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Porträt

Haben ihr Ziel, Tanzprofi zu werden, fest im Blick: Désirée Guler und Joshua Williams. Bild: Nicolas Y. Aebi

Erste Karriereschritte auf Zehenspitzen

Von: Sacha Beuth

30. Mai 2017

Die 15-jährige Désirée Guler und der 14-jährige Joshua Williams haben beide den gleichen Traum: Sie wollen Profitänzer werden. Um dieses Ziel zu erreichen, nehmen die beiden Teenager eine anspruchsvolle und entbehrungsreiche Ausbildung an der Tanzakademie Zürich auf sich.

Konzentriert beginnen die 16 Jugendlichen im Trainingsraum der Tanzakademie Zürich an der Pfingstweidstrasse eine weitere Ballettübung. Alle sind ziemlich ausser Atem. Der Schweiss fliesst in Strömen. Während sie zur Musik eines Pianisten tanzen, beobachtet Dozent Udo Kersten aufmerksam das Geschehen und greift selbst bei kleinsten Fehlern immer wieder korrigierend ein. «Zu steil, Désirée, etwas flacher bitte.» «Joshua, Schultern down.» Der Unterricht ist streng. Trotzdem käme es keinem der acht Schülerinnen und acht Schüler in den Sinn, zu jammern oder zu klagen. Sie wissen, sie zählen zu ein paar wenigen Privilegierten, die an einer der weltbesten professionellen Ballettschulen eine Ausbildung geniessen dürfen (siehe Box). Und Disziplin ist nun mal das A und O, wenn man eine erfolgreiche Karriere als Profitänzer einschlagen will. Genau dies ist das Ziel der Tanzeleven, auch der getadelten Désirée Guler und Jo­shua Williams’.

Schmerzliche Wartezeit

Désirée Gulers Passion fürs Tanzen entwickelte sich bereits im Alter von drei Jahren. «In meinem Bekanntenkreis gab es ein paar 10-jährige Mädchen, die in den Ballettunterricht gingen und die ich begleitete», erinnert sich die 15-Jährige aus Oberhasli, als sie sich während einer Pause mit Joshua auf eine Bank setzt. «Ich habe dann immer mitgetanzt und anschliessend zu Hause weitergemacht.» Désirée will unbedingt auch ins Ballett und liegt damit ihrer Mutter so lange in den Ohren, bis diese die Tanzlehrerin anruft und fragt, ob ihre Tochter nicht auch in den Unterricht kommen dürfe. «Zu meinem Leidwesen war ich aber zu jung und musste mich ein ganzes Jahr gedulden, bis auch ich die ersten Lektionen erhielt.»

Schnell stellt sich heraus: Désirée hat Talent. Sie wird gefördert und mit 10 von ihrer Tanzlehrerin zur zweistufigen Aufnahmeprüfung an die Tanzakademie Zürich geschickt. Das hat auch einen Schulwechsel zur Folge. Statt wie bislang die Primarschule in Rümlang besucht Désirée fortan die Sekundarschule der Kunst- und Sportschule Zürich (K & S), die auf die besonderen Bedürfnisse der Schüler ausgerichtet ist. Morgens normaler Schulunterricht, nachmittags Training bzw. Ausbildung in den jeweiligen Akademien. Viel Zeit für andere Tätigkeiten bleibt nicht. «Wenn ich abends nach Hause komme, bin ich in der Regel total müde. Dann esse ich noch etwas, wobei ich auf eine gesunde Ernährung achten muss, und gehe anschliessend gleich ins Bett.» Keine nächtelangen Partys, kein stundenlanges Rumhängen mit Freunden – für einen Teenager nicht gerade ein prickelndes Leben. «Aber das stört mich nicht. Ich kann auch noch in den Ausgang, wenn ich älter bin.»

