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Reportage

Auf Kriegsfuss mit den Sommersprossen

Von: Ginger Hebel

11. August 2015

Während manche ihre Märzenflecken lieb gewonnen haben, würde Claudia G. sie liebend gerne loswerden. Jetzt will sie eine Selbsthilfegruppe aufbauen und Gleichgesinnte treffen, die auch darunter leiden.

Bei Sommersprossen gehen die Meinungen auseinander. Manche finden die kleinen Flecken auf der Haut süss, andere störend. Fakt ist: Märzenflecken sind gerade angesagt. Stars wie Sienna Miller und Julianne Moore halten stolz ihre Sommersprossengesichter in die Kamera, und auch die Beautyindustrie hat reagiert; im Handel erhältlich sind sogenannte Freckle Pencils, mit denen sich Märzentupfen aufmalen lassen. Die Zürcherin Claudia G. muss sie sich nicht aufmalen, ihr Körper ist von Natur aus voller Sommersprossen – und sie schämt sich dafür. «Ich leide darunter, seit ich ein kleines Mädchen bin. Ich kann sie mir nicht einfach abschminken, wenn der Trend wieder vorbei ist.»

Claudia hat ihre Sommersprossen von ihrer Mutter geerbt, ihre Geschwister haben so gut wie keine. In der Schule wurde sie gehänselt und ausgegrenzt, «die anderen Kinder sagten, ich hätte eine dreckige Haut, das machte mich traurig.» Auch in der Lehre zur Dentalassistentin sowie im späteren Leben musste sie sich oft unterschwellige Bemerkungen anhören, die sie in der Seele verletzten. Es erstaunt sie selber, wie stark sie negative Äusserungen von Fremden treffen. «In der heutigen Gesellschaft spielt die Haut eine wichtige Rolle, da der erste Eindruck einer Person, abgesehen von der Kleidung, durch die Haut bestimmt wird. Das nagt schon am Selbstwertgefühl», sagt Claudia. Ihren vermeintlichen Makel versucht sie stets zu kompensieren, indem sie im Sport, im Job und im Privatleben Perfektion anstrebt. Auch engagiert sie sich für Minderheiten in der Gesellschaft. Daher ist es ihr ein Anliegen, eine Selbsthilfegruppe ins Leben zu rufen, um mit Betroffenen und Interessierten Erfahrungen und Meinungen auszu­tauschen, mit dem Ziel, sich gestärkt in der Gesellschaft zu behaupten.

Nur mit Top ins Wasser

Claudia mag den Sommer überhaupt nicht, weil sie ihren Körper nicht gerne zur Schau stellt. Jupes und Tops trägt sie ungern. Kürzlich war sie zum ersten Mal nach zehn Jahren wieder im See baden, doch das Top behielt sie an. «Ich fühle, dass mich die Leute wegen meiner Sommersprossen anstarren.» Sommersprossen sind harmlose Pigmentstörungen. Weil Sonneneinstrahlung die Pigmentierung fördert, sind Märzenflecken im Sommer besonders gut sichtbar und verblassen oft im Winter. Hinzu kommt, dass dieser Hauttyp empfindlich auf Sonnenlicht reagiert. Claudia hat schon vieles versucht, um die Flecken loszuwerden, doch die Laserbehandlungen nützten nichts, sie hinterliessen lediglich weisse Punkte. Sie benutzt Cremes für einen ausgleichenden Hautton.

Eine Umfrage der Online-Partnerbörse Elite Partner zeigt, dass fast jeder dritte Mann Märzenflecken bei Frauen attraktiv findet. Auch der Zürcher Fotograf Reto Caduff hat eine bildnerische Liebeserklärung an die Sommersprosse gemacht. Für seinen Bildband «Freckles» lichtete er Frauen ab, deren Gesichter von Sommersprossen übersät sind; nicht nur Rothaarige mit heller Haut, sondern auch Frauen mit dunklem Teint. Claudia: «Ich wünschte mir, dass ich dem Thema Sommersprossen gegenüber gelassener werden kann, und über Sprüche wie, ein Gesicht ohne Sommersprossen ist wie ein Himmel ohne Sterne, lächeln kann.»

Personen, die unter ihren Sommersprossen leiden, können sich beim Selbsthilfecenter an der Jupiterstrasse 42 melden. Tel. 043 288 88 88,  www.selbsthilfecenter.ch

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