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Reportage

Wohnen an der Autobahn: Ab 2018 soll sich hier das Leben radikal ändern. Bild: JS

Das lange Warten auf die grosse Ruhe

Von: Jan Strobel

19. April 2016

Einhausung Schwamendingen: Das Quartier wartet ungeduldig auf den Spatenstich. Doch sicher ist beim angekündigten Zeitplan noch immer nichts.

«Ich will etwas Konkretes, etwas ganz Konkretes», sagt Maya Burri, Präsidentin des Quartiervereins Schwamendingen, «damit diese Zermürbung bei den Anwohnern der Autobahn ein wirkliches Ende hat.» Immerhin: Die Nachricht, dass der Beginn der Hauptarbeiten für die Einhausung Schwamendingen für 2018 geplant ist, war für Burri ein echter Lichtblick in der über 30-jäh­rigen Geschichte dieses städtebau­lichen Mammutprojekts – sie war aber eben nicht mehr als das. Denn sicher sei an diesem Zeitplan auch jetzt noch nichts, ist Burri überzeugt. Der grösste Unsicherheitsfaktor ist für sie die Beteiligung des Bundes an den Gesamtkosten von insgesamt 551 Millionen Franken. Tatsächlich liess das Bundesamt für Strassen (Astra) bereits durchblicken, dass der Realisierungszeitpunkt aus finanziellen Gründen verschoben werden könnte. «Seit Jahren wissen die Anwohner, dass sie ihre Wohnungen verlassen müssen.  Das Warten geht weiter.»

Etwas anderes bleibt auch Marco Guldimann nicht übrig. Der Messerschmied betreibt ein Atelier in der Werkerei Schwamendingen im ehemaligen Amag-Areal, direkt an der künftigen Baulinie. Das Gewerbehaus wird seit 2011 von Kreativen jeglicher Couleur zwischengenutzt. Als Mieterin fungiert die Stadt. «Bis 2020 können wir hier unsere Ateliers betreiben. Was danach geschieht, ist noch unklar», erzählt Guldimann. «Meine Hoffnung bleibt, dass der Komplex nicht abgerissen wird. Denn wo sollen wir Kleingewerbler und Künstler dann hin?»

Familien umgesiedelt
Das einzig Konkrete, gewissermassen als Vorbote dessen, was in den nächsten Jahren zwischen Schön­eichtunnel und Aubrugg geschehen soll, zeigt sich an der Tulpenstrasse 1. Hier wurden die Gebäude des Carosseriewerks Hänni bereits vollständig abgetragen. Ab 2017 sollen gemäss Zeitplan sukzessive weitere Liegenschaften geschleift werden, darunter 57 Wohnungen am Tulpenweg der Baugenossenschaft Süd-Ost, die bereits 2005 mit den ersten Umsiedlungen besonders von Familien innerhalb des Quartiers begann. Bis zum Abbruch werden die Wohnungen befristet vermietet. Entlang der Einhausung mit dem 1,7 Kilometer langen Park sollen Ersatzneubauten entstehen, jede betroffene Genossenschaft arbeitet dabei ihre eigenen Vorstellungen aus.

Die Befürchtung, dass es durch diese Aufwertung mit den bisher günstigen Mietzinsen nun auch in Schwamendingen bald vorbei sein könnte, teilt Burri indes nicht. «Es wird bei uns nicht dasselbe passieren wie zum Beispiel an der Weststrasse. Die meisten Liegenschaften sind hier  in genossenschaftlicher oder städtischer Hand, also nicht dem Markt unterworfen», sagt sie. Die Genossenschaften würden ihre Preise lediglich moderat erhöhen, ist Burri überzeugt. Dafür seien die neuen Wohnungen grösser und komfortabler - und vor allem ruhiger. Von den 110  000 Fahrzeugen, die sich hier tagtäglich hindurchwälzen, wird mit der Einhausung nichts mehr zu sehen, geschweige denn zu hören sein. «Schwamendingen wird endlich wieder ein vereintes Quartier, mit einem wunderschönen Park, nicht mehr zerschnitten durch diese Autobahn. Noch nie gab es in Zürich ein so gewaltiges Bauprojekt, das von einer Quartierbevölkerung derart einstimmig unterstützt wird.»

Als der Abschnitt am 20. August 1980 dem Verkehr übergeben wurde, war er in seiner Ausführung eigentlich bereits überholt. Die Planung stammte noch aus den 60er-Jahren, als Teil des «Ypsilons», das den Zusammenschluss der Autobahnen A 1 und A 3 beim Letten vorsah. Die Verantwortlichen forcierten die Eröffnung des Abschnitts Aubrugg, weil sie die Anwohner in den angrenzenden Quartieren, besonders jene an der Frohburgstrasse, vom Lärm des Durchgangsverkehrs entlasten wollten. Mit dem Resultat war bei der Eröffnung 1980 selbst der damalige Stadtrat Ruedi Aeschbacher, Vorsteher des Bauamts I, nur mässig zufrieden. Schon damals hatte er, freilich zu spät, eine Einhausung ins Spiel gebracht: «Wäre der Grundsatzentscheid nochmals zu treffen, würde man eine andere Variante wählen, nämlich jene mit einem langen, durchgehenden Tunnel.»

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