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Reportage

Monika Luck, Präsidentin der Vereinigung Zürcher Flohmarkt, wurde vor 45 Jahren vom Flohmi-Fieber gepackt. (Bilder: Christian Saggese)

Auch Hollywoodstars kaufen beim Bürkliplatz-Flohmi ein

Von: Christian Saggese

11. August 2020

Es ist eine schwierige Saison für den Bürkliplatz-Flohmi. Das Coronavirus sowie neue Regeln stellen die Verkäuferinnen und Verkäufer vor Herausforderungen. Davon lassen sie sich aber nicht unterkriegen. Ein Besuch vor Ort. 

Nächstes Jahr feiert der Flohmarkt am Bürkliplatz seinen 50. Geburtstag. Doch nur wenige Monate vor diesem freudigen Ereignis befindet sich der Traditionsanlass in einer noch nie dagewesenen Ausnahmesituation. Wegen den Sicherheitsmassnahmen rund um das Coronavirus ist die Anzahl Stände von 302 auf etwa 120 gesunken. Tagesplätze gibt es vorübergehend keine mehr. Und weil Touristen fernbleiben, fehlt es auch an Kundschaft. Glücklicherweise schadet dies alles aber nicht der guten Stimmung vor Ort, wie ein Rundgang am letzten Samstag zeigte.

Es ist 9.30 Uhr. Normalerweise stünde an dieser Stelle ein Artikel über tausende bunt verkleidete Raver, die sich beim Bürkliplatz zur Streetparade treffen. Doch in diesem Jahr ist ja nichts normal, Grossveranstaltungen sind nach wie vor verboten. Und so erhielt der Bürkli-Flohmarkt, der üblicherweise während der Streetparade pausieren muss, den freigewordenen Slot der Technoparty. Zu verdanken ist dies dem Einsatz der Vereinigung Zürcher Flohmarkt. Präsidentin Monika Luck und ihr Team stehen im engen Kontakt mit der Stadtverwaltung, um die Attraktivität des Bürkli-Flohmis in Zürich zu erhalten. Das sei teils ermüdend, da es immer wieder neue Regeln gäbe, sagt Monika Luck: «Mitte Juli wurde uns mitgeteilt, dass alle Verkaufsgegenstände mit einem Preis versehen werden müssen. So verlangt es das Seco in der Preisbekanntgabeverordnung, die es eigentlich schon seit Jahrzehnten gibt, bisher für die lokalen Flohmärkte aber nie ein Thema war. Ist etwas nicht angeschrieben, droht eine Busse von 200 Franken.»

 

René Zoller

 

Für den Charakter eines Flohmis, wo gerne verhandelt wird, sei dies eher kontraproduktiv, pflichtet ihr René Zoller bei. Seit rund 20 Jahren verkauft dieser seine Vasen, Eisenbahnen und vieles mehr auf dem Bürkliplatz. «Müssen wir die Preise anschreiben, wird den Verkäufern beim Feilschen Spielraum genommen. Das schadet einer Kultur, die es sowieso schwieriger hat, seit alles Mögliche im Internet zu Billigstpreisen verhökert wird.» Ans Aufhören denkt Zoller aber deswegen nicht. Hierfür liebe er den Kontakt zu anderen Menschen zu sehr. Doch genau in diesem Punkt macht ihm das Coronavirus momentan das Leben schwerer. Um die Abstandsregeln zwischen den Ständen einzuhalten, befindet er sich nicht, wie in den Vorjahren, mitten im Geschehen, sondern steht etwas verloren abseits bei den Parkplätzen. Doch Zoller wiegelt jegliche Bedenken ab: «Wissen Sie, der Standort ist zweitrangig. Ich habe über die Jahre eine treue Kundschaft aufgebaut, die weiss, dass ich Qualität biete, und sich daher extra auf die Suche nach meinem Stand begibt.» Auch an jenem Samstag seien bereits die ersten Kunden um sieben Uhr bei ihm gewesen, während er noch die Waren auslud.

Das erlebt auch Monika Luck immer wieder, die seit 45 Jahren als Flohmi-Verkäuferin engagiert ist: «Kaum packen wir aus, stehen die ersten Sammler auf dem Platz. Eine schöne Sache, die zeigt, dass wir auf dem Bürkliplatz exklusive Objekte anbieten, die zum Frühaufstehen motivieren.»

Ebenfalls zur frühen Stunde sind Gäste anzutreffen, die in erster Linie wegen der sozialen Kontakte den Flohmarkt besuchen. «Da die Touristen fernbleiben, besuchen uns derzeit vor allem Zürcherinnen und Zürcher. Der Flohmarkt wird so für den regen Austausch zwischen der Bevölkerung genutzt; das fördert den Zusammenhalt.» Dieses soziale Zusammenkommen ist beim Besuch letzten Samstag durchwegs spürbar. Während der Interviews kommen immer wieder Besucher vorbei. Man begrüsst sich freudig, spricht über Gott und die Welt und trinkt, wenn es die Zeit zulässt, zusammen einen Kaffee beim dortigen Kiosk-Restaurant.

