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Porträt

Christian Schmidt vor dem Denkmal seines Urahnen Conrad Gessner. Bild: Sacha Beuth

Wandeln in den Fussstapfen des berühmten Urahnen

Von: Sacha Beuth

08. März 2016

Als Zoologe und ehemaliger Direktor des Frankfurter Zoos kann der Zürcher Christian Schmidt (73) auf ein bewegtes Leben zurückblicken. In diesem finden sich zudem einige interessante Parallelen zum bekannten Naturforscher Conrad Gessner, dessen 500. Geburtstag dieser Tage gefeiert wird – und der ein Ahne von Schmidt ist.

Der lange Bart, die Nase, die Wangen, der würdevolle, irgendwie erhabene Blick – die Ähnlichkeit zwischen Christian Schmidt und Conrad Gessner, der als Büste auf der Terrasse des Alten Botanischen Gartens thront, ist nicht von der Hand zu weisen. Kein Wunder, denn der 73-jährige Zoologe ist, das haben familieninterne Nachforschungen ergeben, ein Nachfahre des berühmten Naturforschers aus dem späten Mittelalter. Und wie es der Zufall will, besitzen die beiden Zürcher auch noch das gleiche (tierische) Sternzeichen: Fische. «Allerdings gibt es auch ein paar deutliche Unterschiede. Gessner interessierten Pflanzen mindestens ebenso wie Tiere, während ich mich mit Botanik nur befasste, weil ich es von meiner Ausbildung her musste», lacht Schmidt.

Die Fauna hat es Schmidt schon von Kindesbeinen angetan. Am 25. Februar 1943 in Zürich geboren, wächst er mitten in der Stadt auf und verbringt praktisch jedes Wochenende im Zoo. Mit 13 wandelt er erstmals in Gessners Stapfen. Als Ferienaushilfe arbeitet Schmidt in einer Tierhandlung beim Central und entdeckt eine neue Fischart, den Blauen Neonsalmler, muss die wissenschaftliche Beschreibung von Hyphessobrycon simulans jedoch einem französischen Gelehrten überlassen. Drei Jahre später ist er endlich alt genug, um als Volontär im Zoo Zürich arbeiten zu dürfen. In seiner Jugendzeit hält Schmidt zudem in der elterlichen Wohnung eine Boa constrictor, Fische und vor allem Schildkröten. «Obwohl ich eigentlich kein Lieblingstier habe, so sind mir Schildkröten doch irgendwie besonders nahe. Wenn Sie einmal einen Weg eingeschlagen haben, dann ziehen sie den durch. Das trifft auch auf mich zu. Weniger wohlmeinende Menschen dürften dies Sturheit nennen.» Seis drum. Schmidts Pfleglinge fühlen sich jedenfalls wohl bei ihm. «Ich züchte die Reptilien nun seit 45 Jahren, und das älteste Exemplar ist 60 Jahre alt.»

Wohnung voller Affen

Nach dem Besuch des Gymnasiums beginnt Schmidt, an der Uni Zürich Zoologie zu studieren, und wird zugleich wissenschaftlicher Assistent von Heini Hediger, damals Zoodirektor und Professor an der Uni. Mit seiner späteren Frau Annemarie, die ebenfalls als Zoovolontärin arbeitete und die Christian Schmidt so kennen lernte, zieht er eine Vielzahl verwaister Zootierbabys auf. Den Anfang macht Jungfernkranich Aschim, dem Feldhase Babette und dann zahlreiche Primaten wie Siamang-Gibbon Chandra, Wollaffe Didi, die Gorillas Donga, Polepole und Rafiki und natürlich der weit über die Landesgrenzen bekannte Orang-Utan Sirih folgen. Zugleich wird die Familie Schmidt um zwei Söhne und eine Tochter erweitert. «In unserer Wohnung ging es zeitweise zu und her wie im Dschungel, vor allem wenn die menschlichen Kinder glaubten, sie müssten ihre tierischen Kameraden nachahmen.»

