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Porträt

Jennifer Pastorini: «Unsere Forschungsdaten sind enorm wichtig, um ein Nebeneinander von Mensch und Elefant zu ermöglichen.» Bild: Nicolas Y. Aebi

Im Schatten der grauen Riesen

Von: Sacha Beuth

05. Juli 2016

Seit 12 Jahren erforscht die Zürcherin Jennifer Pastorini (47) auf Sri Lanka das Leben der Elefanten. Die Biologin der Uni Zürich will damit zum Schutz der bedrohten Rüsseltiere beitragen.

Zwei Tage ist Jennifer Pastorini auf der Suche nach Asiatischen Elefanten mit ihrem Mann, 20 Rangern und zwei Veterinären des Department of Wildlife Conservation durch den Dschungel gestapft. Dann endlich werden sie fündig. Am Rand eines Waldes macht sich eine kleine Herde über die saftigen Blätter und Gräser her. Vorsichtig pirscht sich nun einer der Ranger auf Schussdistanz an die grauen Riesen heran, legt das mit einem Betäubungspfeil geladene Gewehr an, zielt auf einen halb erwachsenen Elefanten und drückt ab. Der Schuss versetzt die Herde in Panik und lässt sie auf alle Seiten auseinanderstieben. Auch das getroffene Exemplar macht sich davon. «Bis die Betäubung wirkt, dauert es etwa 10 bis 20 Minuten. So lange müssen wir dem Tier auf den Fersen bleiben. Weil das im dichten Unterholz aber nicht einfach ist, ist im Pfeil zusätzlich ein Sender eingebaut», erklärt Pastorini. Wenige Minuten später wird der gepfeilte Elefant wieder aufgespürt. Er fängt schon an zu wanken und legt sich schliesslich hin. Nun muss es schnell gehen, denn liegt ein Elefant zu lange auf der Seite, können seine Organe wegen des Gewichts irreparable Schäden davontragen. Mittels einer eigens für diesen Zweck gefertigten Stange wird dem Rüsseltier ein mit einem GPS-Sender versehenes Halsband unter dem Kopf durchgezogen und am Hals festgeschnallt. Kaum geschehen, wird ein Gegenmittel gespritzt, worauf sich Pastorini und die Ranger schleunigst in Sicherheit begeben. Aus ihren ­Verstecken beobachten sie, wie der Elefant sich langsam erhebt und dann unter Grollen und Schnauben im Gebüsch verschwindet, um seine Artgenossen zu suchen. Pastorini blickt ihm mit einem zufriedenen Lächeln nach. Es ist bereits der 50. Elefant, der besendert wurde und der wichtige Daten liefern wird. Daten, die zum Überleben der rund 6000 Elefanten auf Sri Lanka beitragen sollen. Dieser Tierart hat sich die Zürcherin seit rund 12 Jahren verschrieben – obwohl ihr Herz anfangs ganz anderen Vierbeinern gehörte.

Vom Affen zum Dickhäuter

Schon als kleines Kind ist Jennifer Pastorini von Tieren und der Natur im Allgemeinen fasziniert. «Wir besassen eine Katze, und unsere Wohnung lag am Rande eines Waldes, in dem ich oft spielte», erinnert sich die heute 47-Jährige. «Und wenn meine Oma uns besuchte, machten wir immer einen Ausflug ins Zoologische Museum und anschliessend in den Zoo.» Dort haben es Pastorini vor allem die Flusspferde angetan. Später werden Kühe und dann Affen ihre Lieblingstiere. Im Gymnasium verstärken die «spannenden Lektionen» des Biologielehrers Pastorinis Interesse an Fauna und Flora. So wundert es wenig, dass sie 1988 an der Uni Zürich ein Biologiestudium beginnt, welches sie 1995 abschliesst. Bereits während des Studiums konzentriert sie sich auf die Genetik von Primaten und reist für ihre Diplomarbeit nach Algerien, um dort während sechs Wochen Berberaffen zu fangen und ihnen Blutproben abzunehmen. 1997 folgt eine weitere Forschungsreise nach Madagaskar mit demselben Zweck. Dieses Mal müssen Lemuren, also die dort vorkommenden Halbaffen, etwas von ihrem Lebenssaft für die Forschung hergeben. Im Zusammenhang mit ihren Forschungsarbeiten zieht es Pastorini 2002 für rund ein Jahr an die Columbia-Universität in New York. Dort lernt sie den aus Sri Lanka stammenden Pruthu kennen, der gerade Proben von Elefanten untersucht. «Zwischen den Reagenzgläsern haben wir uns dann verliebt», lächelt Pastorini. Zwar trennen sich ihre Wege vorerst, da die Zürcherin noch weiter an Primaten forschen will und dafür einen Platz an der britischen Universität Cambridge erhalten hat. Doch nach einem Jahr folgt sie ihrer Liebe nach Sri Lanka, wo sie schliesslich 2007 heiraten.

