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Porträt

Lässt die Besucher wie einen Adler über die schönsten Orte Europas schweben: Patrick Marx. Bild: SB

Ein Zürcher in der Champions League der Freizeitparks

Von: Sacha Beuth

05. Dezember 2017

Schon von klein auf träumte Patrick Marx davon, einmal in einem Freizeitpark arbeiten zu können. Im vor einem halben Jahr eröffneten Voletarium des Europa-Parks in Rust lässt er nun die Besucher virtuell über die schönsten europäischen Landschaften und Sehenswürdigkeiten fliegen.

Weit über 3000 Arbeitsstunden hatte er in das Projekt gesteckt, unzählige Wochenenden an den Details gefeilt und 200 Fahrten – oder besser: Flüge – absolviert. Und auch nachts liessen Patrick Marx die Gedanken an die neue Anlage im Europa-Park nicht ruhig schlafen. Dann, am 3. Juni dieses Jahres, war es endlich so weit. Das Voletarium, das erste Flying Theater Europas, wurde offiziell dem Publikum übergeben. Hinter einer Gondel versteckt, beobachtet Marx an jenem Tag, wie die ersten Besucher fasziniert den Film in der halbkugelförmigen Leinwand anschauen, der sie virtuell über die schönsten Naturlandschaften und Sehenswürdigkeiten Europas fliegen lässt. «Wir hatten zwar schon je einen Preview für Presse und geladene Gäste, doch entscheidend ist, wie die Anlage bei der breiten Masse ankommt», erzählt der 28-jährige Konstrukteur. Die Reaktionen sind eindeutig. Die Besucher sind begeistert und applaudieren noch lange nach dem Ende des Fluges. «Obwohl ich überzeugt war, dass die Anlage Anklang finden wird, fiel doch eine riesige Anspannung von mir ab», erinnert sich Marx.

Lehre als Konstrukteur

Die Sehnsucht nach dem Thrill, dem aufregenden Erlebnis, ist es, die Marx zu dieser Pioniertat gebracht hat. Und die ihn praktisch schon von ganz klein auf in ihren Bann gezogen hatte. Marx, in Stuttgart als Sohn eines Zürchers und einer Deutschen geboren, fährt bereits mit drei Jahren in einem Freizeitpark auf einer Kinderachterbahn. «Da war es um mich geschehen. Von da an gab es für mich kaum etwas Tolleres, als Freizeitparks zu besuchen und möglichst viele Bahnen auszuprobieren.» Diese Leidenschaft begleitet ihn nicht nur durch seine Schulzeit in Zürich, sondern hat auch grossen Einfluss auf seine Berufswahl. «Mein Ziel war es, etwas zu erlernen, das es mir ermöglicht, später einmal in einem Freizeitpark zu arbeiten. Weil es mit meinen manuellen Fähigkeiten nicht so weit her ist, musste es im gestalterisch-planerischen Bereich sein.» Und so absolviert Marx von 2005 bis 2008 eine Lehre als Konstrukteur bei der ABB in Oerlikon, wechselt anschliessend zu einer Firma in St. Gallen, die Achterbahnen herstellt, wo er bald zum Projektleiter aufsteigt. Ausserdem studiert er berufsbegleitend von 2011 bis 2014 Maschinenbau. In all der Zeit besucht er wenn immer möglich Freizeit- und Themenparks. Rund 150 weltweit sind es bislang. Nicht gerade ein günstiges Hobby, was auch Marx zugibt. «Auf der anderen Seite gibt man für Freizeitparktickets nicht mehr aus, als wenn man in Zürich in den Ausgang geht.»

Im November 2015 geht schliesslich Patrick Marx’ grosser Traum in Erfüllung. Der Europa-Park nimmt den Zürcher in seine Dienste. Es ist ein Sprung in die Champions League im Freizeitbereich, denn die Anlage der Familie Mack verzeichnet die zweithäufigste Besucherzahl aller europäischen Mitbewerber und wurde 2017 zum vierten Mal in Folge von einer internationalen Expertenjury der US-Zeitschrift «Amusement Today» zum besten Freizeitpark der Welt gekürt. Im Europa-Park hat Marx von Beginn weg alle Hände voll zu tun. Ihm wird einerseits die bauliche Umsetzung des neuen Themenbereichs Irland übertragen und andererseits soll er sich um das Projekt Voletarium kümmern, von dem bis dato nur die Idee des Kreativteams vorliegt. «Anfangs war ich nur damit beschäftigt, die Verträge mit dem taiwanischen Hersteller der Fahrmechanik auszuhandeln und zu prüfen. Doch dann war ich plötzlich für ziemlich alles verantwortlich», erinnert sich Marx lächelnd.

