mobile Navigation

Porträt

Vanja Crnojević engagiert sich unermüdlich für Flüchtlinge. Bild: PD

Würde bewahren inmitten der Hölle

Von: Jan Strobel

22. November 2016

Vanja Crnojević setzt sich mit ihrer Zürcher Organisation Borderfree Association für Flüchtlinge auf dem Balkan ein. Ab Freitag ist ihr Engagement auch in einer neuen DOK-Serie auf SRF 1 zu sehen.

Es gab Momente, in denen Vanja Crnojević an ihre Grenzen stiess. Sie, die Barrieren in den Köpfen einreissen wollte, verschanzte sich in ihrem Zimmer, weil sie die Bilder aus der Hölle von Idomeni nicht mehr losliessen, jenes inzwischen geräumte Flüchtlings­lager an der griechisch-mazedonischen Grenze, das unlängst zu einem beschämenden Sinnbild des europäischen Versagens geworden ist. Als Flüchtlingshelferin sah sie dort Menschen sterben, sah Hoffnungen im Schlamm verschwinden, schwer kranke Kinder, falsche Taxifahrer, welche die Flüchtlinge betrogen und bestahlen. Das war im Sommer 2015, und es schien der 35-Jährigen unmöglich, diese Erfahrungen mit ihrem Alltag in der Schweiz irgendwie in Einklang zu bringen. «Doch das ist längst vorbei, ich habe gelernt, diese Welten zu trennen», sagt Crnojević am Telefon.

Sie selbst hat ihre eigene Fluchtgeschichte: 1992 verliess sie mit der ganzen Familie ihre Heimat Bosnien, die damals im Krieg zu versinken begann. Nun ist sie für die Hilfsorganisation Borderfree Association, die sie 2015 ins Leben rief, in serbischen und griechischen Lagern unterwegs. Noch immer sitzen dort Tausende von Flüchtlingen fest, nachdem die Balkanroute im März 2016 geschlossen wurde. Von den Medien und der Öffentlichkeit sind diese Menschen mittlerweile weitgehend vergessen.

Ein anderes Leben
Crnojević und ihre freiwilligen Helfer arbeiten zurzeit unter anderem im südserbischen Preševo. Aus dem einst chaotischen Flüchtlingslager, in dem früher bis zu 8000 Menschen pro Tag ankamen, ist ein festes Camp, eine Art Dorf mit 1200 Bewohnern geworden. «Viele Flüchtlinge haben sich hier fest eingerichtet, manche sprechen sogar bereits Serbisch», sagt Crnojević. «Unsere Organisation hilft, eine Infrastruktur aufzubauen. Wir errichteten beispielsweise einen Kochcontainer oder einen Kiosk. Und wir halfen beim Aufbau eines Coiffeursalons, in dem jetzt eine Coiffeuse aus Syrien arbeitet. Zusätzlich organisieren wir Englisch- und Informatikkurse und unterstützen die Leute bei der Ausbildung zum Schreiner, Schneider oder Koch.»

Die Borderfree Association engagiert sich allerdings nicht allein in Preševo; auch im Camp Petra, einem Flüchtlingslager in den griechischen Bergen, sind Crnojević und ihre Helfer aktiv. Dort konnten sie kürzlich eine Schule eröffnen. «Doch für ihren Unterhalt brauchen wir nach wie vor Unterstützung, besonders jetzt, wenn der Winter anbricht. Es ist nicht einfach, freiwillige Helfer zu finden», sagt Crnojević.

Das Wichtigste, meint sie, sei es, den Bewohnern der Flüchtlingslager ihre Würde zurückzugeben. «Sie zeigen mir immer wieder Fotos von Familienfeiern, ihren Wohnungen, von ihren Freunden von einst. Sie wollen in all dem Elend um sie herum zeigen, dass es da einmal ein anderes Leben gab, eben ein würdevolles Leben.»

Das Engagement von Vanja Crnojević und Borderfree Association ist ab diesem Freitag nun in der neuen, fünfteiligen DOK-Serie «Die Weltverbesserer» auf SRF 1 mitzuerleben. Sieht sich die Flüchtlingshelferin selbst als Weltverbesserin? «Warum nicht? Ich weiss, dass diesem Begriff für manche vielleicht etwas Naives anhaftet. Aber was solls. Das kümmert mich nicht. Ich bin von meiner Arbeit überzeugter denn je.»

Weitere Informationen:
www.border-free.ch

Die erste Folge der DOK-Serie «Die Weltverbesserer» wird am Freitag, 25. November um 21 Uhr auf SRF 1, ausgestrahlt. Neben Vanja Crnojević wird auch Melanie Holzgang vorgestellt. Die Ärztin aus Uster übernahm die Leitung der Unfallchirurgie in einem äthiopischen Spital. Manuel Bauer, der Hoffotograf des Dalai Lama,  wiederum engagiert sich für ein verarmtes Dorf in Tibet.

zurück zu Porträt

Artikel bewerten

Gefällt mir ·  
Noch nicht bewertet.

Leserkommentare

Keine Kommentare