausbildung unserer Kinder ist es hier einfacher. Andererseits werden wir wohl immer auch mit Wehmut an die herzlichen Menschen in Uganda zurückdenken.» 

Gut zu wissen

Die CBM Christoffel Blinden­mission ist eine unabhängige, christliche Entwicklungsorganisation und weltweit in Entwicklungsgebieten tätig. Seit über 100 Jahren hilft die CBM blinden und anders behinderten Menschen – unabhängig von Nation, Ethnie, Geschlecht oder Religion. Die elf Ländervereine der CBM fördern zurzeit 650 Entwicklungsprojekte in 63 Ländern. Die CBM ist von der Zewo anerkannt, führt das Gütesiegel und ist Partnerorganisation der Glückskette.

www.cbmswiss.ch

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