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Porträt

Naomi, Thomas und Dominic posieren vor der Weltkarte in ihrem Esszimmer. Bei Minnesota steckt eine Nadel in der Karte. Hier ist Naomi zur Welt gekommen.

Zwei Papis für eine kleine Lady

Von: Maja Zivadinovic

09. Februar 2021

Um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen, mussten Dominic und Thomas Baumgartner aus Zürich das Schweizer Gesetz umgehen, lange Jahre warten und über 100' 000 Franken zahlen. Auf Besuch bei einem Elternpaar, das nur auf den ersten Blick anders ist.

Wer die geräumige und moderne 4,5-Zimmer-Wohnung von Dominic und Thomas Baumgartner beim Zürcher Hardturm betritt, merkt schnell: Hier dreht sich alles um Naomi. Im Wohnzimmer stehen eine Spieldecke und zwei Wippen. Am liebsten aber schlummert Naomi auf dem Arm ihres Papis oder ihres Papas. Auf dem Wickeltisch verbringt das kleine Mädchen mit dem dunklen Haarschopf und den grossen Augen auch gerne Zeit. Da kann sie ihr buntes Mobile oder die vier pinken Ballone betrachten, die zusammengesetzt das Wort «Girl» ergeben, und mit beiden Vätern gleichzeitig kuscheln.

Naomis Kinderzimmer ist mit viel Liebe in den Farben Weiss, Rosa und Hellgrau eingerichtet. Gegenüber des Wickeltischs steht ein Tagesbett. Darauf schlummern friedlich die zwei Katzen Max und Ben, die hier ebenfalls schon lange zur Familie gehören. Nur eine Sache unterscheidet Naomis Zimmer von anderen Kinderzimmern. An Naomis Fotowand hängen Bilder von zwei Müttern und zwei Vätern. «Naomi soll von Anfang an wissen, dass sie ein Bauch- und ein Ei-Mami hat», sagt Dominic.

Die Planung

Als schwules Paar ist es den Männern in der Schweiz nicht erlaubt, Kinder zu bekommen. Deswegen entscheiden sich Dominic und Thomas vor drei Jahren für den langen und teuren Weg einer Leihmutterschaft. Wie viel die Baumgartners am Ende für ihr Ziel, Eltern zu werden, investieren mussten, wissen sie nicht genau. Das Rechnen haben sie schon lange sein lassen. «Wir schätzen aber, dass wir rund 120 '000 Franken ausgegeben haben.»

Am Anfang rät ihnen eine Schweizer Anwältin, das Kind in Kanada oder Amerika austragen zu lassen. Da sei die Gesetzeslage klar und unproblematisch. Dank einer Kinderwunsch-Agentur lernen Dominic und Thomas ihre Leihmutter Gwen Peterson aus Minnesota kennen. Als die zwei Männer Gwen und ihren Mann zum ersten Mal per Skype sehen, ist der Fall klar: «Sie hat zu uns gepasst und wir zu ihr», sagt Thomas. Es folgt ein Besuch in Minnesota. Nach zwei Wochen ist die Entscheidung fix. Gwen, die es als ihre Superkraft sieht, kinderlosen Paaren zu Babys zu verhelfen, will und soll die Frau sein, die Thomas’ und Dominics Baby austrägt.

Weil die Leihmutter und die Eizellen-Spenderin jeweils zwei verschiedene Frauen sind, müssen Dominic und Thomas noch eine Eizellenspenderin finden. «Das ist wie auf einer Online-Partnerbörse», sagt Dominic. «In der Datenbank der Klinik kann man entweder alle Profile anschauen oder nach Belieben filtern. Du siehst ausserdem Briefe, in dem die Spenderinnen schreiben, was sie dem zukünftigen Kind wünschen. Auf dem Steckbrief mit Aussehen, Hobbys, Werdegang und Informationen über ihre Familien wird zusätzlich die Genetik beleuchtet.

In Dominics und Thomas’ Fall lebt die Eizellenspenderin in San Diego. Mit der 22-Jährigen pflegen die Männer einen losen Kontakt über Instagram. Naomi darf ihr Eizellen-Mami aber kontaktieren, sobald sie dies möchte. Das war Thomas und Dominic wichtig. Naomi soll unbedingt wissen und erfahren, woher sie kommt. Sie soll auch die Möglichkeit haben, selber Fragen zu stellen.

Die Geburt

Rückblende: Es ist der 12. Oktober. Die Baumgartners sind nach Minnesota gereist, um bei der Geburt ihres Mädchens dabei zu sein. Wegen Corona gestaltet sich das Ausreisen nicht ganz einfach. Das Paar muss bei der amerikanischen Botschaft in Bern vorsprechen und erklären, warum sie ausgerechnet während der Pandemie in die Staaten fliegen müssen. Eine Hürde, die die Väter mit Fassung meistern. Hatten sie keine Angst, dass ihnen die Behörden Steine in den Weg legen? «Nein, nein, dafür war es ja schon zu spät, Naomi war ja schon fast auf der Welt», sagt Dominic und lächelt.

Im Kreisssaal dann sitzen die werdenden Väter, die Leihmutter Gwen und Gwens Mann. Die Stimmung ist ausgelassen. «Wir haben gelacht und geplaudert», sagt Thomas. Weil Gwen unter Schwangerschaftsdia­betes leidet, darf sie bis nach der Geburt nichts Süsses essen. «Wir haben ihr noch einen Schoggikuchen à la Sven Epiney gebacken», sagt Dominic. «Damit sie nach der Niederkunft mal wieder in den Genuss von Schokolade kommt.»

