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Porträt

Die Armbrüste von Bruno Winzeler sind in der ganzen Welt gefragt. (Bild: Werner Schüepp)

Wilhelm Tell wäre sein Fan

Von: Werner Schüepp

26. November 2019

Viele Topschützen erringen mit seinen Waffen an internationalen Wettkämpfen Medaillen. Bruno Winzeler stellt in seiner Werkstatt in Höngg seit über 35 Jahren Armbrustmodelle her.

Bruno Winzeler ist ein bescheidener Mann. Auf die Frage, ob er nicht stolz sei, dass seit 1985 rund 90 Prozent aller Europa- und Weltmeister mit einer vom ihm hergestellten Armbrust an Wettkämpfen Medaillen holen, antwortet er: «Stolz ist das falsche Wort. Für mich ist es eher eine Genugtuung.»

Tatsache ist, dass die meisten Topschützen weltweit zu einer Armbrust greifen, die Winzeler in seiner von aussen unscheinbaren Werkstatt im Parterre eines Mehrfamilienhauses in Höngg zusammenbaut. Der 74-jährige Zürcher ist bei der Herstellung des Schiessgeräts eine weltweit gefragte Kapazität. Winzeler: «Es existieren auf der Welt nur vier Hersteller von Match-Armbrüsten, und die sind alle in der Schweiz ansässig.»

Sein Vater sei ein begnadeter Mechaniker, guter Schütze und Tüftler gewesen. «Er kam eines Tages mit einer Armbrust als Siegerpreis nach Hause und sagte, sie fühle sich in seiner Hand nicht richtig an.» Kurzerhand baute er sie um und legte damit den Grundstein für die Firma, welche sich auf die Herstellung und Reparatur von Armbrüsten konzentrierte.

«Als ich 1980 von Brasilien nach Zürich zurückgekehrt bin, habe ich vier Jahre lang in der Werkstatt gearbeitet und 1984 die Armbrustfabrikation übernommen», sagt er. Der gelernte Maschinenzeichner Winzeler liess sich am Technikum in Winterthur im Maschinenbau noch weiter ausbilden und stürzte sich mit Elan in die Führung des Kleinstbetriebs, den er in den vergangenen Jahrzehnten zum weltweit führenden Hersteller von Match-Armbrüsten ausbaute.

Kirsche statt Apfel

Die Zeiten, in denen Wilhelm Tell mit einer einfachen hölzernen Armbrust den Apfel vom Kopf seines Sohnes Walter schoss, sind längst vorbei. Heute könne man, was die Präzision betrifft, den Apfel durch eine Kirsche ersetzen, und die besten Schützen würden auf einer Distanz von 30 Metern den Stein herausschiessen. Seine Armbrüste sind Hightech-Sportgeräte mit viel besserem Wirkungsgrad, bei denen der Pfeil mit 216 Kilometer pro Stunde gegen die Zielscheibe schiesst. «Früher hatte eine Armbrust einen Stahlbogen, eine Stahldrahtsehne und einen mechanischen Abzug», erläutert Bruno Winzeler. «Heute verwenden wir moderne Materialien wie Karbon- oder Glasfaser, der Bogen beispielsweise besteht nicht mehr aus Stahl, sondern aus fünfmal leichterem Kohlefasermaterial.» Resultat: ein besserer Wirkungsgrad. Eine moderne Armbrust wiegt heute ungefähr sieben Kilogramm. Dazu kommen technische Finessen wie ein elektronischer Abzug oder eine beleuchtete Wasserwaage, die unterhalb des Korns angebracht ist und die Lage der Waffe anzeigt. Der Aufbau der Armbrust ist komplett symmetrisch. «Damit können wir verschiedene Ausführungen einer Armbrust herstellen, zum Beispiel für links oder rechts zielende Schützen», sagt Winzeler.

