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Porträt

Das Baur au Lac ist eines der ältesten 5-Stern-Hotels weltweit, das sich noch im Besitz der Gründerfamilie befindet. Bilder: PD

Sternstunden eines Luxushotels

Von: Isabella Seemann

26. März 2019

Als der Voralberger Bäcker Johannes Baur vor 175 Jahren am sumpfigen Ufer des Zürichsees das Baur au Lac eröffnete, hielten ihn seine Zeitgenossen für verrückt. Doch bald wurde es zur weltbekannten Herberge von Kaiserinnen, Königen und Präsidenten.

Keine andere Schweizer Stadt hat sich im 19. Jahrhundert so vergrössert und verschönert wie Zürich. Wo bis in die 1830er-Jahre noch Schanzen und Sümpfe, düstere Wälle und Wehrtürme die mittelalterliche Stadt begrenzten, erhoben sich in Kürze elegante Gebäude, entstanden prächtige Promenaden, erblühte der Handel. Der liberale Aufbruch hatte den Weg freigemacht zum Aufbau einer modernen Stadt und zur Verkehrsanbindung an das Umland. Eine stürmische Entwicklung mit reger Bautätigkeit setzte ein. Allein im Sommer 1836 zählte man über 500 neu begonnene Privatbauten. Die Obrigkeit beeilte sich, den Verkehr durch die Errichtung der Münsterbrücke zum geplanten grandiosen Postgebäude beim Paradeplatz zu erleichtern und zu fördern. Visionäre sahen bereits einen Boulevard (heutige Bahnhofstrasse) anstelle des Fröschengrabens, der die neue Grossstadt repräsentieren sollte. Zu den Entrepreneuren ­jener Tage gehörte auch der Bäckergeselle Johannes Baur. Als 25-Jähriger war er 1820 aus dem österreichischen Vorarlberg nach Zürich eingewandert, heiratete die hübsche Anna Knechtli aus Hottingen und wurde mit seinen Brötchen bald so erfolgreich, dass er an der Marktgasse, gleich ge­gen­über einem kleinen Zuckerbäcker namens Sprüngli, die Wirtschaft «Zum Kirschbaum» eröffnen konnte. 

Das Hotel Baur au Lac war geplant als Sommer-Dépendance des Baur en Ville am Paradeplatz und stand ausserhalb der Stadt, direkt am Seeufer ( Bild um 1850). 30 Jahre später wurden dort die Quaianlagen (heute General-Guisan-Quai) aufgeschüttet.

Die Eisenbahn förderte die Mobilität und neue Formen von Tourismus. Das Gasthaus sollte nicht mehr bloss eine Postkutschenstation zur Übernachtung sein, ahnte Johannes Baur, sondern ein Ort, an dem man verweilt. 

Mit grossem Baugeist begabt, fasste er den Plan, im zukünftigen Stadtzentrum, der Post gegenüber, ein grandioses Hotel zu bauen, welches ihm zur Ehre und der Stadt zur Zierde gereichen sollte. 

An Weihnachten 1838 eröffnete Johannes Baur sein Baur en Ville (das ab 1910 Savoy Baur en Ville hiess). Allein der Speiseaufzug bis hinauf zum Dach galt als technische Sensation und Ausdruck nicht gekannten Luxus. Der Ruf des Hauses verbreitete sich über alle Meere und lockte Herrschaften aus der ganzen Welt an, wie die von der Stadtpolizei geführte und im «Tagblatt der Stadt Zürich» publizierte Fremdenliste zeigte. 

Von der Fluss- zur Seestadt 

Doch in noch weit höherem Masse bewies Johannes Baur seinen Pioniergeist, als er sich nur kurz darauf zum Ankauf eines nur einen Katzensprung von diesem entfernt liegenden Stück Lands entschloss, mit herrlichster Aussicht auf den See und die schneebedeckten Alpen, die umlie­genden Rebhügel, Wiesen und Dörfer. Direkt am Ufer, das zu jener Zeit ausserhalb der Stadt lag, errichtete er 1844 eine im Stil eines italienischen Palastes gebaute Sommer-Dépendance, das er zur Unterscheidung von seinem Stadthotel Baur au Lac nannte. Die Kosten waren kolossal. Seine Zeitgenossen hielten Baur für verrückt. Doch das neue Hotel trieb sogar die städtebau­liche Entwicklung voran: Zürich entwickelt sich von der Fluss- zur Seestadt. 

Der Erfolg lässt nicht auf sich warten. Reiseberichterstatter und der berühmte Baedeker-Reiseführer empfehlen das Haus für Gäste mit allerhöchsten Ansprüchen. Baurs erster berühmter Gast war Franz Liszt, der für ein Konzert nach Zürich gekommen war, zum Stammgast wurde und 1856 im Salon am Klavier seinen Schwiegersohn Richard Wagner begleitete, der den ersten Akt der «Walküre» sang, quasi als Welturaufführung. 

Um 1900: Unter dem gläsernen Dach der Hotelhalle trafen sich Könige, Kaiser und Künstler. 

