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Porträt

Liebt die naturbezogene Küche: Nenad Mlinarevic kocht ausschliesslich mit Produkten aus der Schweiz.

"Es fliesst einfach"

Von: Ginger Hebel

20. Oktober 2015

Koch des Jahres: Mit Mut kommts oft gut: Der 34-jährige Zürcher Nenad Mlinarevic kocht strikt mit regionalen Produkten. Das «Tagblatt» hat den erfolgreichen Küchenchef im Parkhotel Vitznau besucht.

Aus der Hotelküche dringt Gelächter. Nenad Mlinarevic und sein Team sind gut gelaunt, wie meistens, wenn sie in der grossen Küche des Parkhotels Vitznau am Vierwaldstättersee (LU) stehen. «Wir verstehen uns sehr gut und haben viel Spass», sagt der 34-jährige Küchenchef. Von «Gault Millau» wurde er eben zum Koch des Jahres gekürt, das Restaurant Focus ist nun mit 18 Punkten und 2 Michelin-Sternen ausgezeichnet. Wer den Titel «Koch des Jahres» trägt, steht unter einem gewissen Erwartungsdruck, doch die kraftvolle Ruhe am Vierwaldstättersee, sagt Nenad, spüre man auch in der Küche, «es fliesst einfach».

Dass er Koch wurde, war Zufall. Sein Vater, Einwanderer aus Serbien und Bahnführer der Dolderbahn, kannte den Küchenchef des Dolder Waldhaus und vermittelte seinem Sohn eine Schnupperlehre. Nenad war begeistert von der Atmosphäre in der Küche, er mochte diese besondere Dynamik. «Gäste mit Essen happy zu machen, das hat mir sofort zugesagt.» Ehrgeizig, wie er ist, war ihm von Anfang an klar: Wenn er Koch wird, dann einer der besten. Der 34-Jährige verdiente sich in den renommiertesten Restaurants seine Sporen ab, kochte im Mesa in Zürich und stand mit Andreas Caminada hinterm Herd. In den Schulferien absolvierte er Praktika in Spitzenlokalen in Deutschland, Belgien und in Skandinavien, darunter im Noma in Kopenhagen, einem der hellsten Sterne auf der kulinarischen Weltkarte. Verarbeitet werden dort ausschliesslich regionale Produkte, diese Philosophie verfolgt auch Nenad Mlinarevic. Er kocht seit diesem Frühling ausschliesslich mit Schweizer Produkten – mit Fleisch aus Nidwalden, Fisch aus Schwyz, Wildkräutern von der Rigi – und bestreitet damit einen Weg, der sonst keiner in dieser Liga geht. Die regionale Küche als Trend? Nenad winkt ab. «Wenn es ein Trend wäre, hätten wir ihn schon lange ­verpasst, denn gerade das Noma kocht schon lange nur mit regionalen Produkten. Mich hat die naturbezogene Küche schon immer fasziniert.» Es geht ihm nicht darum, einem Trend nachzulaufen, sondern das zu tun, was ihm richtig erscheint.

Nenad Mlinarevic steht im intensiven Kontakt mit Bauern und Produzenten und entdeckt immer wieder Neues wie ein Hage­buttenkernöl oder Bio-Urdinkel-Kernotto, das er mit Bier statt mit Weisswein ablöscht und mit Sbrinz und gebratenen Pilzen veredelt. ­Seine neuste Entdeckung: Wagyu-Alpenbeef aus Davos. Nenad hat daraus einen Tafelspitz zubereitet, er verwendet aber auch Zunge und Herz der edlen Rinder. «Ich bin nicht nur am Filet interessiert, ich verwerte gerne alles vom Tier, das ist eine Frage des Respekts gegenüber diesem Lebewesen.» Seine Küche ist puristisch. «Auf Chichi auf dem Teller verzichten zu können, hat für mich auch mit Reife zu tun.» Etwas Schaum hier, eine Emulsion da, Mlinarevic hat nicht den Anspruch, zu demonstrieren, wie ausgereift seine Kochtechnik ist, «es muss einfach gut schmecken, das ist mein Ziel».

Meeresfisch findet man auf seiner Karte ­übrigens nicht. Warum sollte er einen Fisch ­servieren, der 72 Stunden unterwegs ist? Lieber bereitet er eine Lachsforelle aus der Brüggli-Zucht in Sattel zu. «Wenn ich nach Thailand reise, möchte ich Street Food essen und keine Pizza. Wir möchten unseren Gästen ein Stück Vitznau, ein Stück Schweiz mit auf den Weg geben. Essen sollte einen Bezug haben zum Ort, an dem man es isst.»

Nicht ohne Salz

Nenad Mlinarevic wuchs in Zürich-Hottingen auf. Vor vier Jahren ist er für seinen Beruf an den Vierwaldstättersee gezogen. Wenn er nicht arbeitet, treibt er als Ausgleich am liebsten Sport. Seit ein paar Monaten trainiert er mit einem Personal Trainer, weil er keine Fitnesscenter mag. Seine Eltern und seinen Bruder besucht er regelmässig in Zürich. Er bekocht sie zwar selten, weil er sonst schon oft genug in der Küche stehe, dafür geht er aber gern in Zürich essen. Zum Beispiel auf eine Pizza ins Miracle oder ins Rosso. «Wenn ich frei habe, esse ich einfach.» Oft lässt er seine Freundin den Tisch reservieren, weil er nicht möchte, dass andere sich unter Druck gesetzt fühlen oder etwas anderes kochen, nur weil er bei ihnen isst. Privat schätzt er das entspannte Beisammensein, «eine feine Pasta freut mich viel mehr als ein Mehrgänger». Er sei ohnehin ungeduldig und möge es nicht, stundenlang im Restaurant zu sitzen. Deshalb ist er darauf bedacht, dass die einzelnen Gänge in seinem Restaurant relativ zügig serviert werden. «Es hat sich noch nie ein Gast beklagt, dass es bei uns zu lange dauere», sagt Nenad und lacht.

Das Restaurant Focus hat rund 30 Plätze und ist nur abends geöffnet. Im Zentrum steht das Neun-Gang-Menü, es sind aber auch À-la-carte-Gerichte erhältlich. Auf welche Zutat könnte Nenad nicht verzichten? «Auf Salz. Essen muss für mich würzig sein.» Natürlich bleibt er auch da seiner Richtung treu und verwendet weder Himalayasalz noch Fleur de Sel, sondern unbehandeltes Schweizer Salz. Und was käme dem Profikoch nie auf den Teller? «Schnecken. Als Koch sollte man zwar alles mal gegessen haben, aber Schnecken möchte ich nie probieren und auch nicht servieren.»

Nenads Rezept für Tagblatt-Leser

Bio-Urdinkel-Kernotto für 4 Personen

30 g Rapsöl
50 g Zwiebeln, fein gehackt
10 g Knoblauch, fein gehackt
300 g Bio-Urdinkel-Kernotto von der Steinmühle Thommen
150 g Bier oder Weisswein
6 dl Gemüse oder Geflügelbrühe
80 g Sbrinz gerieben
1 EL Petersilie, Schnittlauch gehackt


1 EL Butter Zwiebeln und Knoblauch in Rapsöl andünsten. Kernotto mitdünsten und mit Bier oder Weisswein ablöschen. Das Ganze ca. 30 Minuten köcheln lassen, dabei immer wieder Brühe nachgiessen. Zum Schluss Sbrinz, Kräuter und Butter untermischen. Tipp: Gebratene Pilze dazu servieren oder als Beilage zu Fleisch oder Fisch verwenden.

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