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Reportage

Wegen Falschgeld vor Gericht: Ein junger Mann wollte seine Geldsorgen mit kopierten 50er-Noten mildern. Symbolbild: PD

Blüten gegen Blumen

Von: Isabella Seemann

29. November 2016

DER GERICHTSFALL Geld vermehren, indem man Geld ausgibt? Diesen Traum wollte sich ein junger Mann erfüllen, indem er Einkäufe mit gefälschten 50er-Noten bezahlte und das echte Wechselgeld einsackte.

Welchen Teufel ihn geritten hat, kann er nicht sagen. «Es war eher so ein Spiel», sagt Murat B.*. Mal auszuprobieren, was der neue Scanner und Drucker so hergeben, mit denen er für seine Bekannten hin und wieder Flyer gestaltet. Und dann sah die Fünfzigernote, wenn nicht täuschend echt, so doch ziemlich gut aus. Der junge Mann druckte 20 Scheine, noch von den alten 50er-Noten mit der Sophie drauf. Letzten Herbst zog er los.

In einem Blumenladen kaufte er einen 18-fränkigen Blumenstrauss für seine Freundin. Er reichte der Floristin eine falsche Blüte, sie gab ihm anstandslos 32 Franken heraus. Da das so gut geklappt hatte, ging er in ein türkisches Lebensmittelgeschäft einkaufen. Brot, Fleisch, Gemüse und 17 Franken Wechselgeld waren die Gegengabe für das Falschgeld.

Erfolg macht leichtsinnig

Den dritten Versuch startete er in einer Shisha-Bar in Oerlikon. Es war sein letzter. Konnte er zuvor nach dem Bezahlen gleich davoneilen, «chillte» er diesmal noch ein bisschen. Die Kellner hatten Musse, sich den Geldschein genauer anzusehen, merkten, dass sich das Papier «komisch anfühlt». Er lag schon in der Kasse, während der Herr Fälscher an der Wasserpfeife zog. Doch konnten die Kellner nicht mehr ausmachen, wer nun damit bezahlt hatte. Und um nicht die Kunden mit einem Fehlalarm zu verprellen, liessen sie sie laufen und alarmierten nachher die Polizei.

Es geschah aber etwas Erstaunliches: Der Fälscher kehrte um, ihn packten Skrupel. Er ging in die Bar zurück und sagte zum Kellner, den er noch aus der gemeinsamen Zeit in der Grundschule kannte: «Ich wars.» Vielleicht hat er gehofft, seine reumütige Abkehr von dem Weg, der ihn mit Sicherheit ins Unglück geführt hätte, würde ihn vor einer Anzeige bewahren. Aber da war er auf dem Holzweg. Geldfälschung mag der Staat überhaupt nicht.

Kein Profi-Gauner

Der Angeklagte, bislang unbestraft, sieht nicht aus, als hätte er das Zeug zum Betrüger grossen Stils, 23 Jahre alt, ein blasses, kindliches Gesicht mit der Andeutung von Barthaar. Sein rundlicher Körper steckt in einem Trainingsanzug, komplettiert wird das Outfit mit Turnschuhen, Basecap und Rucksack. Kein cleverer Profi-Gauner, nicht das schärfste Messer in der Schublade, eher wirkt er bodenständig, wie sein ehrbarer erlernter Beruf: Sanitär. «Wollen Sie uns nicht etwas über die Hintergründe der Tat erzählen?», fragt der Richter, vielleicht erwartet er irgendwelche Erklärungen über Kreativität und künstlerische Ambitionen, aber es folgt nur eine Geschichte nach dem üblichen Muster: Eine On-off-Beziehung, die Es-ist-kompliziert-Freundin wird schwanger, sie hatten familiäre Probleme, er verliert den Job, das Geld wurde knapp, Schulden häuften sich. Ein paar bunte Blüten für Blumen, Brot und eine Shisha. «Ich habe mich selber bei der Polizei gestellt», versucht der Angeklagte seine Haut zu retten, und der Verteidiger fügt hinzu, dass ihm gar nichts passiert wäre, hätte er den verhängnisvollen Schritt zurück nicht getan. Aber das zählt nicht, der Mann ist gefangen in der eigenen Falle.

Als minderschwerer Fall verurteilt ihn der Richter zu sechs Monaten mit Bewährung. Im Übrigen mache er einen «einsichtigen und reumütigen Eindruck». Allerdings bläut er dem jungen Mann auch ein, warum Geldfälschung als Verbrechen geahndet wird: «Das Vertrauen der Gesellschaft in die Echtheit der Zahlungsmittel ist die Grundlage unserer Wirtschaft.» Der Drucker und der Scanner landen in der Asservatenkammer, ebenso die Druckvorlage, der echte 50er. Zudem muss Murat den Geschäften den durch die gefälschte 50-Franken-Note entstandenen Schaden ersetzen. «Aber mit echtem Geld», ruft ihm der Richter noch zu.

* persönliche Angaben geändert

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