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Porträt

"Stupsis Tod war ein grosser Verlust"

Von: Andy Fischer

13. Januar 2014

Die Zürcher Schauspielerin Margrit Rainer würde am 9. Februar 100 Jahre alt. Weggefährten mit Erinnerungen – und ein Theater mit einer Hommage an die grosse Zürcherin.

Jörg Schneider (78), Schauspieler: «Es überrascht mich sehr, dass Stupsi, so haben wir Margrit Rainer genannt, bereits 100 Jahre alt würde. Ich erinnere mich, wie wenn es gestern gewesen wäre, an eine liebe Kollegin mit einer einmaligen Stimme, die ich nie vergessen werde. Ihr Gesang ging direkt ans Herz. Er war warm und lieb, heiter und fröhlich. Auch melancholisch. Darum ertrage ich es nur schlecht, wenn ich andere Schauspielerinnen typische Margrit-Rainer-Lieder singen höre.

Ob sie die beste Schweizer Schauspielerin aller Zeiten war, kann ich nicht sagen. Schauspieler kann man ja nicht messen wie Sportler – aber ich würde schon sagen, dass sie die grösste Volksschauspielern der Schweiz war.

Ich stand bestimmt 300-mal mit ihr auf der Bühne. Natürlich trat ich mit ihr in der ‹Kleinen Niederdorfoper› auf – aber sie spielte auch oft in meinen Kindermusicals. Die Frau Waas zum Beispiel in ‹Jim Knopf› spielte sie einfach grossartig. Rein charakterlich zeichnete sie ihre unglaubliche Herzlichkeit aus. Sie war privat wie auf der Bühne einfach liebenswürdig. War immer für alle da, hat sich um ihre Kollegen gesorgt. Margrit war nicht nur auf der Bühne der typische Muttertyp. Obwohl sie ja keine eigenen Kinder hatte. Stupsi war damals ein absoluter Star. Ein Star ganz ohne Allüren allerdings. Sie war zu allen gleich freundlich – auch zu den totalen Anfängern. Margrit versuchte immer, alle sofort ins Ensemble zu integrieren.

An den 10. Februar 1982 erinnere ich mich noch gut. Wir spielten gerade ein Kindermusical im Opernhaus. Nach der letzten Vorstellung sagte Margrit, sie müsse ins Spital für eine kleine Operation. Sie kam dann nie mehr zurück. Stupsis Tod traf mich sehr, es war ein ganz grosser, schmerzhafter Verlust.»

Elisabeth Schnell (83), Schauspielerin und Radiolegende: «Wenn ich an Margrit Rainer denke, dann hör ich ihre wunderbar warme Stimme, mit der sie in all ihren Rollen einen immer wieder zu berühren vermochte. ‹Ja, d  Liebi macht eim riich› zum Beispiel, mit diesem Lied aus dem Singspiel ‹Hochsig in Hägglinge› von Max Rüeger und Hans Möckel, sang sie sich einmal mehr in die Herzen der Zuschauer.

Beim legendären Cabaret Cornichon sass sie erst an der Kasse, bevor man, ziemlich schnell, ihre Begabung für die Bühne entdeckte. Leider bin ich nie mit ihr auf der Bühne gestanden, durfte aber während meiner Radiozeit einige Interviews und Sendungen mit ihr machen, und auch dabei hat mich ihre echte Herzlichkeit beeindruckt. Keinen ihrer Auftritte in diesen Jahren habe ich verpasst, ‹Eusi chli Stadt› (von Wollenberger/Möckel) oder ‹Bibi Balu›, bei dem ich ihren jubelnden Ausruf ‹Eifach herzig!› nie vergessen werde. Eine urkomische Szene mit Ruedi Walter, der einen eher missmutig wohltätigen Pfadi mimte. Und wo die beiden einmal mehr bewiesen, wie wunderbar sie sich während langer Zeit auf der Bühne und im Leben ergänzten. Auch als Serviertochter Irmeli in der ‹Kleinen Niederdorfoper› oder als Köchin im ‹Schwarzen Hecht› von Paul Burkhard liess sie die ganze Skala ihrer Stimme vom leisesten bis zum jubelnd lauten Ton erklingen. Die Jodeleinlagen – Jodeln hatte sie noch bei den alten ‹Singvreneli› gelernt – waren ein weiteres Talent, das für Staunen beim Publikum sorgte. Und eben, so echt und warmherzig, wie sie auf der Bühne war, war sie auch privat. Eine hilfsbereite, liebenswürdige Kollegin, die mit viel Humor und träfen Worten Situationen hinter und auf der Bühne kommentieren konnte, so lautet das einmütige Urteil aller Kolleginnen und Kollegen – doch eher eine Seltenheit in diesen Kreisen . . .

Übrigens erklärte mir Stupsi, wie Margrit allgemein liebevoll genannt wurde, ihren Über­namen einmal so: ‹Weisch, ich ha halt scho immer echli e grossi, stupsigi Nase gha›, und dazu lachte sie ihr herzhaftes Lachen. So erinnere ich mich immer noch gern an die grosse Volksschauspielerin und freue mich sehr, dass Stupsi in Oerlikon im Jahr 1996 eine eigene kleine Strasse bekommen hat. Übrigens ganz in der Nähe der Ruedi-Walter-Strasse!»

Christian Jott Jenny (33), Tenor und Schauspieler: «Eine Stimme, die mich schon als Kind zum Weinen gebracht hat, ist die Stimme von Margrit Rainer. Dies nicht durch ihre Strahlkraft oder Vollkommenheit, sondern durch ihre ehrliche Einfachheit. Max Rüeger erwähnte richtigerweise einmal, dass die Stupsi immer etwas ‹daneben› lag. Genau dieses imperfekte Daneben ist es, was die Frau und ihre Stimme derart unsterblich macht. Es gab nur noch eine Opernsängerin, die sich eigentlich als singende Schauspielerin sah, die ein ähnliches Phänomen an den Tag legte: Maria Callas.

Im neuen Stück ‹Euse Rainer chönnt das au› – würdigen wir Margrit Rainer, lassen all ihre Lieder und Hits nochmals erklingen und schauen mit viel Selbstironie und Ehrfurcht zurück auf ihr Wirken. Eine längst fällige Hommage an eine Ikone, die bestimmt in Hollywood gelandet wäre: wenn sie nicht Zürcherin gewesen wäre . . .»

«Euse Rainer chönnt das au!» – Hommage an Margrit Rainer zum 100. Ab 6. Februar im Theater Rigiblick. Tickets: www.theater-rigiblick.ch oder
Tel. 044 361 83 38.

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