Schmidt steigt im Zoo Zürich die Karriereleiter immer weiter nach oben. Er wird vom Assistenten zum Kurator für Säugetiere und Vögel und später zusätzlich zum stellvertretenden Direktor befördert und gründet mit Kollegen die Europäischen Erhaltungszuchtprogramme. Er übernimmt die Führung des internationalen Zuchtbuchs für das Vikunja (eine Kleinkamelart) und zweimal als Ferienvertretung den Direktionsposten im Zoo Heidelberg. («Eine gute Erfahrung, gerade auch für manuelle Tätigkeiten. Ich fuhr dort unter anderem den Heutraktor und bediente den Mistkran.») Auch im Zoo Zürich muss Schmidt immer wieder selbst Hand anlegen. «Einmal erhielten wir aus Neuseeland Kea-Papageien, die damals als Rarität galten. Kurz nach ihrer Ankunft entwichen die Vögel durch ein Loch aus ihrer Voliere, welches ein mitbewohnender Kakadu geknabbert hatte. Durch einen anderen Kea gelang es uns, die Flüchtlinge wieder in die Voliere zu locken. Um ein erneutes Ausbrechen während der Reparatur zu verhindern, musste ich mich dann auf das Loch legen», erinnert sich Schmidt lachend. All die genannten Tätigkeiten haben zur Folge, dass seine Doktorarbeit «etwas ins Hintertreffen gerät» und er erst 1976 promoviert.

Gessners Vogel

1994 findet sich im Waldrapp, einem Ibisvogel, wiederum ein gemeinsamer Nenner mit Gessner. «Zusammen mit der Schweizer Forscherin Esther Signer arbeitete ich damals an einem Forschungsprojekt, in dem die Paarbeziehungen dieser Vögel analysiert wurden. Die gleichen Vögel, über die Gessner seinerzeit die erste ornithologische Beschreibung lieferte.»

Zwei Jahre zuvor stellt Schmidt die Weichen für einen weiteren Schritt in seiner Zookarriere. Er bewirbt sich für die Stelle als Direktor im durch Bernhard Grzimek berühmt gewordenen Frankfurter Zoo. Die Kulturdezernentin der Mainmetropole ernennt erst einen anderen Bewerber, doch als die Belegschaft des Tiergartens davon erfährt und deswegen meutert, wird Schmidt nochmals angefragt und schliesslich 1994 als Direktor eingesetzt.

Dunkle Zeiten

Es gelingt dem Zürcher in der Folge, den Zoo, in dem jahrzehntelang keine neuen Anlagen mehr gebaut worden waren, wieder auf Vordermann zu bringen und in einen zeitgemässen Tiergarten umzuwandeln. «Allerdings ist der Zoo Frankfurt ganz anders organisiert als der Zoo Zürich. Ich tat mich von Anfang an schwer mit der schwerfälligen Struktur und der enormen Bürokratie der Frankfurter Ämter und Behörden», erzählt Schmidt. Dort, aber auch unter Zooangestellten beginnen Intrigen gegen den Zürcher.

Als 2007 durch ein Missgeschick des Zooveterinärs zwei Schildkröten verenden, wird Schmidt dafür verantwortlich gemacht und ein Jahr vor seiner Pensionierung vom neuen Kulturdezernenten freigestellt. Schmidt überlegt, den Rechtsweg einzuschlagen, und nimmt sich einen Anwalt, worauf der Kulturdezernent Schmidt verspricht, ihm weiterhin das Gehalt zu zahlen und ihn weiter an Zooprojekten arbeiten zu lassen (was aber am Ende nicht erfüllt wird), wenn handkehrum Stillschweigen über die Affäre bewahrt werde. «Obwohl mir gute Chancen attestiert wurden, einen allfälligen Prozess zu gewinnen, habe ich zugestimmt, da ich mich und meine Familie nicht einem jahrelangen Rechtsstreit aussetzen wollte.» Die Zeit in Frankfurt möchte er trotz allem nicht missen. «Ich habe viel Schönes erlebt und viele tolle Menschen kennen gelernt. Aber könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich in gewissen Dingen sicher vorsichtiger agieren.»

Im folgenden Jahr kehren die Schmidts wieder in die Schweiz, nach Küsnacht zurück. Das Leben ist deswegen für Christian Schmidt nicht unbedingt langweiliger geworden. Noch immer führt er das Vikunja-Zuchtbuch, pflegt und züchtet Schildkröten, ist im Vorstand der Zoologischen Gesellschaft Zürich und Mitglied des Lions Club, hält Vorträge und begleitet Touristen auf Safaris in Tansania. Ausserdem bereist er, meist in Gesellschaft seines Sohnes Fabian, der ebenfalls Zoologe geworden ist und im Zoo Leipzig als Kurator amtet, die Zoos der Welt. «Ansonsten versuche ich, die naturwissenschaftliche Sammlung meiner Bibliothek weiter zu ergänzen.» Eines der fehlenden Werke ist übrigens ausgerechnet Gessners bekannte mehrbändige «Historia animalium». «Die war mir bislang immer zu teuer.»

Gessner-Jubiläum

Das Landesmuseum würdigt Conrad Gessner vom 17. März bis 19. Juni mit einer Sonderausstellung. Daneben finden u. a. auch im Zoo, Zoologischen Museum, Botanischen Garten und an der ZHAW Anlässe zum Thema statt.

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