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Porträt

Arbeitete fast vier Jahrzehnte für die Zoologische Gesellschaft Frankfurt in Afrika: Markus Borner. Bild: privat

Ein Zürcher jenseits von Afrika

Von: Sacha Beuth

13. Dezember 2016

Seit 37 Jahren kämpft Markus Borner (71) für den Erhalt der Fauna und Flora Afrikas. Gestern wurde der Zürcher dafür von der Universität Zürich mit dem Preis für Natur- und Umweltschutz 2016 ausgezeichnet. Eine Würdigung für ein Leben voller Gefahren und Entbehrungen, aber auch voller einzigartiger Erlebnisse.

Es ist ein sonniger Tag Ende der 1970er-Jahre, als Markus Borner einen grossen Fehler begeht. Auf der tansanischen Insel Rubondo, mitten im Viktoriasee, nähert er sich einer Schimpansengruppe und zielt mit seiner Foto­kamera auf ein Weibchen. Sofort sträuben sich bei diesem die Nackenhaare. Mit einer unbändigen Wucht und unter dem Geschrei ihrer Artgenossen stürzt sich die Schimpansin auf den Zürcher. Sie beisst ihn in eine Hand, einen Arm und einen Fuss, ehe sie ein Ranger mit Schüssen in die Luft vertreiben kann. Zum Glück erweisen sich die Wunden als nicht gravierend. «Die Geschichte hätte aber auch ein weit schlimmeres Ende nehmen können. Wenn man Menschenaffen anstarrt oder eben mit einem Kameraobjektiv auf sie zielt, können sie sich bedroht fühlen. Daran hatte ich in diesem Moment nicht gedacht. Kommt hinzu, dass die Schimpansen auf Rubondo ehemalige Zootiere waren, also vor Menschen keine Scheu zeigen wie wildgeborene Schimpansen», erklärt Borner. «Ausserdem sind sie stärker als Menschen und können mit ihrem Gebiss selbst kleine Antilopen töten.»

Das Erlebnis hat seine Liebe zur Natur nicht mindern können. Im Gegenteil: Fast vier Jahrzehnte setzt sich Borner im Auftrag der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt für den Schutz der Wildnis Ostafrikas ein. Fungiert als Berater für verschiedene Naturschutzorganisationen und -behörden, sammelt Spenden und ist sich auch nie zu schade, selbst die Schaufel oder den Werkzeugkasten in die Hand zu nehmen. Als der Zürcher seine Arbeit antritt, gibt es in Tansania gerade mal einen Nationalpark. Heute sind es 16. Sein grosses Engagement hat die Universität Zürich dazu bewogen, Borner am gestrigen Dienstag mit dem Preis für Natur- und Umweltschutz auszuzeichnen. «Ich habe mich darüber natürlich gefreut. Gleichzeitig sind mir solche Auszeichnungen aber auch jedes Mal peinlich. Die Ehre gebührt vor allem den Rangern und anderen Nationalpark-Mitarbeitern. Die stehen an der Front und setzen beim Kampf gegen Wilderer täglich ihr Leben aufs Spiel. Ich habe lediglich meinen Job gemacht», meint der 71-Jährige ­bescheiden.

Früh übt sich

Wobei dies nicht nur ein Job ist, sondern vielmehr Borners Passion. Eine Passion, die sich schon in jungen Jahren zeigt. «Ich bin in Thalwil aufgewachsen und habe als Kind alle möglichen Tiere gefangen und nach Hause gebracht, insbesondere Reptilien. Bald hatte meine Mutter deswegen keine Lust mehr, mein Zimmer zu reinigen – was mir aber auch ganz recht war, dann hatte ich meine Ruhe», lacht Borner. Er begleitet seinen Grossvater bei Wanderungen und liebt dessen «Bäume anhand der Rinde erraten» und andere Naturkundespiele. Kein Wunder, liebäugelt Borner als Teenager mit einem Veterinärstudium. «Allerdings wurde dafür starkes Gewicht auf Latein gelegt, und das war nicht gerade meine Stärke, weshalb ich mich für Biologie entschied.» An der Uni Zürich lernt Markus Borner auch Monica, eine Kommilitonin, kennen und lieben. Die beiden können es so einrichten, dass sie nach dem Studium 1972 für Forschungsprojekte gemeinsam nach Sumatra geschickt werden.

