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Porträt

"Ich bin ein News-Junkie"

Von: Ginger Hebel

05. September 2014

TeleZüri: Der Lokalsender wird am 3. Oktober 20. Für TV-Chef und Moderator Markus Gilli fliesst aus Arbeit Glück. Im Studio kann er alles ausblenden.

TV-Diskussionen mit Markus Gilli sind sehr oft witzig und manchmal auch hitzig; und obwohl der Talker der Nation mit manchen Politikern scharf ins Gericht geht und häufig Gegenposition bezieht, um kontroverse Diskussionen zu entfachen, hat er nie mit jemandem «Lämpen». Darauf ist er fast ein bisschen stolz. Peter Uebersax (†), der ehemalige Chefredaktor des «Blicks», sagte einst über ihn: «Er ist unverschämt, gerade bei politischen Fragen, aber er verletzt nie.» Dazu Gilli: «Das ist mir sehr wichtig. Ich befrage hart, aber fair. Ich will nie verbrannte Erde zurücklassen.»

Dieses Jahr feiert TeleZüri – der von Roger Schawinski gegründete Lokalsender – sein 20-Jahr-Jubiläum. Markus Gilli ist seit 1999 mit im Boot. Er blickt zurück auf eine Zeit mit bereichernden Begegnungen, schönen und traurigen Momenten. Als Moderator von «Talk Täglich» und «SonnTalk» interviewt er Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Sport und Unterhaltung, aber auch Menschen, die vom Schicksal gebeutelt sind und wenig Erfahrung im Umgang mit Medien haben, wie damals die Angehörigen des Opfers des Amoklaufs in Menznau (LU), bei dem fünf Menschen starben. «Solche Momente sind schrecklich. Wenn Tränen fliessen, muss ich mich immer schwer zusammenreissen, da ich nah am Wasser gebaut bin.» Es geht ihm nie darum, Menschen für eine gute Story an die Öffentlichkeit zu zerren und vorzuführen. «Wenn Menschen mit ihren Geschichten, und sind diese noch so schlimm, an die Öffentlichkeit gehen und sie erzählen, hilft es ihnen oft bei der Verarbeitung.»

Markus Gilli wirkt immer sehr gut vorbereitet, ist informiert und interessiert, dabei bleiben ihm für die Vorbereitung einer Talksendung meist nicht länger als 90 Minuten Zeit. «Nach 34 Jahren in der Branche hat man ein Archiv im Hirn gespeichert und kann das Wissen abrufen. Zudem habe ich sehr gute Produzentinnen, die mir alle wichtigen Fakten und Dossiers vorlegen und eine enorme Unterstützung sind.» In den allermeisten Fällen sind seine Talks live, ohne Spontanität und Schlagfertigkeit geht es nicht. Gilli besitzt beides, und dazu eine Professionalität, die ihm den Titel «Journalist des Jahres 2013» eingebracht hat.

Wenn er auf Sendung geht, wird er ruhig, da kann der Tag noch so hektisch gewesen sein. «Im Studio kann ich alles ausblenden.» Die Aufzeichnungen schaut er sich an, er ist selbstkritisch, aber nicht selbstzerstörerisch. «Ich entdecke 100 Ticks bei mir, aber ich bin oft auch happy über gewisse Formulierungen. Und ich ärgere mich fürchterlich, wenn jemand den Köder auswirft und ich ihn nicht packe.»

Markus Gilli wurde 1955 in Zürich geboren und weltoffen erzogen. Sein Vater war ein grosser Radiofan, der Wert darauf legte, dass man sich für das Weltgeschehen interessierte. Deshalb lief früher im Hause Gilli mittags um halb eins stets das Zeitzeichen von Radio Beromünster. «Wenn während der Nachrichten jemand ein Wort sagte, wurde er des Tisches verwiesen», erinnert er sich. In der Schule hatte man ihm ans Herz gelegt, etwas mit Kommunikation oder Journalismus zu machen, der Einstieg in die Branche erfolgte dann aber zufällig. Als Radio 24 im November 1979 auf Sendung ging, gehörte Markus Gilli zu den begeisterten Zuhörern. Eines Abends hörte er den Aufruf, dass per sofort Redaktoren gesucht würden. Er griff zum Hörer und stand am nächsten Tag mit seinen Zeugnissen in Roger Schawinskis Büro. Den Medienpionier interessierten seine Schulnoten nicht, stattdessen schickte er ihn in den Keller, wo er die Mittagsnachrichten vorbereiten musste. «Ich hatte noch nie Nachrichten gemacht und war wahnsinnig nervös.» Doch Roger Schawinski sagte nur: «Gut gemacht! Gäll, morgen fängst du an.»

