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Porträt

Heute Bettler, morgen Butler

Von: Ginger Hebel

01. Oktober 2013

Während des Zurich Film Festival stehen die Schauspieler im Vordergrund. Doch ohne Statisten funktioniert kein Film. Der Zürcher Norbert Gubser wirkte in über 200 Produktionen mit, in guten Zeiten angelt er sich wöchentlich eine Statistenrolle.

Den Traum, den viele Leute hegen, eines Tages berühmt zu werden, träumte Norbert Gubser nicht. Er hat nie zum Film gewollt und auch gar nicht über diese Möglichkeit nachgedacht, «im fortgeschrittenen Alter ist dieser Gluscht plötzlich entstanden», sagt er. Das Leben hatte für ihn andere Pläne. Er erlernte einen technischen Beruf und führte 30 Jahre lang mit seiner Frau in Zürich ein Geschäft für bequeme Schuhe. Mit 64 Jahren wurde er auf ein Inserat aufmerksam, «Statist für Schweizer Produktion gesucht», stand da. Norbert Gubser meldete sich. So begann seine Karriere als Statist.

In den letzten sieben Jahren wirkte er in über 200 Produktionen mit; in Spielfilmen und Werbespots, auch für Fotoshootings und Kampagnen wurde er mehrfach gebucht. In erster Linie arbeitet er als Statist für Schweizer Filme, er war unter anderem in «Giulias Verschwinden» zu sehen und in «Sommervögel». Auch für den Schweizer «Tatort» stand er schon vor der Kamera, spielte einen Zünfter und im «Bestatter» eine Leiche. «Mike Müller hat mich sogar frisiert», erzählt er. Norbert Gubser hat keine Mühe mit makabren Statistenrollen, dafür seine Frau, die zappt dann weg. Er ist aber nicht nur Komparse, sondern engagiert sich auch für die Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK). Für die Abschlussarbeiten der Studenten wird er oft als Haupt- oder Nebendarsteller gebucht. Auch stellt er sich gerne als Schauspiel­patient für Prüfungen von Medizinstudenten an der Universität Zürich zur Verfügung. «Ich finde das spannend und leide nicht.»

Reich wird man als Statist nicht. Je nach Produktion liegen mal 50 Franken, mal 200 Franken drin. Lukrativ sind hingegen Werbejobs, bei Arbeiten für die ZHDK gibts keine Gage, das stört Norbert Gubser aber nicht. «Ich finde deren Arbeiten interessant und engagiere mich gerne. Kleinere Produktionen haben den Vorteil, dass weniger Leute mitwirken und jede Person grössere Aufgaben übernehmen kann.» Er mag die Atmosphäre am Filmset und bei Werbedrehs. Und er schätzt die Begegnungen mit Statisten und Schauspielern, die keineswegs oberflächlich sind. «Man kennt sich mit der Zeit, das ist wie eine Familie. Gute Freundschaften sind in den letzten Jahren entstanden», sagt Gubser.

Angefangen hat der Zürcher als normaler Statist, als Kleindarsteller, dessen Aufgabe darin besteht, anwesend zu sein, denn ohne Komparsen funktioniert kein Film. Sie sind es, die öffentliche Räume wie Bahnhöfe, ­Restaurants und Stras­sen beleben. Mittlerweile arbeitet Norbert Gubser als Edelstatist, der spezifische Aufgaben übernimmt, in Werbespots kellnert, Walzer tanzt oder BMW fährt. «Ich übernehme gerne eine Aufgabe, weil es mir das Gefühl gibt, dass es einen Sinn ergibt und ich dann zufrieden bin.» Anfangs hat er über seine Einsätze noch nicht Buch geführt, als er jedoch merkte, dass er immer öfter für Statistenrollen besetzt wird, begann er es zu dokumentieren. Stolz zeigt er sein iPhone mit Fotos von Shootings und Filmdrehs; Norbert Gubser als Grossvater, als russischer Sicherheitspolizist, als Butler und Bettler. Zeitweise hat er wöchentlich Statisteneinsätze, manchmal herrscht ein paar Wochen Flaute, dann fehlt ihm etwas. «Die Statisterie ist meine Leidenschaft geworden.»

Er nimmt seine Aufgabe ernst, bereitet sich auf seine Einsätze vor. Er will die Personen, die er verkörpern soll, nicht einfach nur spielen, sondern darstellen. Er bevorzugt Rollen, wo Ausdrucksvermögen gefragt ist, aus diesem Grund hat er eine Zeit lang auch privaten Schauspielunterricht genommen. «Mimik ist wichtiger als Text», findet er. Ellbögeln für eine Rolle würde er aber nie. «Ich bin schon ein bisschen eitel, aber wenns passt, dann passts. Es würde mich aber sehr freuen, wenn weiterhin Anfragen kommen würden. Darsteller zu sein, ist eine gute Herausforderung, um auch im Alter dranzubleiben.»

Nachhaltig in Erinnerung bleibt ihm der mehrtägige Dreh in einer Alp­hütte. Zur Lancierung der limitierten Auflage der Original Chronograph von Victorinox wirkte er in einer weltweiten Onlinekampagne mit, in einem Imagefilm mimte er den Alpöhi an der Seite von Heidi. Norbert Gubser: «Das war nicht einfach eine Rolle, ich war er in diesem Moment wirklich, der ­Alpöhi.»

 

Christian Casper ist Statistenvermittler für nationale und internationale Film- und Fotoproduktionen. Er castet Statisten, Models und Schauspieler für Film, TV, Werbung, Fotoshootings und Videoclips.

"Ein guter Statist muss geduldig sein und Anweisungen umsetzen können"

Tagblatt der Stadt Zürich: Christian Casper, als Statist hat man keinen Dialog. Worauf kommt es an?

Christian Casper: In erster Linie aufs Aussehen, wobei man nicht primär gut aussehen muss, denn es kommt immer auf die Szene und die Art des Films an. Ein weiteres wichtiges Kriterium ist Geduld, da die Filmdrehs sich oft in die Länge ziehen. Ein Statist muss zudem gut zuhören und Anweisungen umsetzen können.

Welcher Typ ist als Statist gefragt?

Casper: Jeder, vom Kleinkind bis zur Grossmutter. Filme widerspiegeln die Aspekte des Lebens, daher sind die verschiedensten Personen gefragt. Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer kleinen Filmindustrie. Dennoch stehen die Chancen gut, hier einmal für eine Statistenrolle besetzt zu werden.

Wollen Leute, die sich als Statist bewerben, entdeckt werden?

Casper: Natürlich gibt es solche, die sich daraus mehr erhoffen, eine Textrolle zum Beispiel. Viele nehmen danach auch Schauspielunterricht. Brad Pitt hat ja offenbar auch als Statist begonnen. Den meisten gehts aber um die Erfahrung. Viele Jobs sind Endlosprojekte, bei denen man nicht so schnell Resultate sieht. Bei einem Film kann man sich das Werk am Schluss ansehen. Das empfinden viele als sehr befriedigend.

Anmelden für aktuelle und künftige Statisteneinsätze: 

www.centralcasting.ch

 

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