mobile Navigation

Porträt

Spass und Spielfreude sind sein Schlüssel zum Erfolg

Von: Ginger Hebel

25. März 2014

Michel Gammenthaler ist mit seinem 5. Soloprogramm «Scharlatan» auf grosser Schweizer Tournee. Der zaubernde Kabarettist beherrscht die Balance zwischen Künstler- und Familienleben.

Entspannt sitzt Michel Gammenthaler im Café. In wenigen Stunden wird er in Luzern auf der Theaterbühne stehen und sein brandneues Soloprogramm «Scharlatan» zum Besten geben. Zwei Jahre hat er sich darauf vorbereitet. Durchgeplant bis ins letzte Detail ist sein Programm aber nicht, denn er bezieht das Publikum stark mit ein, somit entsteht bei jedem Auftritt eine Eigen­dynamik, und kein Abend verläuft gleich. «Das ist der Grund, warum ich das Kleintheater mit seiner intimen Atmosphäre so mag. Wenn jemand aus dem Publikum etwas hineinruft, dann hören es alle im Saal, es passiert viel Spontanes.» Das ideale Publikum ist für ihn eines, das sich mitreissen lässt. «Wenn es ein Hin und Her gibt, Energien fliessen, dann beflügelt mich das.» Beim letzten Auftritt hat er für einen Trick ein Paar auf die Bühne geholt. Als er fragte, ob sie auch wirklich eines seien, nickte er und sie schüttelte den Kopf. «Alle Zuschauer haben gelacht. Diese Art von Situationskomik lässt sich nicht planen, sie macht den Reiz aus.»

Lampenfieber kennt er nicht. Er hat aufgehört, nervös zu sein. «Der britische Zauberer Paul Daniels hat es einmal gut gesagt: ‹Die Leute zahlen, damit sie mich auf der Bühne sehen, sie freuen sich darauf, also wäre es absurd, nervös zu sein.› So sehe ich das auch.»

In seinem neusten Soloprogramm greift Michel Gammenthaler Themen auf, die ihn persönlich interessieren: Scharlatanerie und Geistergeschichten; Parallelwelten faszinieren ihn. Er täuscht das Publikum mit Zaubertricks und spielt ihm falsche Tatsachen vor. Er schummelt beim Pokern, ohne die Karten zu berühren, und liest Gedanken, ohne übersinnliche Fähigkeiten zu besitzen. «Ich kann ja auch nicht hexen», sagt Gammenthaler und lacht schelmisch. «Ich werde erklären, was alles unmöglich ist, um es dann doch zu machen. Mein Programm ist aber kein Esoterik-Bashing», betont er. Er will sein Wissen mit dem Publikum teilen und zeigen, mit welchen simplen Tricks und verbalen Fähig­keiten man leichtgläubige Menschen über den Tisch ziehen kann. «Ich finde Neinsager genauso nervig wie Hardcore-Esoteriker. Man sollte sich gegenseitig seine Realität erklären, denn alle haben eine andere.» Das Soloprogramm ist mittlerweile sein fünftes, aber das erste, in dem er auf der Bühne er selbst ist. Bei seinen früheren Produktionen verwandelte er sich in verschiedene Figuren – in eine alte Frau, einen Professor, einen Betrunkenen – jetzt nicht mehr, «das ist wie eine Befreiung».

«Unser Haus ist von mir erzaubert»

Michel Gammenthaler wuchs als Einzelkind in Zürich auf. Als 7-Jähriger entdeckte er den Zauberkasten seiner Cousine. «Das war der Moment, wo ich wusste, dass ich Zau­berer werden will», erzählt der 41-Jährige. Auf Wunsch seiner Eltern absolvierte er eine KV-Lehre in einem Reisebüro, später jobbte er als Barkeeper. So lang, bis er sich am Tresen mit einem Geschäftsmann unterhielt, der ihm vorklönte, in seinem Leben nicht das zu machen, was ihn wirklich glücklich mache. «Da wurde mir klar, dass ich keinen Deut besser bin. Ich wollte nicht hinter der Bar stehen, sondern auf der Bühne.» Noch am selben Tag kündigte er den Job.