Neuland betreten

Obwohl man im Europa-Park grosse Erfahrung im Bau von Fahrgeschäften aufweisen kann und rund 90 Prozent der Attraktionen Eigenproduktionen sind, betrat man beim Bau eines Flying Theaters Neuland. «Es ging nun darum, Gebäudepläne zu erstellen und operative Konzepte auszuarbeiten. Eines davon betraf beispielsweise den Vorbereich mit den wartenden Besuchern. Diesen galt es so zu gestalten, dass er thematisch immer noch passt, wenn wir nach einiger Zeit den Film austauschen. Später mussten Bauarbeiten so abgestimmt werden, dass sich niemand in den Weg kommt. Die Koordination war überhaupt das Schwierigste am ganzen Projekt.»

Während des Einbaus war es zudem nötig, einige Abläufe anzupassen. «Der Wechsel vom Zeitpunkt, an dem die eine Besuchergruppe die Gondeln verlassen, und bis zu dem, an dem die nächste Platz genommen hat, dauert 90 Sekunden. Wir haben herausgefunden, dass, wenn wir die Gondeln bereits 5 Sekunden vor Ende des Films an ihre Startposition zurückfahren, wir dementsprechend Zeit sparen können», erklärt Marx und fügt hinzu: «Das klingt jetzt nicht nach besonders viel. In der Gesamtabrechnung sind das aber 500 Personen mehr pro Tag, die die Attraktion nutzen können. Damit schaffen wir nun eine maximale Kapazität von 16 000 Personen pro Tag.»

Effizienz spart Zeit. Und die ist auch oder gerade im Freizeitparkbereich enorm kostbar. Dies gilt ebenfalls für den wichtigsten Teil der Attraktion, den Film. Gerne hätte Marx mehr Sehenswürdigkeiten eingebaut und einzelne länger gezeigt. «Aber am Ende mussten wir uns auf 17 Orte und eine Laufzeit von 4:36 Minuten beschränken.» Vieles sei darum gar nicht erst diskutiert worden. Selbst sein Heimatort Zürich nicht, «zumal wir mit dem Aletschgletscher und dem Matterhorn schon zwei Sehenswürdigkeiten aus der Schweiz zeigen». Trotzdem will Marx nicht ausschliessen, dass die Limmatstadt in einen künftigen Film integriert wird. «Denn obwohl ich jetzt schon einige Zeit mit meiner Freundin direkt neben dem Park wohne und hier mein Hobby zum Beruf machen konnte, gehört ein Teil meines Herzens immer noch Zürich.» Jedes Mal wenn er seine Eltern dort besuche, würden ihm die Vorzüge der Stadt so richtig bewusst. «Das Seebecken ist wunderschön. Und der öffentliche Verkehr einfach spitze, insbesondere im Vergleich zu Rust. Hier befindet sich der nächstgelegene Bahnhof in Ringsheim, und von dort fährt nur unregelmässig ein Zug.»

Ersatz einer alten Liebe

Mit dem Voletarium ist ein neuer Meilenstein in der europäischen Freizeitparkgeschichte gesetzt. Marx ist derweil schon wieder mit neuen Projekten beschäftigt. Eines davon betrifft eine alte Liebe von ihm: den Ersatz der Eurosat-Achterbahn in der Silberkugel. «Sie war meine Lieblingsbahn im Europa-Park, hatte aber leider das Ende ihrer Lebensdauer erreicht», seufzt Patrick Marx. «Als ihr der Stecker gezogen wurde, war das nicht leicht für mich.» Die Sache habe aber auch ihr Gutes. «Zum Glück bin ich Projektverantwortlicher für den Eurosat-Ersatz und habe in der Hand, was daraus wird. Und ich garantiere, dass die neue Anlage mindestens so attraktiv wird wie die alte.» Was es genau wird, will der Zürcher Konstrukteur aber nicht verraten. «Das erfährt man im Sommer 2018, wenn die Anlage eröffnet wird.»

Wintersaison im Europa-Park

Der Europa-Park im deutschen Rust sorgt auch im Winter für unvergessliche Erlebnisse und ist in dieser Saison täglich (ausser 24. und 25. Dezember) bis zum 7. Januar 2018 von 11 bis mindestens 19 Uhr geöffnet. Die ganze Anlage ist der Jahreszeit entsprechend dekoriert. Auch gibt es besondere saisonale Attraktionen wie Schneemobilfahren für Kinder, märchenhafte Eisskulpturen, einen Weihnachtsmarkt und Schlittschuhlaufen. Und zu guter Letzt profitieren die Besucher vom im Vergleich zur Sommersaison herabgesetzten Eintrittspreis (Erwachsene 41 Euro, Kinder 4–11 Jahre 34.50 Euro). Da das neben dem Haupteingang liegende Voletarium im Parkteil Deutschland noch sehr neu ist, ist hier in der Regel auch die Wartezeit am längsten. Tipp des Autors: Voletarium gleich als Erstes besuchen. Generell empfiehlt es sich, für die vielen Attraktionen des Parks zwei Tage einzurechnen und dazwischen in einem der ausgezeichneten Themenhotels zu übernachten.

Weitere Informationen:
www.europa-park.de
www.voletarium.de

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