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Reportage

Gruppenbild auf rutschigem Boden (v. l. n. r.): Mario Blumer (Eismeister), Marco Fellmann (Eismeister), Andreas Schnyder (Betriebsleiter), «Tagblatt»-Redaktor Sacha Beuth, Jürg Kleemann (Pächter Restaurant Stadiönli), Marlies Huber (Kasse und Schlittschuhvermietung) und Thanasi Karasimos (stellvertretender Betriebsleiter und Leiter Technik). Bild: Nicolas Zonvi

Bei den Eismachern von Oerlikon

12. Februar 2019

AM PULS Während der kalten Jahreszeit zieht es die Massen auf die Eisbahnen der Stadt Zürich. Das bedeutet Grosskampftage für Kebo-Betriebsleiter Andreas Schnyder und sein Team. «Tagblatt»-Redaktor Sacha Beuth hat sich für die Serie «Am Puls» mit aufs Glatteis begeben.

Einsam und verlassen scheint die Kunsteisbahn Oerlikon am letzten Mittwochmorgen dazuliegen. Doch es ist die Ruhe vor dem Sturm. Um 8.45 Uhr marschieren gleich zwei Primarschulklassen auf einmal durch die Eingangstür. Unter Gejohle, Gekreische und Geschubse nimmt ein Teil der Kinder auf der Treppe Platz, während der andere Teil zur Ausgabestelle der Mietschlittschuhe drängt. Dort kommt Marlies Huber kaum nach, die Eislauf-Utensilien auszuhändigen. Mal sind die Schlittschuhe zu klein, mal zu gross. Das Umtauschen scheint kein Ende zu nehmen. «Typisch für einen Wintersportmorgen», erklärt Thanasi Karasimos, Leiter Technik bei der Kebo, und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. «Im Winter haben wir praktisch jeden Vormittag bis zu 200 Schulkinder, die mit ihren Lehrkräften die Möglichkeit nutzen, gegen Voranmeldung eiszulaufen, wobei Eintritt und Schlittschuhmiete für Stadtzürcher Klassen kostenlos sind.»

Nebenan im Aufenthaltsraum holen sich die beiden Eismeister Mario Blumer und Marco Fellmann einen Kaffee. Sie haben mit ihrer Arbeit bereits kurz nach 6 Uhr begonnen. «Morgens öffnen wir als Erstes die Türen und Zugänge, anschliessend werden die Eisbearbeitungsmaschinen mit Wasser gefüllt. Danach haben wir die Banden gefräst und mit dem Pickel Eis entfernt, das sich beim Hin- und Herfahren der Eisbearbeitungsmaschine an der Zufahrt zur Eisfläche bildet. Als Nächstes putzen wir dann die Tribüne», erklärt Blumer. Derweil sitzt einen Stock höher Betriebsleiter Andreas Schnyder in seinem Büro und kümmert sich um administrative Angelegenheiten. «Am meisten zu schaffen macht uns das Parkplatzmanagement. Es ist immer ein Kraftakt, die Wünsche von Eiskunstläufern, Trainern, Hockeyspielern, Funktionären und anderen Parkplatznutzern unter einen Hut zu bringen. Wir haben in unserer Garage nun mal nicht für alle Platz.»

Während die Schüler die Aussenanlage ausgiebig nutzen, führt Karasimos den Journalisten durch das Gebäude und erklärt dabei Lüftungs- und Heizungssysteme sowie die Kältetechnik, deren Überwachung plus Datenerfassung ebenfalls zum Aufgabenbereich der Eismeister gehört. «Viele Leute glauben, dass sie bei uns über meterdickes Eis fahren. In Wirklichkeit ist das Eis einer Kunsteisbahn insgesamt aber nur gerade drei bis vier Zentimeter dick.» Der Boden besteht jeweils aus Beton, in dem wie bei einer Fussbodenheizung Rohre verlegt sind. Durch diese fliesst Ammoniak, das unter Druck gesetzt und wieder entspannt wird, was einen Prozess auslöst, der der Umgebung Wärme entzieht. Nun wird in mehreren Schritten Wasser auf der Fläche ausgebreitet und eine Eisdecke aus sieben unterschiedlich hohen Schichten gebildet. Erledigt wird die Arbeit mit den bereits erwähnten Eisbearbeitungsmaschinen. Zwei Stück stehen dem Kebo-Team zur Verfügung, jede ist fünf bis sechs Tonnen schwer. «Unsere Babys», lächelt Karasimos. «Mit ihnen machen wir je nach Witterung und Besucheraufkommen bis zu 30 Reinigungen pro Tag.» Dabei wird nicht nur die abgeschliffene Eismasse eingesammelt und das mit einem im Wagen angebrachten Hobel geglättet, sondern zugleich Wasser aufgetragen. «Das gefriert und gleicht so die Entnahme aus.» Bei jedem Reinigungsschritt werden bis zu 1000 Liter Wasser benötigt. Wie auf Kommando erscheint Fellmann auf der Bildfläche, schnappt sich einen der Wagen und macht sich daran, das Aussenfeld zu reinigen.

Es ist Mittag geworden. Unten beim Eingang geben die Schüler ihre Schlittschuhe wieder bei Marlies Huber ab. «Denkt daran, dass die Schuhe geputzt und alle Knöpfe gelöst sein müssen, bevor ihr sie abgebt», ruft die Kebo-Mitarbeiterin in die Menge. Trotzdem geht es bei einigen vergessen. Huber schüttelt den Kopf und beobachtet seufzend, wie die Kinder mit den Lehrkräften von dannen ziehen. Dafür füllt sich das Restaurant Stadiönli immer mehr. Pächter Jürg Kleemann und sein Team kochen und servieren täglich zwischen 30 und 50 Mittagsmenüs. Und nicht nur Eisbahnnutzer, auch Anwohner und Handwerker aus der Umgebung schätzen seine Kochkünste. Seit 2011 führt er den Betrieb und achtet darauf, dass seine Gäste bei ihm «auftanken und sich auffrischen können».

«Die meisten, die hier auf der Eisbahn arbeiten, sind Gfrörli.»

Bis zum frühen Abend, wenn die Vereine die Felder belegen, geht es nun etwas ruhiger zu. Blumer und Fellmann nehmen in Intervallen weitere Eisreinigungen vor und erledigen daneben Unterhaltsarbeiten. Sie ersetzen Halogenlampen, schleifen Schlittschuhe, Kontrollieren die Eisdicke und reparieren kleine Ausrüstungsgegenstände. Immer sind sie dick in ihre Skijacken eingepackt. «Die meisten, die hier auf der Eisbahn arbeiten, sind Gfrörli», erklärt Blumer, während Fellmann und Karasimos zustimmend nicken. Hat man da denn nicht den falschen Beruf ausgewählt? «Nein, die Arbeit mit Eis ist enorm faszinierend und der Job sehr vielseitig», antwortet Fellmann, worauf Huber ergänzt: «Seit rund 20 Jahren arbeite ich hier. Und obwohl es manchmal sehr lärmig ist, so ist der Kontakt mit den vielen Leuten etwas, das ich nicht missen möchte. Wenn ich ehrlich bin, brauche ich den Trubel.» Dann macht sie sich daran, die Tageskasse abzurechnen. Bald ist Feierabend. Auch für die beiden Eismeister naht der Schichtwechsel. Vorher müssen aber noch die WCs und Garderoben geputzt werden. Denn schliesslich soll am Folgetag alles für den nächsten Ansturm bereit sein.

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