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Porträt

Wirtin Ursula Burgués gibt ihren Gästen im Restaurant Grobe Ernst das Gefühl, zu Hause zu sein.

Eine Wirtin wie keine Zweite

Von: Isabella Seemann

11. Oktober 2016

Gastronomie: Seit 40 Jahren ist Ursula Burgués Wirtin, zuerst im Camino, ab 1996 im Grobe Ernst. Auf Ende Jahr schliesst das traditionsreiche Lokal im Niederdorf.

Es hat mit dieser Liebe zum Gast zu tun. Als Wirtin, erzählt sie, begrüsst man seine Gäste, bringt ihnen gleich ein Gläschen Sherry und ein Amuse-Bouche, redet mit ihnen, oder man geht irgendwann am Abend an ihren Tisch und unterhält sich dann mit ihnen. Ein kurzes, aber feines Gespräch kann das manchmal werden, sagt sie, «über Gott und die Welt». Und nicht selten entsteht daraus eine Freundschaft. Zwischen den durchgestylten In-Lokalen, Systemgastronomiebetrieben und Döner­buden im Niederdorf liegt an der Stüssi­hofstatt eine letzte Bastion der Herzlichkeit: der Grobe Ernst. In diesem Lokal, wo Fotos der Stammgäste, von Berühmtheiten und Weltberühmtheiten, an den Wänden hängen, wirtet Ursula Burgués seit 20 Jahren und gibt ihren Gästen das, was diese vielerorts vermissen: das Gefühl, zu Hause zu sein. Doch nun schliesst der Grobe Ernst auf Ende Jahr. Das sich im Besitz der Stadt Zürich befindende Lokal wurde neu ausgeschrieben, bald wird es umgebaut und voraussichtlich im April 2017 wieder eröffnet.

Die 70-jährige Wirtin sitzt an diesem Herbstnachmittag in ihrem Lokal, das sie 20 Jahre lang jeden Morgen voller Vorfreude auf den Tag betrat, und erzählt bei einem Cüpli Cava eine Anekdote nach der anderen. Die Fotografie über der Eckbank zeigt einen bekannten Stammgast, einer der reichsten Männer der Welt und «ein herzensguter Mensch», der sich mit seiner Familie immer genau da niederlässt und sich an den mit viel Knoblauch angebratenen Crevetten und an dem bodenständigen Mistchratzerli mit den herrlich breiten, haus­gemachten Nudeln Ernesto labt. Dieser schwerreiche Gast hätte das ganze Haus gekauft, wenn es die Stadt aus ihrem Inventar liesse, nur damit er weiterhin bei Ursula einkehren könnte. Wie wurde die Wirtin zu einer lokalen Institution, der viele Stammgäste, manche vier Jahrzehnte lang, die Treue hielten? Vielleicht liegt es an der Mischung von sonnigem Gemüt und Perfektionismus. Man macht etwas richtig und mit Leidenschaft oder gar nicht, lautet das Credo von Ursula Burgués. «Meine Aufgabe ist es, Frust abzuwenden und dafür zu sorgen, dass der Gast glücklich nach Hause geht.»

Für sie zählt immer nur der Gast

Als die gelernte kaufmännische Angestellte 1969 an der Bar des Hotels St. Gotthard den spanischen Barkeeper Ernesto Burgués kennen lernte, fand sie nicht nur die Liebe ihres Lebens, sondern auch zu ihrer Berufung als Gastgeberin. Nach der Heirat übernahm ihr Ehemann die Geschäftsführung des Club Baur au Lac, später die Disco Diagonal. Ursula unterstützte ihn dabei. Bald darauf machte sich das Ehepaar selbstständig mit dem Restaurant Camino im Kreis 4, das sie mit Fleiss und Glamour 20 Jahre lang führten und das viele Schöne, Reiche und Interessante anlockte. Aber Promis hin oder her – letztlich zählt für sie immer nur der Gast.

1996 erhielten sie den Zuschlag fürs städtische Lokal Zum Grobe Ernst, das nach dem früheren Bierhallen-Wirt Ernst Grob benannt ist, und setzten das spanische «Ernesto» in feurigroter Schrift an die Fassade. Die Stammkundschaft vom Camino folgte ihnen, neue Gäste kamen dazu. Sie blieben nicht nur wegen der Küche Ernestos, sondern auch wegen «seiner Gattin Ursula, die mit Fröhlichkeit und Charme im Service ­aktiv ist», wie die NZZ seinerzeit in einer Gastrokritik festhielt. Vor vier Jahren verstarb Ernesto Bur­gués. Ursula fand Trost bei ihren Gästen und führte den Betrieb allein weiter. Nach Verlängerungen ist nun an Silvester Schluss. Einen riesigen Abschied gibt es nicht, dafür viele kleine. Traurig? Ursula Burgués schüttelt den Kopf. «Da bin ich nicht der Typ dafür.» Zuerst werde sie in Spanien, ihrer zweiten Heimat, eine Auszeit geniessen. Und vielleicht, wer weiss, werde sich dann in Ruhe etwas Neues entwickeln. Denn ein Leben ohne Gäste, nein, das kann sich Ursula Bur­gués nicht vorstellen.

Restaurant Zum Grobe Ernst, Stüssihofstatt 16, Tel. 044 251 20 55. www.zumgrobeernst.ch

 

 

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