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Porträt

Karikaturist Felix Schaad: "Einer wie ich lebt eigentlich von der SVP." Bild: Nicola Pitaro

Er zieht Blocher Pantoffeln an

Von: Jan Strobel

04. November 2014

Felix Schaad, der Hauszeichner des «Tages-Anzeigers», schuf nicht nur die Kultfigur Eva, sondern prägt mit seinen Karikaturen auch den Blick auf unsere Politiker.

Felix Schaad lächelt Christoph Blocher liebevoll an. Der steht in Pantoffeln da, die Ärmel hochgekrempelt, und schmückt in trotziger Trance den Weihnachtsbaum. Statt einer Kugel hängt er gerade Eveline Widmer-Schlumpf an einen Zweig. Es sind die ersten Weihnachten nach seiner Abwahl als Bundesrat, ein schmerzliches Fest, das weiss auch seine Frau Silvia: «Christoph, als Pfarrerssohn solltest du eigentlich wissen, dass wir das Fest der Versöhnung feiern!»

Aus dem Fundus seiner Karikaturen hat Schaad diese Zeichnung aus seinem Archiv hervorgeholt, die im Dezember 2007 im «Tages-Anzeiger» erschien. «Blocher und die SVP», sagt er, «sind natürlich Gold wert. Einer wie ich lebt eigentlich von der SVP», schmunzelt er. Ein Karikaturist braucht kernige Typen, Charakterköpfe, Querschläger, die herausstechen aus der Masse, deren Wesen und Ausdruck er auf den Punkt bringen kann.

Das sei heute, findet Schaad, keine leichte Aufgabe mehr. «Diese starken Charaktere sind bei uns seltener geworden. Figuren wie Calmy-Rey, Couchepin oder eben Blocher, sie sind rarer gesät.» Menschen ohne Eigenschaften sind für einen wie Schaad ein Albtraum. «Denken Sie nur an Putin, dieses Milchgesicht, oder an gewisse Banker. Es ist wahnsinnig schwierig für mich, sie zu zeichnen, sie sind einfach zu undurchschaubar.» Diese merkwürdige Fadheit ziehe sich auch ausserhalb des Politbetriebs weiter. «Es geht heute in allen Lebensbereichen uniformierter zu und her. Wir sind nur noch Bürolisten, die vor dem Computer sitzen.» Früher habe jeder Berufsstand noch sein eigenes, klares Profil besessen, es war eindeutig, was einer machte, «heute melkt sogar der Bauer seine Kuh mit Hightech.»

Themen gewissermassen vom Bildschirm wegzubringen und den Lesern mit wenigen Strichen ein Vergnügen zu bereiten, darin bestehe schliesslich eine der Aufgaben des Karikaturisten. «Ich erzähle mit einer Zeichnung eine Geschichte, die jeder Betrachter in einem Sekundenbruchteil versteht. Das Thema oder die Person mögen noch so abgehoben sein, es geht darum, bei der Sache zu bleiben, das Ganze auf eine Ebene herunterbringen, auf der Komik funktioniert.» Lustig werde es besonders dann, wenn eine Zeichnung überraschend sei, «wenn sie unseren ganz normalen Alltag mit etwas verbindet, das wir so noch nie gesehen haben.»

Eine Frisur als Kulturgut
Seit 2005, als Schaad die Nachfolge von Nico als Hauskarikaturist des «Tages-Anzeigers» antrat, prägen seine Zeichnungen manche Sicht der Schweizer auf ihre Politiker und das Geschehen um sie herum. Die Frisur von Micheline Calmy-Rey zum Beispiel, die auch schon zur mächtigen Bundeshauskuppel mutierte, wurde fast schon zum nationalen Kulturgut. Selbst erbitterten Gegnern der damaligen Bundesrätin entlockte diese Karikatur ein herzliches Schmunzeln. Schaad verarbeitet auch mit Genuss Themen, über die zu lachen manchem die politische Korrektheit verbietet.

Als im Mai eine Debatte um den Umgang mit Mehrfachehen bei Muslimen in der Schweiz entbrannte, zeichnete Schaad einen eifrigen Beamten, dem angesichts der Burka-Trägerinnen vor ihm etwas überfordert nur eine Lösung in den Sinn kommt: «Der Einfachheit halber schlage ich vor, durchzunummerieren.» Oder dann, als die Deutschenfeindlichkeit der Schweizer in den Medien besonders emotional hochgekocht wurde, liess Schaad zwei Ex-Jugoslawen miteinander plaudern: «Wir sollten uns bei den Deutschen bedanken. Seit die hier sind, sind wir bei den Schweizern kein Thema mehr.»

Schaad weiss natürlich, wie heikel es sein kann, sich über Religion oder Kulturen lustig zu machen. «Man sinkt dann schnell auf ein Stammtischniveau, das ja immer sehr pauschal ist. In dieses Fahrwasser sollte ein guter Karikaturist niemals geraten. In solchen Momenten stosse ich dann manchmal selber auf meine eigenen Schwächen.»

Eine gute Karikatur ist also immer auch eine Frage der gelungenen Kommunikation, aber die liegt Schaad ohnehin im Blut. Immerhin arbeitete er nach der Kunstgewerbeschule jahrelang in der Werbebranche. Dort lernte er, wie eine Botschaft in aller Kürze die Menschen berühren kann. «Werbung», sagt er, «funktioniert ganz ähnlich wie eine Karikatur.» Wenn die Tagesleitung der Redaktion mit einem Thema auf ihn zukommt, gilt es, die Story mit einer Zeichnung zu verkaufen. Schaad liest sich dann zuerst einmal in die Materie ein, sucht Material zusammen oder bespricht sich mit dem Journalisten. «Dann entstehen vor dem weissen Blatt Papier erste Ideen. Das braucht natürlich Zeit. Du musst loslassen können, das ist schwierig bei Themen, zu denen ich den Zugang nicht gleich finde.»

Vom Brainstorming bis zur definitiven Abgabe einer Zeichnung dauert es zwischen drei und vier Stunden. Und dann gilt es täglich natürlich auch noch Eva aufs Papier zu bringen, diese grummlige, korpulente Kassiererin, die Schaad zusammen mit Claude Jaermann 1996 erschaffen hatte, zunächst für den «Nebelspalter», seit 2001 erscheint die Kultfigur auf der «Bellevue»-Seite des «Tages-Anzeigers». Neben Eva schuf das Duo Schaad/Jaermann auch Igor, die Ratte, oder die Figur des Bünzli Zwicky.

Die Quelle der Freiheit
Diese Comics verweisen auch auf Schaads Kindheit und Jugend in ­Eglisau, wo er 1961 geboren wurde. Das Zeichnen gehörte zum Fundament, sein Vater arbeitete als Grafiker und Zeichner. Comics allerdings waren im Hause Schaad eher verpönt, «nur Asterix ging bei meinen Eltern einigermassen durch.» Aber natürlich fand Sohn Felix genügend Wege, trotzdem in die Welt der Comics abzutauchen, die ihn so faszinierte. In der Schule entwarf er seine eigenen, gezeichneten Helden. Mit elf Jahren hatte er bereits einen 20-seitigen Comicband geschaffen. Die Bildergeschichten wurden seine Berufung, bis heute bedeuten sie für ihn, wie er sagt, eine «Quelle enormer Freiheit.»

Dass klassische Karikaturen und Comics auch im digitalen Zeitalter überleben werden, davon ist Schaad überzeugt. «Die Menschen wollen immer etwas zu lachen haben, die Welt um sie herum mit einem Schmunzeln betrachten. Das ist das Zeitlose an meiner Arbeit.»

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