Das Leben von Désirées Tanzkommilitone Joshua Williams ist ebenfalls nicht ohne Entbehrungen. Der 14-jährige Südafrikaner hat Eltern und Geschwister in Kapstadt zurücklassen müssen, um in Zürich eine Karriere als Profitänzer einschlagen zu können. Aufgewachsen in einer Gegend mit vielen Mittelstandsfamilien, tanzt Jo­shua als kleines Kind bei jeder Gelegenheit. Mit 6 Jahren gibt er sein Können spontan auf einer Postfiliale zum Besten und wird dabei von einer Theaterlehrerin beobachtet. Die rät Joshuas Eltern, den Jungen in eine Tanzschule zu schicken. Dort beginnt Joshua mit Modern Dance und Hip-Hop. Erst mit 10 Jahren kommt auch Ballett hinzu. 2016, an einem internationalen Wettbewerb in seinem Heimatland, wird Joshua hinter der Bühne von TAZ-Direktor Oliver Matz angesprochen, der auf der Suche nach neuen Talenten ist. «Er wollte dann ein paar Übungen von mir sehen und lud mich anschliessend zu einem einwöchigen Kurzstipendium auf Probe nach Zürich ein», erinnert sich Joshua. Der Südafrikaner reist wenig später das erste Mal in ein anderes Land.

Allein in der Fremde

Das Kurzstipendium vergeht wie im Flug. Kurz vor dessen Ende nimmt sich Matz Joshua zur Seite und fragt, ob er in die Akademie wolle. Sie hätten einen Platz frei für ihn. «Ich war überglücklich und habe natürlich sofort zugesagt.» Die Einwilligung der Eltern erfolgt postwendend, und so packt Joshua Ende August 2016 seine sieben Sachen, um in Zürich ein neues Leben zu beginnen. «Der Abschied von meiner Familie, besonders von meiner Mutter, fiel mir sehr schwer. Zum Glück hat man mir bei meiner Ankunft sehr geholfen. Alle waren freundlich. Und die TAZ hatte für mich bereits einen Platz in einer internationalen Delta-Schule sowie eine Unterkunft mit begleitetem Wohnen im schuleigenen Internat organisiert.» So sei denn auch die Familie das Einzige, was er wirklich vermisse. «Darum freue ich mich schon lange vorher auf die Sommer- und Weihnachtsferien, denn dann kann ich heimfliegen und meine Familie wiedersehen.»

Die Pause ist beinahe zu Ende. Ob ihnen nie Zweifel gekommen seien? Ob sie sich nie gefragt hätten, ob die Plackerei das alles wert sei? «Auf jeden Fall», antwortet Désirée, ohne zu zögern. «Ausserdem bin ich lieber überfordert als unterfordert.» Joshua sieht es fast genau so: «Klar hat man manchmal Muskelkater und fühlt sich kaputt. Die Lehrer sind zwar streng, aber fair. Du musst ihre Kritik annehmen können. Nur so kannst du dich verbessern, und nur so kannst du Profitänzer werden oder als Künstler arbeiten. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass aus mir etwas anderes wird.»

Die Tanzakademie Zürich

Die Tanzakademie Zürich (TAZ) bereitet junge Menschen auf ihre künftige Laufbahn als professionelle Bühnentänzer(innen) vor. Sie zählt zu den Top-3-Ballettausbildungsstätten der Welt. Ihre Anfänge nahm die Akademie 1986, damals noch unter dem Namen Ballettberufsschule AG. Erst 2005 fand die Umwandlung zum heutigen Namen statt. Inzwischen gehört die TAZ dem Departement Darstellende Künste und Film der Zürcher Hochschule der Künste an. Gegenwärtig besuchen rund 100 Schüler die TAZ und werden von 20 Lehrpersonen unterrichtet. Aufgenommen werden – nach bestandenem Vortanzen und medizinischer Überprüfung – Kinder und Jugendliche ab 10 Jahren, welche die 5. Primarklasse beendet haben. Die komplette Ausbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis im Bühnentanz dauert bis zum 18. Lebensjahr. Bis zum 15. Lebensjahr betragen die Semestergebühren 1000 Franken. Danach ist die weitere Ausbildung gebührenfrei. Schüler zwischen 10 und 15 Jahren gehen jeweils morgens in eine Privatschule und haben nachmittags Tanzunterricht an der TAZ. Schüler ab 15 Jahren werden ausschliesslich an der TAZ unterrichtet, nun zweisprachig (Deutsch und Englisch) und ganztägig, 6 Tage die Woche.

Weitere Infos: www.tanzakademie.ch

 

 

 

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