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Porträt

Fritz Schwendimann (l.) und sein Bruder Kurt (r.) haben die Schützenruh verkauft. Beat Müller (mitte) führt das Traditionslokal neu. Bild: Nicolas Y.Aebi

Wo man auch spätabends noch Leberli bekommt

Von: Ginger Hebel

03. Januar 2017

Vom Büezer bis zum Banker: In der Schützenruh beim Albisgüetli fühlen sich alle wohl. Nach 38 Jahren haben die Gebrüder Schwendimann ihre Beiz verkauft. Aber die Tradition lebt weiter.

Auf den Holztischen steht Aromat, daneben liegt die Speisekarte, mit Schreibmaschine geschrieben auf einem A4-Blatt. Das war sie schon vor 65 Jahren, und das wird sie auch bleiben, denn genau dafür lieben die Gäste ihre Schützenruh – für das Altbewährte, die vernünftigen Preise, die warme Küche rund um die Uhr. Wer will, kriegt auch um 23 Uhr noch Leberli. Aber am meisten wird geschätzt, dass die Schützenruh noch eine richtige Beiz ist. «Eine Beiz ist für uns ein Ort, an dem man sich wohlfühlt, wie daheim», sagt Fritz Schwendimann (70).

38 Jahre lang führte er das Traditionslokal an der Uetlibergstrasse vis-à-vis vom Strassenverkehrsamt mit seinem Bruder Kurt (63). Dieser stieg als 21-Jähriger in den Betrieb ein. Er erinnert sich noch gut daran, wie er mit seinem Vater hinter den dampfenden Kochtöpfen stand. «Ich bin in diesem Restaurant aufgewachsen. Es tut weh, zu wissen, dass es jetzt nicht mehr uns gehört. Aber es ist schön, dass es in unserem Sinn weitergeführt wird.» Die Schwendimanns haben ihre Schützenruh aus Altersgründen verkauft. Seit 1. Januar sind Beat und Daniela Müller die neuen Eigentümer. 1951 erwarben die Eltern Fritz und Martha Schwendimann die Schützenruh mit ihrem grossen Garten und den alten Linden. Sie hatten sich als tüchtige Gastgeber über die Stadtgrenze hinaus einen guten Ruf erarbeitet. Ihre Söhne halfen im Betrieb ihrer Eltern mit, später wurden beide Koch wie ihr Vater.

Fritz Schwendimann jun. zog es früh in die Ferne. Er arbeitete in Hongkong, Namibia, Südafrika. Doch auch er kehrte in das ­elterliche Restaurant zurück. Später kaufte er mit seinem Bruder die Schützenruh, und die Eltern setzten sich zur Ruhe. «Ich kann heute aus Überzeugung sagen, es gibt nichts Besseres, als selbstständig zu sein», sagt Fritz Schwendimann.

Die Zürcher Gastroszene hat sich stark verändert, Trendrestaurants sind gekommen und gegangen, aber die Schützenruh beim Albisgüetli steht noch immer da wie ein Fels in der Brandung. Sogar die Angestellten sind fast dieselben wie vor 20 Jahren, «wir sind eine Ausnahmeerscheinung, darauf sind wir stolz». Viele Wirte stehen unter grossem Druck, arbeiten bis zum Umfallen. «Wir hatten Glück, denn wir waren zu zweit. Wenn der eine in den Ferien war, wusste man, der andere hält das Geschäft am Laufen.» Kurt Schwendimann hat sich immer um den Einkauf gekümmert und gut kalkuliert. «Ich höre unsere Mutter noch heute sagen: Burschen, denkt dran, weniger ist manchmal mehr.»

Kutteln und Kalbskopf

Der neue Wirt, Beat Müller, hat über viele Jahre im Restaurant mitgeholfen und schätzt die Philosophie. «Die Übernahme ist für uns ein Glücksfall. Die Gäste sollen keine Veränderung spüren.» Und deshalb wird es auch künftig Gerichte geben, die man sonst in ­Zürich kaum noch auf einer Karte findet: Kalbskopf und Kutteln, aber auch Wurstsalat und US-Rindsfiletspitz, denn, da sind sich die drei einig: «Vielfalt ist wichtig.» Beat Müller startet mit dem alten Team ins neue Jahr, er hat alle Angestellten übernommen. Kurt Schwendimann wird weiterhin im Restaurant arbeiten und den neuen Eigentümer unterstützen. Auch wenn es nicht mehr die eigene Schützenruh ist, im Herzen wird sie es bleiben.

 

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