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Porträt

"Luxus bedeutet heute Grosszügigkeit"

Von: Ginger Hebel

04. Oktober 2016

140 Jahre Schweizerhof: Direktor Andreas Stöckli und Couverture-Dame Jasotha reden über Luxus, Sonderwünsche und Liebesbrücken.

Letztes Jahr feierte die Bahnhofstrasse ihr 150-Jahr-Jubiläum. Jetzt wird die Grande Dame am Bahnhofplatz, der Schweizerhof, 140 Jahre alt. Andreas Stöckli führt das Haus als Direktor seit 2014, zuvor arbeitete er bei der Radisson-Blu-Hotelkette. Er hat 110 Angestellte, und kennt sie fast alle mit Namen.

Anlässlich des 140-Jahr-Jubiläums des Schweizerhofs haben Sie sich selbst ein Geschenk gemacht: sieben neue Deluxe Zimmer und ein kleines Fitnesscenter. Muss das ein Viersternhotel heute bieten?

Andreas Stöckli: Jeder Mehrwert zählt, jede zusätzliche Dienstleistung ist viel wert. Man muss dem Gast die Möglichkeit bieten, dass er davon Gebrauch machen kann, wenn er möchte. Die Deluxe Zimmer kommen in einem neuen Farbkonzept daher, in Violett und im reduzierten Stil. Die übrigen Zimmer sind noch in traditionellen Farben gehalten, sie werden nächstes Jahr modernisiert. Wir haben in unserem Haus weniger Betten als früher, dafür grössere Zimmer. Der Markt erlaubt es nicht mehr, kleine Zimmer für 400 Franken pro Nacht zu verkaufen. Luxus bedeutet heute in erster Linie Grosszügigkeit und Raum.

Wie führt man erfolgreich ein Viersternhotel an bester Lage?

Andreas Stöckli: Mit Freude. Ein Hotel ist nur so gut wie seine Mitarbeiter. Die Hardware kann man ersetzen, wichtig ist die Authen­tizität der Menschen, nur so lässt sich eine einmalige Kultur kreieren. Auch das Housekeeping hat eine wichtige Gastgeber­rolle, es ist nah am Gast dran und hat Zugang zu seiner Privatsphäre.

Das Housekeeping besteht aus einem Team von 20 Leuten. Die Couverture-Dame Jasotha Mayilvaganam aus Sri Lanka arbeitete früher im Baur au Lac, seit zwölf Jahren im Schweizerhof, wo sie genauso gern sei wie in ihrem eigenen Haus, wie sie mit einem Lächeln auf den Lippen sagt. Sie macht die Betten, räumt auf, arrangiert die Blumen, zieht die Vorhänge zu und legt abends Schöggeli aufs Bett.

Wie viel Zeit bleibt Ihnen fürs Saubermachen eines Zimmers?

Jasotha Mayilvaganam: 30 Minuten, aber wir versuchen es in 20. Arabische Familien haben die Angewohnheit, alles auf dem Boden zu verstreuen und liegen zu lassen, das ist nicht immer einfach, wenn es schnell gehen muss. Aber für uns zählt, dass die Gäste sich wohlfühlen und bei uns entspannen können.

Jasotha kennt die Vorlieben der Gäste. Manche wollen vier Handtücher statt zwei, andere ein Kirschkernkissen, Allergiker-Bettwäsche und eine Liebesbrücke. Mittels einer Metallvorrichtung werden zwei Einzelbetten aneinander festgemacht, damit sie nicht auseinanderrutschen.

Gäste, die Hotelzimmer demolieren, gibt es das häufig?

Andreas Stöckli: Wir sind kein Szene-Hotel, aber es kommt vor, dass Gäste im Zimmer gar wild feiern und dabei Mobiliar kaputt geht. Die meisten zahlen den Schaden anstandslos. Umtriebe haben wir, wenn Gäste in Nichtraucherzimmern rauchen, danach können wir es ein, zwei Tage nicht mehr verkaufen, weil man den Geruch nicht rausbringt.

Regen Sie sich über schlechte Tripadvisor-Kritiken auf?

Andreas Stöckli: Nein, mich regt nur auf, wenn Gäste Probleme nicht vor Ort ansprechen, wo wir reagieren könnten. Ich lese jede Bewertung und nehme persönlich Kontakt mit unzufriedenen Kunden auf. Ich offeriere Gutscheine oder eine Gratisnacht, denn glückliche Gäste sind mein höchstes Ziel.

Freuen sie sich, wenn prominente Gäste bei Ihnen einchecken?

