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Porträt

"Gute Werber haben keine grosse Klappe"

Von: Ginger Hebel

09. April 2013

Peter Brönnimann und sein Team entwickeln Kampagnen, die zu den meistprämierten der Welt gehören. Ein Besuch in der Agentur des Werbers des Jahres

Manchmal, da hat Peter Brönnimann einen Geistesblitz, eine zündende Idee, die Grundlage für eine Werbekampagne. Doch die Ideen für die flotten Sprüche fliegen auch einem Kreativen wie ihm nicht einfach so zu. Die guten Ideen entstehen meist nach langem Überlegen. «Oft haben die Leute falsche Vorstellungen von unserer Arbeit. Die Ideen entstehen selten zufällig, sondern fast immer beim Arbeiten.» Peter Brönnimann, der frisch gewählte Werber des Jahres, sitzt an seinem Computer und entwirft einen Slogan. Der 48-Jährige ist Kreativ­direktor bei der Agentur Leo Burnett Schweiz, die er vor 10 Jahren mit­gegründet hat. Die Kreativschmiede befindet sich in einem Backsteingebäude an der Aemtlerstrasse. 75 Angestellte entwickeln hier nationale und globale Plakatkampagnen, Online­promotionen und Werbespots für Micasa, Sanitas oder Schweiz Tourismus. Brönnimann ist praktisch bei jedem Dreh dabei. «Es ist eine Herausforderung, die Schweiz immer wieder von einer anderen Seite zu präsentieren. Man lernt sie dabei selber immer wieder neu kennen.» Mit Kultsprüchen wie «Mit Ovomaltine kannst dus nicht besser. Aber länger» oder den witzigen SMS-Dialogen für Sunrise hat sich die Agentur ein internationales Renommee verschafft. Legendär auch die Wendesatz-Kampagne für Swiss Life («Ich werde niemals heiraten wir in der Kirche?»), die zu den 10 meistprämierten Printkampagnen der Welt gehört. «Als wir die Idee zu diesen Wendesätzen hatten, das war schon ein lässiger Moment», resümiert Brönnimann. Er ist kein Mensch, der sich gerne in den Mittelpunkt stellt, die beruflichen Erfolge führt er immer aufs ganze Team zurück. «Wir arbeiten hier alle hart, damit etwas Gutes herauskommt. Ich mag keine schlechte Werbung machen, das ist vertane Zeit.» Unter schlechter Werbung versteht er jene, die den Konsumenten nicht ernst nimmt.

Seine Tage sind gespickt mit Sitzungen, Kundenmeetings, Präsentationen, Werbedrehs und Briefings. Meist brüten die Kreativen der Agentur zu zweit Ideen aus. «Brainstormings im grossen Kreis bringen nichts, weil jeder das Gefühl hat, der andere komme schon mit einem guten Vorschlag. Zweierteams sind effektiv, weil sich beide verantwortlich fühlen und sich anstrengen», sagt Brönnimann. Wenn ein Kunde die Werbeagentur beauftragt und ein Leitspruch her muss von heute auf morgen, dann ist das der Kick, den er liebt. Nach über 25 Jahren im nervösen Werbebusiness hat er keine Angst mehr vor der Ideenlosigkeit. «Ideen hat man immer», ist er überzeugt. Die Schwierigkeit bestehe nicht darin, Ideen zu haben, sondern aussergewöhnliche, und diese dann auch zu erkennen. «Oft verwirft man eine Idee, die im Kopf herumschwirrt, obwohl sie vielleicht die beste gewesen wäre. Oder jemand anderer setzt sie um, das ärgert mich dann.»

Brönnimann gehört zu den führenden Figuren der Werbeszene. Die Leserinnen und Leser der Fachzeitschrift «Werbewoche» haben ihn jetzt sogar zum Werber des Jahres gekürt. Als Auszeichnung erhielt er die Egon-Trophäe, ein Männchen mit einem überdimensionalen Mund, symbolisch für die grosse Klappe, die man Werbern nachsagt. Das jedoch ist für Brönnimann nur eines von vielen Klischees. «Gute Werber haben keine grosse Klappe. Was im Hirn passiert, das ist entscheidend.» Er freut sich über den Preis, denn die Anerkennung ist der Lohn für all die Mühe.