Auch der Pfeil wurde im Lauf der Zeit verbessert. Bestand er früher aus einer Stahlspitze, ist diese heute aus Wolfram gefertigt, der Schaft aus Kohlefaser, das Ende aus Kunststoff. Bei idealem Abschusswinkel fliege er bis zu 320 Meter weit, sagt Winzeler, der früher selbst erfolgreicher Armbrustschütze war. Solche hoch entwickelte Spitzentechnologie in einer Armbrust hat ihren Preis: 6000 Franken kostet ein Exemplar aus Winzelers Hand. Die Bestellungen von Kunden treffen überall aus der Welt im Zürcher Quartier Höngg ein, die meisten aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich.

Nachfrage geht zurück

Ein Besuch in der Werkstatt zeigt: Bei der Montage der diversen Einzelteile sitzt jeder Handgriff. Weshalb hat er den grössten Teil seines Lebens der Armbrust gewidmet? Armbrustschiessen, sagt Winzeler, sei ein leiser, umweltschonender Sport, der jederzeit ausgeübt werden könne. «Dabei ist der Erfolg des Schützen zu einem grossen Teil Kopfsache.» Er habe, als er noch jünger war, selber viel geschossen, und die Konzentration bei der Schussabgabe, das Fokussieren aufs Ziel, fasziniere ihn an dieser Sportart nach wie vor. An internationalen Meisterschaften dauert ein Durchgang je 90 Minuten und je 30 Schuss, in Position stehend und kniend.

Mit dem Geschäftsjahr 2019, welches sich dem Ende zuneigt, ist er zufrieden. Heute verlassen zehn Armbrüste pro Jahr seine Werkstatt, vor fünfzehn Jahren waren es noch zehnmal mehr. «Die Schweiz ist zwar eine Schiessnation und die Armbrust längst ein Symbol für schweizerische Werte wie Qualität, aber das Armbrustschiessen ging in den vergangenen Jahren stetig zurück.» Die Armbrust liege bei der heutigen Jugend leider nicht im Trend, Vereine auf dem Land und in der Stadt bekunden Mühe, Nachwuchs zu finden. Die Zahl der echt Aktiven in der Schweiz schätzt er derzeit auf 900 Schützen, Tendenz abnehmend, 1990 waren es noch 2000.

Nachfolger gesucht

Bruno Winzeler befindet sich mit 74 Jahren längst im Pensionierungsalter, einen passenden Nachfolger für sein Geschäft hat er noch nicht gefunden. «Da ich nicht jünger werde und meine Söhne kein Interesse haben, suche ich weiter nach Interessenten, die den Betrieb übernehmen könnten», sagt er. So steht der Armbrustbauer weiterhin täglich in der Werkstatt, halbtags unterstützt von einem Angestellten, und feilt an Verbesserungen.

Beim Abschied weist der Armbrusthersteller schmunzelnd auf ein Werbeplakat bei der Tür hin, auf dem Wilhelm Tell abgebildet ist. «Mir ist egal, ob er wirklich gelebt hat oder nur Fantasie ist. Solange das diskutiert wird, ist es gut für mein Geschäft.»

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Leserkommentare

Werner Frischknecht - Ich hoffe so sehr für Bruno Winzeler, dass er einen geeigneten und fähigen Nachfolger finden wird. Es wäre ein elender Jammer, wenn sein Produkt vom Markt verschwinden würde! Eine Firma mit einer solchen Zuverlässigkeit, Reparatur- und steter Hilfeleistung
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Vor 4 Jahren 3 Monaten  · 
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Gabriel Kundert - Erfolgreich und bescheiden eine Tugend die rar geworden ist.simply the best

Vor 4 Jahren 3 Monaten  · 
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Albert Ruckstuhl - Ich schiesse seit bald 60ig Jahren aktiv Armbrust . Am Anfan mit einer Winzeler Armbrust, später mit einer Wacker und nun seit 25. Jahren wieder mit einer Winzeler Ich habe sein Vater schon gut gekannt. Es wäre sehr schade, wenn diese Armbrust von der Schweizer
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Vor 4 Jahren 3 Monaten  · 
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