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Porträt

Roger Schawinski heute in den Räumlichkeiten seines Senders Radio 1. Bild: Nicolas Y. Aebi

Roger Schawinski – 70 Jahre Rebell und Pionier

Von: Sacha Beuth

16. Juni 2015

Am 11. Juni durfte Roger Schawinski seinen 70. Geburtstag feiern. Der Eigentümer von Radio 1 und TV-Moderator blickt auf eine einzigartige Karriere zurück – obwohl oder gerade weil er oft aneckte.

Freudestrahlend betritt Roger Schawinski die Räumlichkeiten von Radio 1 an der Hottingerstrasse. «Habt ihr gesehen? In der Onlineausgabe der ‹New York Times› haben sie meinen ‹SRF-Talk› auf Züritüütsch mit Fifa-Sprecher Walter de Gregorio übernommen. Mit Untertiteln zwar, aber auf Züritüütsch! Wahnsinn! Das gab es noch nie!» Der Medienunternehmer ist jedoch nicht nur wegen des unerwarteten Geschenks aus Übersee auch einen Tag nach seinem 70.  Geburtstag in Feierlaune. «Die sieben Jahrzehnte fühlen sich überraschend gut an. Zumal mir nicht wenige Gratulanten attestierten, dass ich mich für mein Alter sehr gut gehalten hätte.» Allerdings habe er sich für diesen Umstand ordentlich ins Zeug legen müssen. «Wichtig ist, dass du nicht die Tür zumachst, sondern immer neue Türen öffnest», gibt der Jubilar das Rezept für seine Vitalität preis. So hat er vor wenigen Wochen begonnen, Golf zu spielen. «Das ist schwerer, als man glaubt.» Geistig halten ihn vor allem seine Aufgaben als Chef von Radio1, Planet 105 sowie als Moderator von «Roger gegen Roger» (Radio1) und «Schawinski» (SRF) auf Trab. «Jede Sendung ist eine Art Gehirnjogging für mich.» Auch sein verstorbener Vater Abraham hat sein Scherflein zu dieser Einstellung beigetragen. «Mein Vater war Vertreter für Textilwaren und hat seinen Beruf nie gemocht. Kaum war er 65, hat er aufgehört zu arbeiten. Die Folge war, dass er schnell abbaute. Eines Tages sagte er mir: ‹Roger, mach nicht den gleichen Fehler wie ich. Arbeite so lange wie möglich.› Ich bin froh, dass ich seinen Ratschlag befolgt habe.»

Dem war nicht immer so. Denn schon von Kindesbeinen an ist Roger Schawinski ein Rebell. «In der ersten Klasse habe ich an einem Abend verkündet, dass ich meine Hausaufgaben nicht machen werde.» Doch Abraham weiss, wie er seinen Sprössling zu nehmen hat. «Er sagte: ‹Das musst du auch nicht. Dann wirst du später eben Müllmann. Das ist ein ehrenvoller Beruf.› Vor dem Zubettgehen sah er in meinem Zimmer noch Licht. Er trat ein, sah mich an meinen Hausaufgaben sitzen und schaute mich fragend an. Ich murmelte nur: ‹Ich will nicht Müllmann werden.›»

Nicht immer funktioniert die Taktik. Als Roger 1958 ins Gymnasium kommt, aber statt zu pauken, lieber die Fussball-WM in Schweden im TV verfolgt, übt sein Vater trotzdem keinen Druck aus. Mit dem Resultat, dass Roger hochkant vom Gymi fliegt. «Mein Vater war deswegen aber nicht wütend. Er zuckte nur mit den Achseln und sagte: ‹Das ist der Beweis, dass du eben noch nicht reif fürs Gymnasium warst.›»

