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Porträt

Zappelphilipp oder Träumer

Von: Ginger Hebel

25. April 2017

In Zusammenhang mit Kindern fällt der Begriff ADHS häufig, dass auch Erwachsene davon betroffen sind, wissen wenige. Die 28-jährige Zürcherin Gina Livnat sieht heute auch die positiven Aspekte.

Gina Livnat war ein verträumtes Kind, das sich sehr gut mit sich selbst beschäftigen konnte, gleichwohl aber jede Chance nutzte, um Aufmerksamkeit zu erheischen. «Ich redete viel, es sprudelte alles aus mir heraus, aber oft konnte ich meine Gedanken nicht ordnen», erzählt sie. In der Schule hatte sie Mühe, sich zu konzentrieren, sie liess sich schnell ablenken, auch heute noch. Die 28-jährige Zürcherin leidet unter ADHS, der sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung.

Bei ADHS handelt es sich um eine genetisch bedingte und in der Kindheit beginnende Störung. Sie gilt heute als häufigste psychische Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen, Buben sind merklich häufiger betroffen. Die adulte Form der Störung wurde erst in den 1990er-Jahren entdeckt, als deutlich wurde, dass ADHS im Erwachsenenalter häufig nicht, wie früher angenommen, verschwindet. Die Symptome sind individuell verschieden. Gina Livnat hat Mühe, sich Dinge zu merken, Entscheidungen zu treffen und sich zu fokussieren. Die permanente Reizüberflutung beeinträchtigt sie oft in ihrem Alltag.

Burn-out als Folge

Gina Livnat betreute als Pflegefachfrau jahrelang demente Personen: «Es fiel mir immer leichter, auf Menschen einzugehen, als mich mit mir selber auseinanderzusetzen», erzählt sie. Doch die Probleme anderer belasteten sie zusehends. «Ich konnte nicht mehr abschalten und nicht mehr einschlafen, fühlte mich überfordert und leer.» Emotional erschöpft, liess sie sich in eine Burn-out-Klinik im Engadin einweisen. «Festzustellen, dass es viele Menschen gibt, die dieselben Probleme haben wie ich, gab mir das Gefühl, verstanden zu werden.»

Rund 75 Prozent aller Erwachsenen mit ADHS leiden zusätzlich unter einer weiteren psychischen Krankheit wie Angstzuständen oder Depressionen. ADHS-Kinder werden oft mit Ritalin ruhiggestellt. Gina Livnat hat damit keine guten Erfahrungen gemacht, «ich spürte durch die Tabletten mich selber nicht mehr». Erst durch die Kombination von Psycho- und Ergotherapien sowie Yoga hat sie viel über sich selber gelernt, auch, mit den eigenen Gefühlen umzugehen und Grenzen zu setzen. Heute informiert sie ihr Umfeld über das ADHS-Syndrom, denn dies fördere das Verständnis. «Ich konzentriere mich heute nicht mehr nur auf das Negative. Viele ADHS-Betroffene sind sehr kreativ und flexibel im Denken, auch das ist eine Stärke, das musste ich erst lernen. ADHS ist ein Teil meiner Persönlichkeit.»

Weitere Informationen: «ADHS 20+» ist die schweizerische Anlauf- und Beratungsstelle für Erwachsene mit ADHS sowie deren Angehörige und vernetzt Betroffene.

www.adhs20plus.ch

 

Heute Abend, 26. April 2017, um 19.30 Uhr findet im Zentrum Karl der Grosse an der Kirchgasse 14 in Zürich ein Referat zu ADHS statt. Therapeutische Strategien werden erläutert, und Betroffene erzählen von ihren Erfahrungen. 

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