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Porträt

Zürcher Hotelier in Jordanien: Stefan Keel führt das Mövenpick Resort&Residences in Aqaba.

Vom Koch im Landgasthof zum Manager im Orient

Von: Ginger Hebel

29. April 2014

Der Zürcher Hotelier Stefan Keel führt das Mövenpick Resort&Residences in Aqaba. Dem «Tagblatt der Stadt Zürich» erzählt er, wie es sich in Jordanien lebt und arbeitet.

Hotelmanager Stefan Keel sass gerade beim Coiffeur und liess sich die Haare stutzen, als draussen in seiner Anlage eine Palme brannte. Nebenan hatten Einheimische gefeiert und ein Feuerchen entfacht, das auf die Hotelpalme übergriff. Bewaffnet mit Wasserschlauch und Feuerlöscher, rannte er höchstpersönlich los, gefolgt von seinen Angestellten. «Die Vorbildfunktion gilt nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Jordanien. Es ist wichtig, dass man auch als Chef mit anpackt und es den ­Angestellten vormacht.»

Der Zürcher führt seit 1½ Jahren das Fünfsternhotel Mövenpick Resort & Residences in Aqaba mit 335 Angestellten. 8 davon stammen von den Philippinen, alle anderen sind Einheimische, auch die Küchencrew. «Die Jordanier sind sehr diszipliniert und qualitätsbewusst.» Stefan Keel ist der einzige Schweizer im Haus und einer der wenigen in Jordanien, ein Fremder, doch mit den Einheimischen kann er es gut. «Ich habe es einfach, ich bin ein Mann, und ich spreche etwas Arabisch.» Strassenarabisch, wie er es nennt, denn das ägyptische Arabisch unterscheidet sich stark vom jordanischen Hocharabisch, das gepflegter ist von der Wortwahl her. Nie würde er sich deshalb anmassen, mit seinen Angestellten Arabisch zu sprechen. «Meines wird hier eher belächelt, darum lasse ich es.» Seit bald sieben Jahren lebt und arbeitet er im Mittleren Osten. Er hat sich den örtlichen Gepflogenheiten angepasst und zeigt sich tolerant, wenn seine Angestellten nicht mit gewohnter Schweizer Pünktlichkeit zur Arbeit erscheinen. «Wenn man ihnen sagt, sie sollen um acht kommen, antworten sie Ihnen ‹Inshallah› (so Gott will). Vielleicht kommen sie auch erst um 9.»

Nach seiner Kochlehre in einem Zürcher Landgasthof wusste er, dass er nicht bis zur Pensionierung hinterm Herd stehen wollte, obschon ihn seine Mutter als Koch auf einem Kreuzfahrtschiff gesehen hätte, am liebsten auf dem «Traumschiff». Er hängte eine Zusatzlehre als Service-Mitarbeiter an und arbeitete als Chef de Service, um das Geld für die Hotelfachschule Belvoirpark zusammenzusparen. Nach erfolgreichem Abschluss durfte er eines der begehrten Mövenpick Hotel Management Trainings absolvieren.

Seine Karriere begann er als Direktor Food & Beverage. Vor zehn Jahren verschlug es ihn in ein Hotel im ägyptischen Badeort al-Gouna, wo er seine Frau kennen lernte, eine Italienerin mit türkisch-griechischen Wurzeln. «Die meisten Schweizer Hoteldirektoren haben ausländische Frauen. Asiatinnen können sich gut anpassen, auch Frauen aus den Mittelmeerländern fällt es leichter, sich an fremden Orten einzugliedern.» Mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebte er vier Jahre in Kairo, wo es ihnen so gut gefiel, dass sie sich ein Haus kauften und Wurzeln schlugen, «zu viele Wurzeln. Wir bauten uns ein Netz auf, fühlten uns heimisch.» Als sich die Unruhen in Ägypten zuspitzten und man ihnen einen zweiten Panzer vors Haus stellte, verliessen sie das Land und gingen zurück in die Schweiz, aber ein Stück ihrer Herzen liessen sie dort.