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg

Stattdessen absolviert Roger die Handelsschule an der Kantonsschule Enge. Als er 21 ist, weist ihn seine damalige Freundin darauf hin, dass sie in einem Jahr ihre Matura haben werde. Einem Gedankenblitz folgend, antwortet Schawinski: «Wenn du das machst, dann mache ich das zur gleichen Zeit auch.» Er bewirbt sich bei der Hochschule St. Gallen («weil ich es nur dort in der gewünschten Zeit schaffen konnte»), wird angenommen und stellt sogleich einen Lehrplan auf, an den er sich eisern hält. «Das Ergebnis war, dass ich nicht nur die Matura bestand, sondern sogar als Bester meines Jahrgangs abschloss.» Für Schawinski ein einschneidendes Erlebnis, das seine Lebenseinstellung veränderte. «Es hat mir gezeigt, dass man auch schier Unmögliches erreichen kann, wenn man es nur richtig will.» Von nun an verläuft seine Karriere beinahe Schlag auf Schlag. Nach dem Wirtschaftsstudium an der Uni St. Gallen reist er in die USA, um an der Universität von Mount Pleasant, Michigan, seinen MBA zu machen. Anschliessend kehrt er in die Schweiz zurück, promoviert 1973 an der Uni St. Gallen, entscheidet sich jedoch gegen die Wirtschaft und konzentriert sich stattdessen auf seine journalistische Tätigkeit, die er 1972 beim Schweizer Fernsehen begonnen hatte.

Erneut ist es eine Eingebung, die sein Leben verändert, nämlich die Idee, ein Konsumentenmagazin zu gründen: den «Kassensturz». 1974 wird die Sendung erstmals ausgestrahlt und entwickelt sich zum Dauerbrenner, auf den Schawinski heute noch stolz ist: «Die Sendung hat sich nicht nur über 40 Jahre gehalten, sondern ist nach ‹Tagesschau› und ‹10 vor 10› die beliebteste im Schweizer Fernsehen.» 1977 wechselt er als Chefredaktor zur Migros-Zeitung «Tat», wird dort aber ein knappes Jahr später fristlos entlassen.

1979 entsteht in einem rebellischen Akt – und einem Geistesblitz folgend – schliesslich Schawinskis wohl berühmtestes Werk. Er hebt mit Radio 24 das erste Schweizer Privatradio aus der Taufe und trotzt den Behörden, ihm die Konzession verweigern, indem er aus Italien vom Pizzo Groppera senden lässt. 1994 folgt mit TeleZüri der erste lokale, 1998 mit Tele  24 der erste nationale Privat-TV-Sender. Der Radiopirat ist selbst zum Unternehmer geworden. «Ohne jedoch meine Ideale zu verraten. Ich setze mich immer noch für den kleinen Mann und gegen die Benachteiligung von Minderheiten ein», betont Schawinski.

Rekordgewinn bei Sat 1

Nachdem er 2001 sowohl Radio 24 wie Tele 24 an Tamedia verkauft hat, wird Schawinski 2003 zum Geschäftsführer des deutschen Privat­senders Sat 1 ernannt. Als er diesen drei Jahre später verlässt, ist die Zuschauerquote zwar leicht gesunken, dafür konnte ein Rekordgewinn von 204 Millionen Euro erzielt werden.

Bei seiner Rückkehr in die Schweiz 2007 wendet sich Schawinski wieder seiner langjährigen Liebe, dem Radio, zu. Er kauft Radio Tropic und verwandelt dieses in Radio 1, das im März 2008 erstmals auf Sendung geht. 2011 kehrt er, der einst auszog, «das Monopol der SRG zu brechen», zum Schweizer Fernsehen zurück, um die Moderation der Talksendung «Schawinski» zu übernehmen. Drei Jahre später geht mit Radio 105 (heute Planet 105) ein weiterer Sender in seinen Besitz über.

In all den Jahren hat sich Schawinski zum wohl meistpolarisierenden Medienschaffenden der Schweiz entwickelt. Die einen schätzen seine forsche Art, den Mächtigen auf die Füsse zu treten, die anderen sehen in ihm eine Person, die Kritik selbst nur schwer ertragen kann. «Trotz allem denke ich nie darüber nach, was ich heute anders machen würde. Ohne gewisse vermeintliche Fehler hätte ich vielleicht andere Dinge nicht erreicht. Und ich habe mehr erreicht, als ich mir je erhofft habe.» Durchaus möglich, dass noch einiges dazukommt, obwohl gegenwärtig Schawinski nicht an einem neuen Grossprojekt brütet. Aber wer weiss, ob ihn nicht in den nächsten Tagen wieder ein Geistesblitz befällt.

Weiteres zum Leben von Roger Schawinski finden Sie in seiner Biografie «Wer bin ich?», Verlag Kein & Aber, www.keinundaber.ch

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