Dominic und Thomas machen sich auf eine stundenlange Geburt gefasst. Nachdem die Fruchtblase aber platzt, geht es ganz schnell. Gwen muss nur zwei Mal pressen, dann ist Naomi schon da. «Du wartest Jahre auf den Moment und dann geht es so schnell. Ich war regelrecht überfordert», sagt Thomas über die ersten Minuten mit der kleinen Naomi. Auch Dominic wird von seinen Emotionen überrollt. «Ich habe sogar ein paar Freudentränen verdrückt!»

Die ersten Wochen

Mit der kleinen Dame haben die Väter Glück, sie ist ein echtes «Anfängermodell». Naomi ist von Tag eins an ein durch und durch zufriedenes und glückliches Baby. «Sie hat nur geweint, wenn wir mit dem Fläschchenmachen für ihren Geschmack zu langsam waren», sagt Dominic und lacht. Das sei nicht oft der Fall gewesen. «Das stimmt, wir hätten selber nicht gedacht, wie schnell und einfach wir in unsere neuen Rollen als Väter gefunden haben», ergänzt Thomas.

Neun Wochen verbringt das Paar in Minnesota, bis es seine Tochter endlich nach Hause in die Schweiz mitnehmen darf. «Aufgrund Corona haben sich die Wartezeiten auf Naomis Geburtsurkunde, ihren Pass und ihre Ausreisepapiere massiv verzögert.» Die Zeit in den USA verbringt die Familie mit Ausflügen. «Wir haben es sehr genossen, die Möglichkeit zu haben, gemeinsam die Gegend zu erkunden und unsere Tochter kennenzulernen.»

Zu Bauchmami Gwen ist der Kontakt auch knapp drei Monate nach Naomis Geburt eng. «Wir whatsappen alle zwei Tage. Gwen und ihre Familie sind jetzt unsere amerikanische Familie.» Mehr noch: Dominic und Thomas wissen jetzt schon, dass sie ein zweites Kind wollen. Auch dieses wird voraussichtlich Gwen in rund zwei Jahren austragen, wenn alles nach Plan läuft. Das nächste Mal soll Thomas der biologische Vater sein. Bei Naomi ist es Dominic. Deswegen muss Thomas hier in der Schweiz seine Tochter adoptieren. Das ist seit dem Jahr 2018 auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen erlaubt – zum Glück, finden die Väter. Bis Thomas seine Tochter aber auch in der Schweiz offiziell auf dem Papier sein Kind nennen darf, muss er mindestens ein Jahr im gleichen Haushalt leben. Dass Thomas und Dominic seit 13 Jahren ein Paar sind und vor fünf Jahren geheiratet haben, spielt für das Gesetz keine Rolle. Sollte Dominic in Naomis erstem Jahr etwas zustossen, hat Thomas kein Recht auf sein Kind. «In diesem Fall hoffen wir einfach, dass die Kesb gesunden Menschenverstand walten lässt und Naomi bei Thomas lässt», sagt Dominic.

Die Zukunft

In der Zwischenzeit ist es 16 Uhr. Naomi braucht das Fläschchen und eine frische Windel. Dominic springt auf. Der Primarlehrer gönnt sich sieben Monate Elternzeit, Thomas arbeitet als Immobilien-Manager vorwiegend im Homeoffice. So kann er Dominic immer mal wieder zur Hand gehen.
Das Trio ist ganz ohne Ämtchenplan ein eingespieltes Team. Dass die Wäsche und der Haushalt hie und da etwas liegen bleiben, nehmen die Baumgartners locker. Das Wichtigste, da sind sich die Eltern unisono einig, ist sowieso Naomis Betreuung. Ab dem Frühling kehrt ein neuer Alltag ins Familienleben ein. Dominic wird wieder in einem reduzierten Pensum unterrichten. Naomi geht dann zwei Tage pro Woche in die Kinderkrippe.

Der Schoppen ist derweil fast geleert, Naomi ist müde und quengelt leicht. Papi Dominic und Papa Thomas bleiben ganz ruhig und strahlen ihr Mädchen an. Draussen schneit es. Die Gehwege sind eisig und verschneit. Für Dominic kein Problem. Zum Spazieren packt er Naomi sowieso am liebsten ins Tragetuch. Bevor sich die beiden auf den Weg machen, wollen wir wissen, was für Werte die Männer ihrem Mädchen mit auf den Weg geben wollen und worauf sie sich freuen. «Naomi soll ein selbstbewusster Mensch werden, der offen und empathisch auf Mitmenschen zugeht. Ausserdem ist es uns wichtig, dass sie selbstbestimmt wird. Wir wollen sie auf ihrem Weg begleiten und sie unterstützen. Ganz egal, wohin es sie verschlägt oder was auch immer sie beruflich machen will», sagt Thomas.

Derweil weiss Dominic sehr genau, auf was er sich in baldiger Zukunft am meisten freut. «Ich stelle es mir unglaublich schön vor, wenn Naomi genug gross ist, um von sich aus zu uns und unseren Katzen kuscheln zu kommen», sagt er. Thomas nickt auch hier zustimmend. In der Zwischenzeit ist Naomi selig und zufrieden auf Thomas’ Arm eingenickt. Alles ganz normal also. Wie in einer sehr herkömmlichen Familie. Ausser, dass Naomi das Glück hat, gleich zwei Mamas und zwei Papas zu haben. Und last but not least: einen amerikanischen Pass.

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