Der 42-Jährige packt überall mit an, füllt schon mal die Cornflakes am Frühstücksbuffet auf und isst jeden Mittag mit seinen Angestellten in der Kantine. «Ich versuche nah an den Mitarbeitern zu sein. Das Lohngefälle zwischen Abteilungsleiter und Beachboy ist hier sehr gross, da muss ich schauen, dass ich es ausgleichen kann.» Für seine Angestellten stellt er Busse zur Verfügung, die sie kostenlos vom Wohnort zum Arbeitsort bringen, und organisiert Aktivitäten. «Wir haben einen guten Teamspirit.» Seine Frau unterrichtet an der Universität Fremdsprachen, sein siebenjähriger Sohn Elia besucht die Internationale Schule. Abends isst er mit seiner Familie am liebsten lokale Speisen wie das Fischgericht Sayadija oder Mezze, danach besucht er seine Stammcafés in der Stadt. Er trifft sich mit Agenturen und Reiseveranstaltern und raucht eine Shisha. «In den Cafés mache ich die besten Geschäfte.»

Der Arabische Frühling mit seinen Protesten und Revolutionen wirkt sich auch auf Jordanien aus, der internationale Tourismus ist eingebrochen. «Wir haben rund 50 Prozent ausländische Touristen verloren», sagt Keel. In den letzten zwei Jahren hat er einen grossen Teil seines Umsatzes mit dem Militär verschiedener Länder generiert. Dieses übernachtete in seinem Hotel und nutzte es als Basis für Übungseinsätze in Wadi Rum. «Die Bedingungen dort sind identisch mit den Gegenden in Afghanistan; die Berge, das Licht, der Staub. Seit wenigen Tagen wissen wir, dass sie nicht mehr kommen, da sie Ende Jahr aus Afghanistan rausgehen werden. Dann müssen wir 1,5 Millionen Umsatz auf ­andere Weise machen».

Früher verbrachten die Jordanier ihre Ferien in Syrien und unternahmen Shoppingtrips nach Beirut, doch seit die Grenzen geschlossen sind, machen sie Ferien im eigenen Land. Für den Direktor bedeutet dies eine grosse Umstellung. «Die Art, wie jordanische Gäste sich im Hotel verhalten, ist ungewohnt. Sie gehen anders mit den Materialien um, brauchen eine Tube Duschgel pro Person, die Europäer sind umweltbewusster.» Während Schweizer in den Ferien gerne mit einem Buch auf dem Liegestuhl relaxen, sehnen sich die arabischen Gäste nach Dauerunterhaltung und Bauchtanzshows. «Sie brauchen Animation, denn sie können sich nicht so gut selber beschäftigen», sagt Stefan Keel. Mit Frau und Sohn wohnt er in einem Duplex-Appartement des Hotels mit Blick aufs Rote Meer. Jeden Sommer fliegt die Familie in die Schweiz. Seiner Mutter hat er soeben die Liste durchgegeben, was sie im Garten anpflanzen muss, damit sie etwas zu ernten haben, wenn sie nach Hause kommen. «Ich will, dass meine Kinder nicht nur das Hotelleben kennen, sondern wissen, woher die Milch kommt.»

Mehrere Hochzeiten pro Monat

Mindestens zweimal pro Monat ist er bei einem seiner Angestellten zur Hochzeit eingeladen. Im konservativen und vom nahen Saudiarabien geprägten Aqaba werden sie getrennt gefeiert, in Männer- und Frauenzelten. In seinem Hotel gehen meistens Frauenhochzeiten über die Bühne, dann sind nur weibliche Mitarbeiterinnen geduldet. «Die Männer warten vor dem Hotel auf ihre Frauen, da sie abends nicht allein auf die Strasse gehen dürfen.» Aufgetischt wird das Nationalgericht Mansaf mit allem, was das Lamm hergibt.

Vor einigen Wochen hat es Stefan Keel zum ersten Mal ins Tote Meer geschafft. Der Samstag gehört meistens der Familie, dann packt er den Grill in den Jeep und fährt nach Wadi Rum. Die unberührte Wüstenlandschaft mit ihren imposanten Felswänden aus Sandstein und Granit raubt ihm jedes Mal aufs Neue den Atem. Sie besuchen beduinische Freunde, denn ein Freund in Jordanien ist ein Freund für immer. Die Familie fühlt sich wohl in Jordanien und sicher, doch in einem Jahr soll die Reise weitergehen. «Eine weitere Station im arabischen Raum fände ich interessant. Aber ich würde auch die asiatische Hotellerie gerne näher kennen lernen. Mal ­sehen, was sich ergibt.»

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