«Zuerst wollte ich mich auch auf Sri Lanka mit Affen befassen. Doch dann zeigte es sich, dass die Arbeit meines Mannes mit den Elefanten so intensiv war, dass dies allein nicht zu schaffen war und ich ihm deshalb unter die Arme griff.» Eine Entscheidung, die Pastorini keinen Moment bereut. «Die Arbeit ist sehr spannend. Und wenn wir Elefanten erforschen und schützen, schützen wir auch all die Tiere, die in deren Schatten leben.»

Nicht immer geht es bei Pastorinis Arbeit so hoch zu und her wie beim Besendern der Elefanten. «Manchmal fahren wir auch einfach mit dem Jeep raus, um die Tiere anzupeilen und anschliessend zu beobachten. Die meiste Zeit jedoch verbringe ich in unserem Haus nahe des Yala-­Nationalparks, sitze vor dem Computer und werte GPS-Daten aus.» Anhand der Bewegungsmuster lässt sich feststellen, wo sich die Elefanten wann aufhalten. «Diese Informationen sind enorm wichtig, um ein Nebeneinander von Mensch und Elefant zu ermöglichen.» Auf Sri Lanka seien Elefanten nicht wegen der Jagd auf Elfenbein gefährdet, denn im Gegensatz zu ihren afrikanischen Vettern besässen bei den Asiatischen Elefanten nur die Männchen Stosszähne, was das Wildern nicht lukrativ mache. «Das Problem sind vielmehr die Zerstörung ihres Lebensraumes sowie die fehlenden Korridore innerhalb ihrer Territorien.» Verursacher seien nebst Agrarmultis auch westliche Entwicklungsprojekte für die vom Bürgerkrieg gezeichnete Bevölkerung. Die sonst eher feine Stimme von Pastorini wird plötzlich energisch: «Man denkt an die Menschen und vergisst dabei die Elefanten. Es werden Millionen für Gebäude, Bewässerungssysteme oder Strassen investiert, aber für ein paar Zäune, um Elefanten von den Anlagen fernzuhalten, fehlt das Geld.»

Platz für Mensch und Tier

Zudem sei vielen gar nicht bewusst, dass die Mehrzahl der Elefanten Sri Lankas ausserhalb der Schutzgebiete lebe. «Schwindet der Lebensraum der Elefanten, schwindet auch deren natürliche Nahrung, weshalb sich die Tiere in den Dörfern und Pflanzungen nach Futter umsehen. Konflikte insbesondere mit Bauern sind vorprogrammiert.» Um die zuständigen Behörden und Firmenvertreter besser erreichen zu können und ihrem Anliegen mehr Gewicht zu verleihen, haben Pastorini und ihr Mann 2004 die NGO Centre for Conservation and Research (CCR) gegründet. «Seither werden wir immer öfter bei geplanten Projekten als Berater beigezogen und können im Sinne der Elefanten Kompromisse erzielen, indem Schutzzäune angebracht oder Anlagen und Strassen verschoben werden, um Korridore zu gewährleisten. Einmal konnten wir sogar den Anbau einer riesigen Fruchtplantage eines US-Grosskonzerns verhindern, weil wir nachweisen konnten, dass sich auf dem anvisierten Gelände viele Elefanten aufhalten», erzählt Pastorini nicht ohne Stolz.

Obwohl sie ihren Lebensmittelpunkt nach Südasien verlegt hat, kommt Pastorini einmal pro Jahr in ihre Geburtsstadt. Einerseits, um ihren Neffen zu sehen und um die Apparaturen an der Uni zu nutzen, wo ihr am Anthropologischen Institut ein Forschungsplatz eingeräumt wurde. Andererseits aber auch, um den Zoo zu besuchen. «Wenn man ein Elefant in Gefangenschaft ist und im Zoo Zürich lebt, dann ist das wie der Sechser im Lotto.» Mit ihrer Arbeit und den Vorträgen in der Schweiz hofft Pastorini, Aufmerksamkeit und finanzielle Mittel zu erlangen, um den Elefanten in der freien Wildbahn Sri Lankas ebenfalls ein solches Los bescheren zu können.

Jennifer Pastorini live

Der Verein ALIYA – Artenschutz und Forschung in Asien – unterstützt ideell und finanziell die Arbeit des CCR Teams in Sri Lanka. Im Rahmen der Aktivitäten von ALIYA hält Jennifer Pastorini am Samstag, 9. Juli 2016, im asiatischen Kulturzentrum Songtsen House (www.songtsenhouse.ch), Albisriederstr. 379, einen Vortrag über ihre Arbeit mit Elefanten auf Sri Lanka. Der Anlass beginnt um 19 Uhr (Türöffnung 18 Uhr). Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Weitere Infos: www.aliya-artenschutz.ch und www.ccrsl.org

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Leserkommentare

Alfred Steiner - Danke für den tollen Bericht. Habe gar nicht gewusst, dass wir so eine kompetente Zürcherin hier haben, die sich um Sri Lankas Elefanten kümmert.

Vor 7 Jahren 9 Monaten  · 
Noch nicht bewertet.