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Reportage

Ein Foto aus glücklichen Tagen: Evelin und Patrick Hiltebrand mit den Kindern Leonie und Raphael.

«Das Licht in uns ist nicht erloschen, es flackert noch»

Von: Ginger Hebel

20. März 2017

Verlust: Für den Zürcher Patrick Hiltebrand bricht die Welt zusammen, als seine Frau an einer Hirnblutung stirbt. Auf einen Schlag war er mit den beiden Kindern allein. Der «DOK: Trauern braucht Zeit» zeigt, wie die Familie das erste Jahr ohne Eveline überwunden hat.

Patrick Hiltebrand, Intensiv-Pflegefachmann bei der Rega, befand sich gerade über den Wolken, auf einem Flug von Singapur nach Zürich, als sich zuhause eine Tragödie abspielte. Seine Frau Eveline starb mit 49 Jahren an einer Hirnblutung. Patrick, der in seinem Beruf immer versucht, anderen Menschen zu helfen, konnte den Tod seiner Frau nicht verhindern. «Er kam völlig unerwartet, sie war gesund.»

Der Morgen des 16. Juni 2015. Eveline wollte für Sohn Raphael ein Geburtstagsgeschenk kaufen, doch dazu kam es nicht mehr. Sie starb nach dem Duschen an einem Hirnaneurysma – ein Sekundentod. «Man hatte mich damals am Flughafen in Zürich abgefangen und gesagt, Eveline lebe nicht mehr. Ich wusste nicht, was los war», erinnert er sich. Er dachte an einen Verkehrsunfall, fragte nach seinen Kindern. Später musste er Raphael und Leonie erklären, dass sie ihr Mami nicht mehr wieder sehen. Auf einen Schlag war er mit den Kindern allein. «Die beiden standen immer im Vordergrund, meine persönliche Trauer habe ich bis heute nicht richtig gelebt.»

Leere nach der Beerdigung

Der plötzliche Tod von Eveline überforderte alle. «Bei einem Todesfall kommt so vieles auf einen zu, auf das man nicht vorbereitet ist. Ich wusste gar nicht, was ich machen und an wen ich mich wenden soll», erinnert sich Patrick Hiltebrand. In den ersten Tagen nach dem Tod erfuhr die Familie eine grosse Anteilnahme. Es meldeten sich Menschen, mit denen sie vorher nie gross Kontakt hatten, bis zur Beerdigung. «Danach kehrte für alle der Alltag zurück. Auch von uns wurde erwartet, dass alles so weitergeht wie zuvor», erzählt Hiltebrand. Verstehen kann er das bis heute nicht. «Wir fühlten uns oft allein gelassen.»

Die Kinder verarbeiten den Verlust unterschiedlich. Raphael lenkte sich ab, indem er mit Kollegen spielte, für Leonie waren die ersten Wochen nach dem Tod ihrer Mutter besonders hart. Sie weinte viel, wollte nicht alleine sein, folgte ihrem Papa bis auf die Toilette. «Sie hatte starke Verlustängste». Patrick quälten Panikattacken und Albträume. Sein Arbeitgeber zeigte Verständnis für die Situation, genehmigte ihm eine dreimonatige Auszeit. Wieder Freude empfinden Heute, eineinhalb Jahre nach Evelines Tod, fliegt der Vierzigjährige wieder für die Rega und arbeitet zusätzlich Teilzeit auf einer Intensivstation. «Die Arbeit gibt mir Energie.»

Trauern braucht Zeit, jeder hat eine andere Methode, mit der Ohnmacht und Wut umzugehen. Patrick Hiltebrand ging einen Schritt weiter und erlaubte einem Kamerateam vom SRF, seine Familie ein Jahr lang zu begleiten. «Wir haben viel über Eveline geredet, reflektiert. Es war traurig, aber gleichzeitig hat es uns auch gestützt.» Im «DOK: Trauern braucht Zeit» ist zu sehen, wie Patrick weint. «Es ist ein sehr intimer Moment, der mir unangenehm war. Ich wollte immer stark sein, als Mann und als Papi.»

Der DOK soll Menschen in ähnlichen Situationen Mut und Hoffnung machen. Denn das Totschweigen der Trauer hilft den Betroffenen nicht weiter. Patrick Hiltebrand versucht stets, kleine Freuden in den Alltag einzubauen. Er fährt mit den Kindern nach Italien oder in den Europapark, wo sie für den Moment alles vergessen und wieder lachen. «Wir können auch wieder Freude empfinden. Das Licht in uns ist nicht erloschen, es flackert noch.»

«DOK: Trauern braucht Zeit – Das erste Jahr ohne Eveline». Donnerstag, 13. April 2017 um 20.05 Uhr auf SRF 1. 

 

 

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