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Porträt

Daniela Eberle leidet an einer Schilddrüsenerkrankung und muss für den Rest ihres Lebens Tabletten schlucken.

Immer dieser Nebel im Kopf

Von: Ginger Hebel

01. März 2016

Krankheit: Seit zehn Jahren hat Daniela Eberle Probleme mit der Schilddrüse. Die 53-Jährige muss täglich viele Tabletten schlucken. Sie leidet unter Beschwerden und daran, dass die Krankheit kaum ernst genommen wird.

Eine gute Nacht hat Daniela Eberle seit zehn Jahren nicht mehr gehabt. Seit langem gibt es keinen Tag mehr, wo sie erholt und fit aufsteht, voller Tatendrang, so wie früher. Jeden Morgen muss sie ihre Hormone nehmen, danach eine halbe Stunde warten, erst dann gibt es einen starken Kaffee. «Dann komme ich langsam in Fahrt oder eben auch nicht. Heute empfinde ich es als sehr mühsam, ich bin müde», sagt Daniela Eberle.

Es ist nicht die Art von Müdigkeit, die man mit einem Schläfchen bekämpfen könnte. Sie fühlt sich erschöpft und antriebslos. Daniela Eberle leidet an der Autoimmunkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis, einer chronischen Entzündung der Schilddrüse. Das Immunsystem, das sie eigentlich schützen sollte, richtet sich gegen ihren eigenen Körper. Daniela trägt einen bequemen Wollpullover und sitzt zu Hause an ihrem Esstisch, vor ihr Tabletten und Laborwerte. «Ich war früher praktisch nie krank, ich kannte das gar nicht», erzählt die 53-Jährige. Sie gehörte zu jenen, die zuwarten, bevor sie zum Arzt gehen. Wenn sie eine Erkältung einfing, dann nahm sie höchstens mal eine Schmerztablette, «vor Medikamenten hatte ich immer Respekt». Heute muss sie viele davon schlucken, jeden Tag, für den Rest ihres Lebens.

Schlafstörungen und Haarausfall

Die Schilddrüse ist ein kleines, schmetterlingförmiges Organ unterhalb des Kehlkopfes und erfüllt wichtige Aufgaben im Körper. Schilddrüsenhormone beeinflussen den Stoffwechsel, den Kreislauf, die Psyche und sorgen für ein gesundes Wachstum von Hautzellen, Haaren und Nägeln. Weil Daniela Eberles Schilddrüse nicht mehr vollständig funktioniert, muss sie künstliche Hormone nehmen, welche die Unterfunktion ausgleichen. Eine Therapie, die auf die eigentlichen Ursachen abzielt, existiert bisher nicht. Bei Hashimoto werden in erster Linie die Symptome bekämpft. «Die Ärzte sagen nur, nehmen Sie doch Hormone, aber so einfach ist das nicht. Die Dosierung muss stimmen, sie darf weder zu hoch noch zu niedrig sein. Ich gehöre zu den Betroffenen, die nicht wirklich gut eingestellt sind.» Über 10 Prozent der Bevölkerung leiden an einer Erkrankung der Schilddrüse, mehrheitlich Frauen. Die Symptome reichen von Schmerzen im Körper, Kropfbildung, Gewichtsab- oder -zunahme bis hin zu Depressionen, aber auch Kälteempfindlichkeit und Haarausfall. Schilddrüsenerkrankungen sind oft genetisch bedingt wie im Falle von Daniela Eberle, aber auch Jodmangel kann ein Auslöser sein. «Frauen ab 40 sollten deshalb regelmässig ihre Schilddrüse kontrollieren lassen», rät sie.

Begonnen hat ihre Leidensgeschichte vor zehn Jahren. «Plötzlich wachte ich jede Nacht auf und konnte nicht mehr einschlafen. Ich wusste nicht, was mit mir los ist.» Die Schlaflosigkeit raubte ihr die Energie, sie ging zum Hausarzt. Dieser vermutete Stress und verschrieb Betablocker. «Ohne grosse Abklärung, ohne mir Blut zu nehmen», erzählt Eberle. Anfangs spielte ihr Körper verrückt, ihr Immunsystem schwächelte, sie war anfällig für Infektionen; man gab ihr Antibiotika, immer und immer wieder, «doch das tötet alles ab im Körper. Ich vertraute dem Arzt und akzeptierte seine Behandlung.» Sie bekam Probleme mit dem Darm, heute verträgt sie viele Nahrungsmittel nicht mehr. Jahrelang wurde sie von Ärzten schulmedizinisch behandelt, dann wurde sie auf einen Arzt aufmerksam, der ihr eine ganzheitliche Behandlung mit einer natürlichen Hormontherapie vorschlug, wie sie bis in die späten 50er-Jahre weltweit zur Anwendung kam. Ihr Gesundheitszustand verbesserte sich. «Diese Medikamente gibt es in der Schweiz mittlerweile nicht mehr, ich muss sie im Ausland bestellen.»

Grosser Leidensdruck

Daniela plagen Verspannungen und Schlafstörungen und immer dieser «Nebel im Kopf», wie sie es nennt. Auch optisch habe sie sich verändert. Sie zeigt ein Familienfoto von früher, mit ihrem Mann und ihren Söhnen, darauf lächelt sie. «Ich würde heute anders aussehen, wenn ich nicht krank wäre», ist sie überzeugt. Mit ihren 53 Jahren steht sie mitten im Leben – eigentlich. «Die Krankheit hat mir viel von meiner Lebensqualität genommen.» Früher trieb sie viel Sport und reiste mit ihrem Mann durch Amerika, doch das ist Vergangenheit, ans Verreisen mag sie heute gar nicht mehr denken. Sie arbeitet Teilzeit in einer Treuhandfirma, abends fällt sie erschöpft ins Bett. Auch für ihren Mann ist es schwer, mit der Situation umzugehen, ihr gemeinsames Leben hat sich durch die Krankheit verändert. Er sagt oft, er fühle sich hilflos. Daniela Eberle: «Der Leidensdruck ist gross. Aber am schlimmsten ist für mich die Bagatellisierung dieser Krankheit. Man wird nirgends richtig ernst genommen.»

 

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