1852 übertrug Johannes Baur die Leitung des Baur au Lac seinem erst 25-jährigen Sohn Theodor, der sich dieser Herausforderung mit Verve stellte und die Schweizer Hotelkultur, auch durch die Mitgründung der Hotelfachschule in Lausanne, massgeblich prägte. Als technischer Vorreiter nahm er eines der ersten Hotel-Telegrammbüros in Betrieb und installierte elektrisches Licht und einen hydraulischen Aufzug. 

In kürzester Zeit war der überragende Ruf des Baur au Lac auch an die europäischen Fürstenhöfe gelangt, und schon bald liess die russische Zarin ihre Ankunft melden. 1862 und 1863 weilte König Ludwig I. von Bayern im Baur au Lac. Unter dem Pseudonym Gräfin von Hohen­ems reiste die österreichische Kaiserin Elisabeth, genannt Sisi, mit zwei Prinzen und einer Entourage von 60 Personen an. 

Historische Weltkulisse bot das Baur au Lac 1859 für die Verhandlungen zwischen Frankreich und Österreich, welche im sogenannten Zürcher Frieden die Einheit Italiens besiegelten. In diesem Jahr wurden Vater und Sohn Baur zu Ehrenbürgern der Stadt Zürich ernannt. 

Von Baur zu Kracht 

1889 wechselte der Name der Besitzerfamilie von Baur zu Kracht: Emma Baur, die Enkelin des Gründers, heiratete den Hotelier Carl Kracht. Wohlwissend, dass aus der Tradition allein der erfolgreiche Fortbestand des Hauses nicht gewährleistet werden konnte, führte er zahlreiche Neuerungen ein und zog auch die Stadtzürcher als Kundschaft heran. So führte er einen Grill Room und eine American Bar ein und eröffnete 1902 an der Börsenstrasse 27 La Bonne Ménagère, einen Hauslieferdienst, aus dem sich der exklusive Weinhandel Baur au Lac Vins entwickelte. Mit zur Geschichte des Hauses gehören auch die intensiven Gespräche in der Lobby, die damals allerdings noch nicht so hiess, zwischen Bertha von Sutter und Alfred Nobel. Am Ende hatte die pazifistische ­Sekretärin des Dynamiterfinders dessen Zusage erreicht, den Friedensnobelpreis zu schaffen. 

Aufsehenerregend war der Besuch von Kaiser Wilhelm dem II. von Deutschland. Die Sicherheitskräfte waren auf alles gefasst, doch die befürchteten deutschfeindlichen Ausschreitungen blieben aus. Thomas Mann kehrte nach seinen Flitterwochen zeitlebens immer wieder an denselben Tisch zum Schreiben zurück, Marc Chagall und Joan Miró lieferten sich in der Hotelhalle lautstarke Wortgefechte, wer von ­ihnen der bessere Maler sei. 

Liebesgeschichten wie jene zwischen dem Hollywoodstar Paulette Goddard und Schriftsteller Erich Maria Remarque nahmen hier ebenso ihren Anfang wie kleine Malheurs einen guten Ausgang. Etwa beim Besuch von König Faruk I. von Ägypten auf dem hauseigenen Bauernbetrieb Mädikergut auf dem Uetliberg, als in dessen Stall buchstäblich in letzter Sekunde das Namensschild des Stiers ausgewechselt werden konnte. Er hiess ebenfalls Faruk. 

Weltberühmte Musiker, Schriftsteller, Schauspieler, Künstler, Wissenschaftler stiegen im Baur au Lac ab: von Duke Ellington über Arthur Rubinstein bis Alfred Hitchcock – die Reihe liesse sich beliebig fort­setzen. Walt Disney zeichnete das Hotel nach einem Besuch sogar in einem Donald-Duck-Comic. 

Heute führt Herr Andrea Kracht das Baur au Lac in sechster Generation. In einem ewigen Kreislauf der Erneuerung hat die Familie das Hotel auf der Höhe der Zeit gehalten, um den sich wandelnden Ansprüchen der Gäste gerecht zu bleiben. Dies stets im Sinne des Gründers Johannes Baur, dem schon vor 175 Jahren daran lag, das Haus in vorbildlicher Art zu führen und «Hand in Hand damit Zürichs Ruf als Fremdenstadt zu fördern und zu mehren».

 

Gut zu wissen

Das Baur au Lac feierte 2019 sein 175-Jahr-Jubiläum und zählt damit zu den weltweit ältesten 5-Stern-Hotels, die noch im Besitz der Gründerfamilie sind, mittlerweile in sechster Generation. Seit 1990 ist das Baur au Lac in Besitz von Andrea Kracht, seiner Mutter Marguita Kracht und Schwester Gabrielle Feldhahn-Kracht. 2013 übernahm Wilhelm Luxem das Amt des Direktors von Michel Rey, der dem Haus 30 Jahre lang vorstand. Das Haus bietet 119 Zimmer, davon 27 Junior-Suiten und 18 Suiten. Das Baur au Lac beschäftigt 280 Mitarbeiter – so viele wie kein anderes Luxushaus in Zürich. Zum Hotel gehört eine eigene Autowerkstatt mit Tankstelle. Diese entstand aus der Kutschen-Remise, nachdem die ersten Gäste mit Automobilen anreisten. Zum 175-Jahr-Jubiläum finden das ganze Jahr hindurch öffentliche Veranstaltungen statt. 

Weitere Informationen: www.bauraulac.ch

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