Andreas Stöckli: Sehr. Ein Höhepunkt war für mich der Besuch von Inger Nilsson, der Pippi Langstrumpf. Diese Begegnungen auf emotionaler Ebene sind es, die den Job einmalig machen.

Welche Hotels buchen Sie privat?

Andreas Stöckli: Im Herbst gehts mit Frau, drei Kindern und Hund an die Nordsee in ein Ferienhaus. Danach gönnen wir uns noch ein paar Tage in einem feinen Hotel in Hamburg. Meine Kinder finden es cool, wenn sie den Zimmerservice anrufen können. Ich übernachte zwei-, dreimal im ­Monat im Schweizerhof. Auch meine Mitarbeiter tun dies, nur so sieht man die Schwächen. Ich habe alle neuen Zimmer probegeschlafen und festgestellt, dass einem das Licht unter dem Lavabo direkt ins Gesicht scheint, wenn man im Bett liegt.

Starker Franken, Airbnb. Was sind die grössten Herausforderungen?

Andreas Stöckli: Die Leute buchen immer kurzfristiger, was bedeutet, dass wir die Preise flexibler gestalten müssen. Im Durchschnitt bleiben sie 1,6 Tage in unserem Haus. Wer länger bleibt, bucht oft eine Wohnung über Airbnb. Diese komplementären Produkte verzerren den Markt. Wir haben viele Gäste aus dem EU-Raum verloren, auch der russische Markt ist eingebrochen. Dafür haben die Buchungen aus dem amerikanischen und australischen Raum zugenommen. Wir haben keinen Rückenwind. Man kann sich nicht aussuchen, woher der Wind weht. Aber man kann Segel setzen.

Die gute Seele des Hauses

André Fischli (47) ist Concierge im Hotel Schweizerhof.

Sie sind seit 22 Jahren Concierge im Schweizerhof und somit die Visitenkarte des Hauses.

André Fischli: Ja, es macht mich stolz, so lange für dieses Haus arbeiten zu dürfen. Der Schweizerhof ist familiengeführt, die Besitzer sind von jeher sehr besorgt, das Hotel den höchsten Gästebedürfnissen anzupassen. Ich mag das luxuriöse und angenehme Umfeld.

Der Gast ist König. Erfüllen Sie jeden Wunsch?

Ich versuche, alles möglich zu machen, organisiere Tickets und Ausflüge, gebe Restaurantempfehlungen und noch so vieles mehr. Mit den Jahren habe ich mir ein grosses Netzwerk aufgebaut. Wir beherbergen jedoch selten Gäste mit abgehobenen Wünschen, aber sie zahlen viel Geld, sie dürfen ihre Ansprüche auch haben. Heute informieren sich viele im Vorfeld über die Angebote der Stadt, von mir wollen sie dann die Bestätigung, ob ein Restaurant wirklich gut ist. Und ich gebe Insidertipps. Ich versetze mich in die Lage, wie es ist, wenn ich selbst im Ausland bin und mich zurechtfinden muss.

Wie gehen Sie mit schwierigen Gästen und Nörglern um?

Ich muss sagen, dass ich mit schwierigen Gästen gut umgehen kann, mit der Erfahrung tritt man respektvoller auf. Wir begrüssen bei uns viele Stammgäste, oft mehrere Generationen. Das Schönste ist, wenn ein Vater zu seinem Sohn sagt, geh zum Concierge, wenn du Fragen hast oder Hilfe brauchst, er weiss weiter. Dieses Vertrauen, das mir entgegengebracht wird, ist die beste Bestätigung, die es gibt.

 

140 Jahre Schweizerhof

1876 erstellt, wurde das Gebäude ein Jahr später als Hotel National eröffnet. Seit 1918 heisst es Schweizerhof. 1978/1979 wurde das Hotel umgebaut, im Jahr 2000 wurden in den Umbau aller Zimmer und Bäder mehrere Millionen Franken investiert. 2007 folgte die Totalsanierung der kostbaren Fassade. 2011 wurden die Schweizerhof-Bar erneuert und der Eingangsbereich modernisiert. Zwischen 2013 und 2015 wurden die Zimmer im 4. Stock zusammengelegt und die komplette Etage erneuert. 2016 werden anlässlich des 140-Jahr-Jubiläums ein Gym und sieben neue Deluxe-Zimmer (ca. 35 m²) eingeweiht. Das Hotel gehört seit 1971 den Eigentümerinnen Silvia Pestalozzi und Sonja Hitroff-Pestalozzi.

 

 

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