Bekannt in Indien

«Ohne den Bürkli-Flohmarkt wäre das Zentrum der Stadt am Samstag tot», konkretisiert Pasquale Mazzillo die Bedeutung des Anlasses. Der 50-Jährige ist Vorstandsmitglied bei der Vereinigung Zürcher Flohmarkt und verhandelt seit 1989 auf dem Bürkliplatz, sein aktueller Verkaufsschwerpunkt liegt bei religiöser Kunst. Für ihn ist der grösste Flohmarkt von Zürich einer der schönsten von ganz Europa: «Nicht nur wegen der eindrücklichen Lage am See, sondern auch wegen der Qualität des Angebots. In Berlin sind ältere Porzellanfiguren wegen der Weltkriege oft leicht beschädigt. Das ist in der Schweiz nicht der Fall.» Was Pasquale Mazzillo ebenfalls gefällt, ist, dass sich auf dem Bürkliplatz alle sozialen Schichtentreffen: «Bei meinem Stand hatte ich schon alle möglichen Besucher, vom Bettler bis zum Millionär.»

 

Pasquale Mazzillo

 

Findet das Zurich Film Festival statt, lassen sich auch Prominente den Flohmarkt nicht entgehen. «So schlenderten bereits Barbra Streisand und Robert De Niro über den Platz. Und Hollywood-Superstar Morgan Freeman hat bei mir ein schönes Laguiole-Messerset erworben.» Auch abseits des Festivals findet sich Prominenz unter den Besuchern, «so habe ich schon öfters Dieter Meier, Stephan Eicher oder Vera Dillier hier gesichtet», erzählt Mazzillo.

Unvergessen bleibe der Tag vor rund fünf Jahren, als ein indisches Filmteam eine Szene für die TV-Soap «Yeh Rishta Kya Kehlata Hai» auf dem Bürkli-Flohmi drehte. Monika Luck ist darin ebenfalls in einer kurzen Rolle zu sehen. Durchschnittlich wird diese Sendung von 60 Millionen Menschen gesehen – eine grössere Werbung für einen Flohmarkt ist kaum vorstellbar. Auch Südkoreaner waren bereits auf dem Platz für eine Filmproduktion.

Liebe in der Luft

In der Nähe der Nationalbank steht ein Baum, und vor diesem steht der Stand einer richtigen Frohnatur. Doris Landolt erlebte als damals 18-Jährige die Anfänge des Flohmis. «Früher waren es teils bis zu 500 Verkäuferinnen und Verkäufer, die mit ihren Tüchern und Campingstühlen vorbeigekommen sind, Stände wie heute gab es noch gar nicht.» Einige der Verkäufer hätten im Sommer auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verdient, um den Winter in wärmeren Regionen verbringen zu können.

 

Doris Landolt

 

«Die Stimmung auf dem Markt ist seit den Anfangstagen sehr familiär, viele Freundschaften sind entstanden.» So bezeichnet Landolt den Baum bei ihrem Stand gerne als «Liebesbaum», da sich in dessen Nähe zwei Paare kennenlernten, die später heirateten. In Erinnerung bleibe ihr zudem eine Frau, die regelmässig den Markt besuchte und sich dabei immer liebevoll um ihren Sohn kümmerte, der eine Beeinträchtigung hatte. «Jahre später, als die Frau nicht mehr gut zu Fuss war, wurde sie dann plötzlich von ihrem Sohn betreut. Das Leben ist seinen Weg gegangen, doch ihre Liebe zum Bürklimarkt ist geblieben. Es gibt unzählige solcher Geschichten, doch die würden hier den Platz sprengen.»

Eine schöne Geschichte kennt auch Dirk Wippert: «Ein Geistlicher aus Serbien, der in seinem religiösen Gewand erschien, wollte bei mir eine Holzkrippe kaufen. Ich habe sie ihm dann geschenkt. Er versprach, mich in seine Gebete zu nehmen», erinnert sich der Zürcher. Im Vergleich zu den bereits vorgestellten Verkäufern ist der 50-Jährige übrigens noch nicht so lange dabei: «Meine Anfänge machte ich bei den temporären Plätzen, seit fünf Jahren habe ich einen fixen Stand.» Wer im Kreis 5 wohnt, dürfte Dirk Wippert vielleicht schon begegnet sein. Seine alten Lampen, Spielsachen und vieles mehr transportiert er nämlich immer auf einem grossen Veloanhänger an den Markt.

 

Dirk Wippert.

 

Chance für Zürcher

Mittlerweile ist es 12 Uhr. Der «abgespeckte» Flohmarkt ist gut besucht, doch Potenzial ist noch vorhanden. «Es kann sein, dass einige Zürcher in den letzten Jahren dem Markt fernblieben, weil es ihnen aufgrund des Touristenandrangs zu voll war», sagt Luck. Deswegen sei es dieses Jahr ideal für einen Besuch. So persönlich und zürcherisch hat man den Markt nämlich schon lange nicht mehr gesehen. Für die engagierten Verkäufer bleibt aber trotzdem zu hoffen, dass sich die Situation rund um Corona verbessert und der Bürkliplatz-Flohmarkt nächstes Jahr seinen 50. Geburtstag wieder in voller Stärke feiern kann.

Weitere Informationen:
Bürkliplatz-Flohmarkt
jeden Samstag bis und mit 31. Oktober
jeweils von 7 bis 17 Uhr

www.buerkli-flohmarkt.ch

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Leserkommentare

Umberto Haensler - Der grösste und volksnahe Flohmarkt ist der Kanzlei der ganzjährig jeden Sa stattfindet.

Vor 3 Jahren 8 Monaten  · 
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