Das war im März 1980, als sich die Jugendunruhen in Zürich zuspitzten. «Es war ein Glücksfall, dass ich dann anfing, denn Radio 24 konnte sich damals mit der Berichterstattung profilieren», erinnert sich Gilli. 20 Jahre blieb er dem Radio treu. «Fernsehen war nie mein Ziel. Es brauchte fast eine Handstreichaktion, um mich vom Radio wegzukriegen.» 1999 übernahm er bei TeleZüri die Programmleitung und wurde Chefredaktor. Gilli ist ein Vollblutjournalist. «Mich interessieren die Menschen, ihre Schicksale, ihre Highlights, das ist Leben pur, ich gehe auf darin.» Als er dem ehemaligen GC-Mäzen Werner Spross von der traditionsreichen Gartenbaufirma die Frage stellte, wie er alles unter einen Hut bringe, sagte dieser einen Satz, den Gilli nie vergass: Aus Arbeit fliesst Glück. «Das gilt auch für mich.»

Doch seine Karriere bei TeleZüri verlief nicht reibungslos. 2001 wurde der Lokalsender an den Medienkonzern Tamedia AG (zu der auch das «Tagblatt der Stadt Zürich» gehört) verkauft, daraufhin wurde der Geschäftsleitung gekündigt. Auch Gilli war damals seinen Job los, aber schon drei Monate später sass er wieder auf dem Chefsessel. Als man ihn zurückholte, räumte man ein, personelle Fehlentscheidungen getroffen zu haben. «Das war eine schwierige Zeit. Roger Schawinski hat den Sender mit Herzblut und Engagement geführt, aber ich habe gesehen, dass es so nicht funktionieren kann, dass es in eine falsche Richtung geht. Wir haben ums wirtschaftliche Überleben gekämpft. TeleZüri hätte damals hopsgehen können.»

Seit 2011 gehört TeleZüri zu den AZ Medien und somit dem Verleger Peter Wanner, der Gilli im April zum Chefredaktor der TV-Senderfamilie mit TeleZüri, Tele M1, TeleBärn und dem neuen nationalen Fernsehsender TV24 beförderte. Seit TeleZüri eine Aargauer Führung hat, spannen diese Lokalstationen zusammen und tauschen Nachrichten aus. Doch interessiert es den Zürcher, was im Aargau passiert? Markus Gilli glaubt ja. «Gerade weil wir Nachrichten und Sendungen austauschen, können wir andere Bereiche abdecken und erhalten mehr Gewicht in der Medienlandschaft, das ist eine einmalige Chance.» Doch die Regionalität will er nie verlieren. «Unser Mittelpunkt ist das sogenannte «Millionen-Züri» – Zurich first.»

«Cüplianlässe ermüden mich»

Markus Gilli beginnt den Tag mit einem intensiven Zeitungsstudium zu Hause. Als Chef verantwortet er die Sende­inhalte, doch seinen Mitarbeitenden lässt er viel freie Hand. «Bei uns sind die Hierarchien flach und das Vertrauen gross, das ist das Geheimnis des Erfolgs.» Er verlässt das Büro selten vor halb neun Uhr abends und nimmt sich nur den Samstag frei. Dann trifft er sich gern mit Freunden, aber offline geht er nie. «Ich bin ein News-Junkie. Ich kann jedoch auch faul sein und in den Tag hineinleben.» An Events und Premieren trifft man ihn höchst selten. «Das Rumstehen an Cüplianlässen ermüdet mich.»

Er ist jetzt 59 und will noch so lang arbeiten, wie es ihm Spass macht und man ihn schätzt. «Im Endeffekt ist doch alles im Leben abhängig von der Gesundheit.» Der TV-Boss weiss, wovon er spricht. Zehn Jahre lang hat er neben seinem Job bei TeleZüri seinen kranken Vater gepflegt, bis dieser 2004 verstarb. Markus Gilli gehört nicht zu denen, die allem hinterherrennen und trotzdem das Gefühl haben, etwas zu verpassen.«Mein Leben ist intensiv, mit Abgründen und Höhenflügen. Ich habe eine Ruhe in mir, aus der ich schöpfen kann.»

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