Eigentlich wollte er ursprünglich lieber Journalist werden. Doch der Job bei einer Lokalredaktion brachte ihm nicht den Spass, den er sich erhofft hatte. Es war die Macht der Werbung, die ihn faszinierte. In den 80er-Jahren ­bewarb er sich bei Jean Etienne Aebi, weil ihm seine «Toni – das im Glas»-Joghurtwerbung imponierte und er eines Tages auch so eine Kultkampagne lancieren wollte. Er absolvierte ein dreimonatiges Praktikum und stieg als Texter in die Branche ein – der klassische Weg. Denn wie es der Werber Robert Stalder sagte: Texten kann man lernen. Aber nur beim Texten. Doch wie gewinnt man die Fähigkeit, kreativ zu sein? Brönnimann: «Kreativität besitzen viele, aber die meisten verlieren sie, weil keine Möglichkeit ­besteht, sie auszuleben.» Sein Vater besass eine Autogarage und entwickelte selber Werkzeuge, um Pneus auszuwuchten, «er hatte kreative Ideen, vielleicht hab ich das von ihm».

«Viele Ideen landen im Papierkorb»

An seinen ersten Werbespruch erinnert er sich wie andere sich an den ersten Kuss: Es war eine Kampagne für die Inlingua Sprachschulen. Er konnte nächtelang nicht schlafen, kritzelte im Dunkeln Wortspiele auf ein Blatt Papier. Dutzende Vorschläge hatte er seinem Chef vorgelegt, einer überzeugte ihn sofort: Dieses Französisch ist unser Französisch ist ihr Französisch. «Ich war unheimlich nervös. Aber das fertige Resultat zu sehen, machte Spass.» Damals war er 23 und überzeugt, dass seine Zukunft in der Werbung liegt. Bevor er jedoch richtig durchstartete, erfüllte er sich den Traum einer Weltreise, blieb überall länger als geplant und jobbte vier Monate in Australien auf dem Bau. Zurück in der Schweiz heuerte er bei der Werbeagentur ­Advico Young & Rubicam an. «Alles, was ich kann, habe ich dort gelernt.» Nach zehn Jahren war er 2002 bei der Gründung der Agentur Spillmann Felser Leo Burnett dabei, die sich seit kurzem Leo Burnett Schweiz nennt.

Werbung gehört zum Stadtbild. Was aber macht sie so populär, dass sie den Leuten im Kopf bleibt und in der Flut kommerzieller Botschaften nicht versinkt? «Unser Ziel ist es, eine relevante Botschaft auf eine ­frische, ungewöhnliche Art rüber­zubringen», sagt Brönnimann. Oder wie es Leonardo Da Vinci sagte: Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung. Doch nicht jede vermeintlich brillante Idee kommt auch bei den anderen gut an. «Als Werber muss man ein Stehaufmännchen sein. Viele Ideen landen im Papierkorb. Wer damit nicht leben kann, hat den falschen Job.» Sein jüngster Coup: eine Organspende-Kampagne für das Bundesamt für Gesundheit, die in diesen Tagen am Fernsehen startet. Er kann kaum erwarten, wie die Reaktionen ausfallen.

Der Sprung ins kalte Wasser

In den Restaurants und Bars, wo sich die Kreativszene von Zürich trifft, verkehrt Peter Brönnimann nicht. In der Mittagspause kauft er in der Bäckerei am Albisriederplatz Sandwiches oder holt sich einen Kebab, privat steht die Familie im Mittelpunkt. Mit seiner australischen Frau und seinen acht- und elfjährigen Jungen lebt er in ­Stäfa. Die Nähe zum Wasser lieben sie alle. Jedes Wochenende trifft er sich mit seinem Kumpel auf ein Bad im ­Zürichsee und gehört somit zu den wenigen, die sich über die viel zu ­kurze Badesaison in Zürich nicht ­beschweren. «Ich springe das ganze Jahr über ins kalte Nass, es tut mir gut. Das ist wohl das einzige Ungewöhnliche an mir.» Sagts und verschwindet in seiner Agentur.

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