Seit 1998 steht der 1,94-Meter-Hüne auf der Bühne. Zu Beginn seiner Karriere tingelte er mit seinem Bühnenpartner von Kleintheater zu Kleintheater, bis eines Abends eine Frau im Publikum sass, die seinem Wortwitz und seinem Bühnenzauber auf einen Schlag erlag. Caro wollte ihn, und sie kämpfte um ihn. Seit 14 Jahren sind sie nun verheiratet. «Bis etwa 28 war ich felsenfest überzeugt, dass ich keine eigene Familie haben würde, dass ich nicht der Typ dafür sei, aber es muss eben klick machen, dann sieht man es plötzlich anders», sagt Michel Gammenthaler. Mit den Söhnen Yann (13) und Lio (8) leben sie in einem selbst entworfenen Betonhaus im Kanton Aargau, umgeben von Wiesen und Wäldern. «Das Haus ist von mir erzaubert, wenn man so will.»

Seit 2002 tourt der mehrfach ausgezeichnete Kleinkünstler solo durch die Schweiz, vermischt in seinen Programmen auf gelungene Weise Magie mit Kabarett und Schauspielerei. Von seiner Kunst kann er gut leben. Er kümmert sich um die Regie, die Plakatentwürfe, und wenn er krank ist, tritt er trotzdem auf, noch nie hat er einen Auftritt abgesagt. Seine Frau hält ihm den Rücken frei. «Die Familie gibt mir einen Grund, den Drive zu behalten. Das eine funktioniert nicht ohne das andere.» Kürzlich meinte einer seiner Freunde: Das ist das beste Kunststück von dir: die Balance zwischen Künstler- und Familienleben.

Tagsüber verbringt er Zeit mit der Familie, abends steht Gammenthaler auf der Bühne. Einen neuen Tag beginnt er gemächlich. «Ich rutsche gern in den Tag hinein.» Mittags kommen die Buben von der Schule heim. «Das gemeinsame Mittagessen ist uns heilig, in dieser Beziehung sind wir sehr klassisch.» Er steht auch gern selber am Herd. Am Sonntag will er für seine Familie eine Paella auf die Teller zaubern.

Nachmittags fährt er ins Theater und geht in seiner Garderobe noch einmal neuralgische Textstellen durch, schreibt Facebooknachrichten und aktualisiert den Blog auf seiner Website. «Selbstmarketing ist heute viel wichtiger als früher. Man muss schauen, dass geschaut wird.»

 «Heute sind die Leute unverbindlich»

Spass und Spielfreude sind der Schlüssel zum Erfolg, ist Michel Gammenthaler überzeugt. «Die Leute sind heute viel unverbindlicher. Sie entscheiden spontan, was sie unternehmen wollen. Theater, Kino, Musical, alles ist Konkurrenz. Darum ist es entscheidend, dass man als Künstler Freude hat an dem, was man tut.» Wenn seine Söhne eines Tages in seine Fussstapfen treten wollen, würde er sie dazu ermuntern. Aktuell findet sein Teenagersohn aber nicht Magie, sondern Fussball toll. «Das hat er definitiv nicht von mir, aber ich finde es gut. Wenn jemand eine Leidenschaft hat, dann ist er ein beschenkter Mensch.» Nach den Auftritten fährt Michel Gammenthaler wenn immer möglich nach Hause zu seiner Familie.

Energie tankt er in der Natur. Mit seinem Sohn unternimmt er gern abendliche Spaziergänge ohne Taschenlampe im Wald. «Die letzten Vollmondnächte waren magisch.» Sonntags schaltet er konsequent Computer und Smartphone aus und widmet sich ganz der Familie. «Für mich gibt es nichts Schöneres, als wenn man versucht, den Moment bewusst zu genies­sen, das Hier und Jetzt. Diesen Flow-Zustand strebe ich an.»

Michel Gammenthaler tritt mit seinem Soloprogramm «Scharlatan» vom 2. bis 4. April im Zürcher Kaufleuten auf. Danach tourt er weiter durch die Schweiz.

www.michel-gammenthaler.ch

zurück zu Porträt

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare