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Reportage

Wenn die Nacht über Zürich hereinbricht, werden manche Orte für Frauen zum Risikofaktor. Bild: iStock

Das Dunkel-Zürich

Von: Jan Strobel

08. März 2016

Besonders in der Nacht wird der öffentliche Raum für viele Frauen zum Spiessrutenlauf. Eine Zürcher Bloggerin nimmt sich jetzt des Themas an.

«Nach Sonnenuntergang», sagt Corina Franzen, «kommt es mir inzwischen gar nicht mehr in den Sinn, durch den Irchelpark zu laufen. Diese Option gibt es für mich nicht mehr.» Dort, wo sich Wege plötzlich in der Nacht verlieren, sich Unterführungen in schummrige  Schlünde verwandeln, sich das Schwarz der Hinterhöfe auf spärlich beleuchtete Strassen ergiesst, dort endet für Franzen der Bewegungsradius. Und sie ist nicht allein: der nächtliche Gang durch die Stadt wird für viele Frauen, die alleine unterwegs sind, zum Spiessrutenlauf, zum dauernden Abwägen möglicher Gefahren. Sie scannen die Umgebung, wählen Alternativrouten aus, Männergruppen werden gemieden. «Anders als Männer, schätzen Frauen im öffentlichen Raum konstant die Sicherheit der gewählten Route ab», so Franzen, die mit ihrem richtigen Namen nicht in der Zeitung stehen will. Der sogenannte öffentliche Raum  werde von Männern und Frauen völlig unterschiedlich wahrgenommen. Das «sogenannt» ist von Franzen bewusst gewählt; denn dieser öffentliche Raum ist für die 41-Jährige nach wie vor der Dominanz der Männer unterworfen.

Um das zu verdeutlichen, hat Franzen ihren Blog «Walking While Female» ins Leben gerufen, gewissermassen eine Bildersammlung von Zürcher Orten, die von Frauen als besonders riskant wahrgenommen werden. Neben dem nächtlichen Irchelpark finden sich zum Beispiel auch die Überführungen beim Bucheggplatz oder an der Rosengartenstrasse in Wipkingen in der Galerie. Ebenso die Engelstrasse im Kreis  4 oder der Nordsteig im Kreis  6. Kommentiert sind die Fotos kaum; die Frage ist, was der Betrachter sieht.

Ein Männerproblem
Der Bloggerin geht es dabei nicht darum, Verbesserungen der Infrastruktur anzuregen, um die Orte sicherer zu machen. Solche Massnahmen würden zwangsläufig ohnehin Kosmetik bleiben, sagt sie. Es geht ihr um einen gesellschaftlichen Diskurs. Denn: «Dass sich Frauen im öffentlichen Raum unsicher fühlen, ist nicht ein Problem der Frauen. Im Gegenteil: Es ist ein Männerproblem, das allein die Männer lösen müssen. Wir Frauen brauchen keine gut gemeinten Ratschläge.» Doch heute sei es noch immer so, dass sich eine Frau oft rechtfertigen müsse, wenn sie nachts allein auf der Strasse unterwegs sei. «Das wird uns schon als Mädchen beigebracht: Sei nicht zu aufreizend, tue dies nicht und jenes nicht. Oder denken Sie an die Armlänge Abstand, die nach den Vorfällen in Köln ins Gespräch kam. Unsere Autonomie wird laufend infrage gestellt.»

Die Berichterstattung über die sexuellen Übergriffe auf Frauen an der Kölner und auch Zürcher Silvesternacht gab für Franzen den Ausschlag, ihren Blog zu starten. «Die Fixierung auf arabische Männer war eine scheinheilige Instrumentalisierung des Themas», findet sie. «Als ob nicht auch weisse Männer Gewalt gegen Frauen ausüben würden.» Für Franzen ist klar: «Um die Sicherheit der Frauen zu erhöhen, muss man den Anfang schon in den Schulen machen. Es geht um die Erziehung der Buben.»
woman-walking.tumblr.com

Eingang zum Irchelpark.

Unterführung Wibichstrasse.

Unterführung Rosengartenstrasse.

Im Irchelpark.

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Leserkommentare

David Loh - Thja, dann wäre nach dieser zermürmenden These: 'Das Leuchten-Zürich', die ganze Prostitution der Frauen, an deren auch nur die Frauen alleine Schuld daran sind, - die Antwort auf diesen Artikel oder was?

Vor 8 Jahren 3 Wochen  · 
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Anita Z - Wenn ich die Kommentare hier lese, so merke ich dass man überhaupt nicht verstanden hat worum es geht. Frauen fürchten sich vor sexuellen Übergriffen. Es ist schon länger nicht mehr sicher auch nicht für Männer, Männer werden eher ausgeraubt und/oder
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Vor 8 Jahren 2 Wochen  · 
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Rhynaldus Drybone - Schon klar, aber im Irchelpark oder auf der Bucheggplatzüberführung usw. warten nicht jede Nacht Männer(-gruppen) auf Frauen, wie die Titelseite ("Hier lauert die Gefahr";) suggeriert.

Vor 8 Jahren 2 Wochen  · 
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Bea Mei - Gefahr ist eine subjektive Wahrnehmung. Wer auch immer Frau oder Mann Angst hat, sich fürchtet, zieht Gefahr an. Gesetz der Anziehung.

Vor 8 Jahren 1 Woche  · 
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