Ab auf die Affeninsel

Drei Jahre verbringen sie im Urwald – er für den WWF, sie für die Zoologische Gesellschaft Frankfurt – und jagen dabei nicht nur den Spuren von Sumatranashorn, Tiger und Orang-Utan hinterher, sondern treten dort auch in den Stand der Ehe ein. Als die Borners danach in die Schweiz zurückkehren – und deren Tochter Sophie geboren wird –, ist ihr Aufenthalt in der Heimat nur von relativ kurzer Dauer. Bereits 1977 fasst die junge Familie einen neuen Auftrag. Monicas Chef, der weltberühmte Zoologe, Tierfilmer und Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek, schickt die Borners nach Tansania, um auf der Insel Rubondo einen Nationalpark aufzubauen. Dort hatte Grzimek zuvor neben Elefanten, Giraffen und diversen Antilopenarten auch Zoo-Schimpansen auswildern lassen. «Letztere sorgten dann auch dafür, dass uns nie langweilig wurde. Sie brachen in unsere Unterkunft ein, tranken Geschirrspülmittel aus Schnapsgläsern und schliefen in unseren Betten. Manchmal konnten wir sie nur vertreiben, indem wir mit Gummischrot auf sie schossen.»

Trotzdem kommt die Arbeit der Borners gut voran. 1980 wird die Familie durch die Geburt von Felix zum Quartett. Und Markus findet auch Zeit, den Pilotenschein zu machen. Als 1983 ihre Aufgabe auf Rubondo erledigt ist, suchen sie eine neue Herausforderung innerhalb Tansanias. «Wir waren der Ansicht, dass wir im Herzen des Landes mehr erreichen können als in der Abgeschiedenheit Rubondos», erzählt Borner. Also sendet Grzimek die Familie nach Seronera, ins Hauptquartier des Serengeti-Nationalparks.

Obwohl den Borners als Unterkunft nur ein halb verfallenes Haus zur Verfügung gestellt wird, verlieben sie sich wegen der Aussicht auf die Landschaft mit ihrem Tierreichtum sofort in den Ort. Ein halbes Jahr dauert es, bis das Haus auf Vordermann gebracht ist und die Familie einziehen kann. Was aber nicht bedeutet, dass die Wohnqualität mit der in der Schweiz gleichzusetzen gewesen wäre. «Auf unserem Estrich tummelten sich Fledermäuse, Mungos, Buschschliefer und Mäuse, und ums Haus schlich die halb zahme Hyäne Sweety, die dauernd auf der Suche nach Knochen und Fleischstücken war.» Immer wieder gelangen ausserdem hochgiftige Puffotter und Speikobras ins Haus, die Borner eigenhändig fängt und hinausbefördert. «Einmal hat sich sogar eine ins WC verkrochen und war fast nicht hinauszubekommen.» Gebissen wird dabei nie jemand. Allerdings erkrankt Borner mehrfach an Malaria und Bilharziose. «Einmal konnte ich nur rechtzeitig gerettet werden, weil ich mich – unter Begleitung eines Bekannten – selber ins Spital flog.»

Mädchen für alles

Die Arbeit als Berater und Vertreter der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt füllt Markus Borner voll aus. Er ist zuständig für den Naturschutz in mehreren ostafrikanischen Ländern. «Am Anfang war ich Mädchen für alles. Ich flickte Fahrzeuge und Radios, bewirtete Honoratoren und Spender, organisierte Ausrüstung für die Ranger, hielt Sitzungen in Gremien, verhandelte mit Vorstehern aus angrenzenden Dörfern über Unterstützung beim Wildschutz, half beim Anlegen von Sendehalsbändern bei Löwen oder bei Wildtierzählungen.» Viel Zeit für Freizeit ist da nicht. Und die Möglichkeiten eingeschränkt. Theater, Oper und Einkaufszentren sind viele 100 Kilometer entfernt. So sucht Markus Borner beim Kochen Ausgleich zu seinem Beruf. Der bringt gelegentlich auch Rückschläge mit sich. «Ich musste lernen, dass kleinere Projekte oftmals effizienter sind als die grossen und die, die mit Leuten vor Ort initiiert wurden, nachhaltiger als die, die externe Behörden verordneten.»

Privat läuft es ebenfalls nicht mehr rund. Monica und Markus Borner leben sich auseinander. Sie kehrt mit den Kindern in die Schweiz zurück und lässt sich scheiden. Er aber bleibt. Bis zu seiner Pensionierung 2012 unterstützt er die Nationalparks Ostafrikas. «Es war eine schöne Zeit, auch wenn ich die letzten Jahre mehr im Büro vor dem Computer und immer seltener draussen verbrachte.» Nach ein paar Monaten Badeurlaub auf Sansibar zieht er wieder nach Thalwil. Jedoch ohne ein geruhsames Rentnerleben zu führen. Auch jenseits von Afrika sammelt er Geld für Naturschutzprojekte in Tansania, bildet an der Uni Glasgow – wo seine neue Lebenspartnerin wohnt und wirkt – afrikanische Studenten im Management of African Ecosystem aus und besucht drei-, viermal pro Jahr die Serengeti. «Ich bin zwar froh, dass ich keine Verantwortung mehr über Angestellte und Finanzen trage. Aber so gar nichts mehr machen ist auch nicht mein Ding.»

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