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Reportage

Drogendealer Fabian F.: «Hab bloss dafür gesorgt, dass der Stutz zusammenkommt, für Essen, die Schulden.» Bild: PD

Der Gerichtsfall

Von: Isabella Seemann

10. April 2013

Auf Schatzsuche im Kreis 4

Es sind im Drogenbusiness meist die kleinen Fische, die auf der Anklagebank landen. Gleich fünf Stück stehen an diesem Tag auf der Liste der Verhandlungen, die im 90-Minuten- Takt abgespult werden. Gestrandete, Verzweifelte, Willenlose, die lieber weiterhin ihr Leben ruinieren, als clean zu werden, weil in ihrem Leben nicht viel ist, wofür es lohnt, aber viel, was weggefixt werden muss. Die tägliche Portion Glück oder Gleichgültigkeit erkaufen sie sich mit Dealerei oder Diebstahl für Drogenkauf, sie werden erwischt, bekommen ihre Strafe und auf Wiedersehen, bis bald, zum nächsten Mal. Einen Katzensprung vom Bezirksgericht entfernt vollzieht sich der Handel beinahe so öffentlich, dass die Anwohner schon Angst haben, ihre Kinder zum Spielen runterzuschicken, weil sie wissen, hier wartet die fragwürdige Chance einer kaputten Zukunft. Man braucht kein Finderglück, um an das Zeug zu gelangen. «Wenn Sie da am Strassenrand rumstehen oder in der Bäckeranlage sitzen», sagt Fabian F.* zum Richter, «dann kommen sie schon.» Fabian meint die Kunden, und er sagts im Ton eines gönnerhaften Mentors, der seinem Praktikanten einen Profi- Tipp gibt. Der Richter nickt und liest die Anklageschrift vor.

Zwei Dutzend Kügeli Kokain
Fabian ist des Handels mit Betäubungsmitteln angeklagt. Dreizehn Deals konnten ihm nachgewiesen werden. Ein paar Tage lang täglich 20 Gramm Marihuana, einmal 50 Gramm Haschisch und zwei Dutzend Kügeli Kokain. In seinem Zimmer fand man zudem Marihuana in nicht geringer Menge, wie es heisst. Exakt waren das 140,54 Gramm. Das ist ganz schön viel Stoff. «Das war aber für den Eigengebrauch, nicht zum Dealen», sagt Fabian. «Ich rauchte viele Joints täglich, das ist, wie wenn man Zigaretten an der Kette raucht, da kauft man sich auch ne Stange.» Von wem er das denn bezogen habe, will der Richter wissen. Von irgendwelchen Typen an der Langstrasse, dem Tummelplatz der Dealer im Kleinformat, erzählt Fabian. «Die stehen da rum.» Er hat mit 16 angefangen, selber zu konsumieren, jetzt ist er 24. Ein magerer, langer junger Mann, zartgliedrig und mit schlechter Haltung, darin den Model-Mädchen ähnlich, die sich mit Kokain zudröhnen, um angeblich schlank zu bleiben. Der junge Mann hat einen feinen Kopf mit hohen Wangenknochen, schwarzes Haar, schneeweisser Haut mit einem Anflug von Kajal unter den Augen. Über den Gesichtszügen, halb kindlich, halb feminin, liegt die Ahnung eines schönen Jünglings, der er hätte werden können, wenn er nicht abgestürzt wäre. «Viel hat dabei nicht rausgeschaut », sagt er über die Dealerei. Er bezahlte Strassenpreise und hat beim Weiterverkauf nur drei, vier Franken draufgehauen. «Hab bloss dafür gesorgt, dass der Stutz zusammenkommt, für Essen, die Schulden und den eigenen Konsum, mehr als 100 Franken Gewinn habe ich nicht gemacht », sagt Fabian. «Wieso haben Sie sich überhaupt darauf eingelassen? », fragt der Richter. «Die Typen haben gedroht, meinen Hund zu erschlagen. Mein kleiner Hund hat nämlich unter einem Busch sein Geschäft verrichtet, und da hat er was gefunden, was die dort versteckt haben. » Kein Goldschatz, aber trotzdem etwas, was man zu Geld machen kann. Der Richter hüstelt, um sich das Lachen über die Hundestory zu verkneifen und winkt ab. Auch die traurige Kindheit kennt er schon, er fragt nicht nach, nur die notwendigen Daten. «Ausbildung?» – «Abgebrochen. » Dann machte Fabian gar nichts mehr, flog aus der Wohnung. «Wovon haben Sie gelebt?» – «Betteln, Strassenzeitung verkaufen, Musik machen.»

Kein hoffnungsloser Fall
Wie viele solche jungen Männer hat der Richter schon gesehen? Wie viel Glauben hat er noch an die verändernde Kraft der Strafe? Fabian hat einen Monat in Untersuchungshaft gesessen, er ist geständig, er will sich um Aufnahme in ein betreutes Wohnprojekt bemühen. Das klingt plausibel und lässt hoffen. Eine günstige Sozialprognose ist wichtig. Florian ist kein hoffnungsloser Fall. Er war kein vernachlässigtes oder gar misshandeltes Kind, das früh auf die schiefe Bahn geriet. Sein Lebenslauf war Durchschnitt, auch wenn nicht alles glatt lief. Vorstrafen hat er keine. Fabian wird zu zwölf Monaten verurteilt, mit zwei Jahren Bewährung, plus 1000 Franken Busse. Die kann er auch abarbeiten. Bisschen Busse müsse sein, belehrt ihn der Richter. «Man sagt immer, lasst doch die Kleinen laufen, schnappt die Grossen. Bin ich nicht der Meinung. Auf allen Ebenen muss das bekämpft werden. Deshalb werden Sie verurteilt. Diesmal mit Nachsicht. » Ein Bewährungshelfer wird Fabian zur Seite gestellt, ein anderes Leben kann ihm nicht in Aussicht gestellt werden. Der Richter prophezeit ihm, er werde weiter abrutschen, wenn er weiter konsumiert. «Aber was Sie mit Ihrem Leben machen, steht nicht unter Strafe», sagt er. Das Marihuana, das man bei Fabian fand, wird eingezogen. Fabian erklärt sich einverstanden, notgedrungen. Er wird losgehen, neues kaufen, denn er kifft ja gerne noch ein bisschen. Aber diesmal nicht gleich eine ganze Stange. Der nächste Fall wird aufgerufen. Ike, 39 Jahre alt, geboren in Nigeria, wegen Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz: Er hat mit einem halben Kilo Kokain gedealt. Der Fall wiegt schwerer, wie auch der Mann, ein wuchtiger, derber Typ. Aber selbst wenn er sich für seinen Gang vor Gericht wie ein Gangsta rausgeputzt hat mit Sonnenbrille und Goldketten, so ist doch auch er nur ein kleiner Fisch im Haifischbecken.

* alle Namen geändert

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Leserkommentare

Witwer Monika - Grosse fische sollten sie fangen nicht die kleine fische warum immer kleine fisch ? Erwische grosse fische immer nicht frei Fuss laufen und gescheite mache

Vor 9 Jahren 1 Woche  · 
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