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Reportage

War einst in Zoos eine absolute Rarität, ist dank Zuchterfolgen aber immer öfter ausserhalb seiner Heimat zu sehen: Komodowaran (aufgenommen in Disney’s Animal Kingdom Park bei Orlando). Bild: Sacha Beuth

Der giftige Drache von Komodo

Von: Sacha Beuth

02. November 2021

Der Komodowaran ist die grösste, heute noch lebende Echse der Welt. Um die Lebensweise und die Fähigkeiten des indonesischen «Drachens» drehen sich viele Sagen und Schauergeschichten. Tatsächlich ist er ein gefährlicher Räuber, dessen Bisse toxisch wirken können – der aber auch sehr zahm werden kann.

Schon bevor sich die Holländer Anfang des 17. Jahrhunderts Indonesien in ihr Kolonialreich einverleibten, geisterten Geschichten vom «Boeaja darat» unter den Bewohnern der Sunda-Inseln. Der Begriff steht übersetzt für einen Drachen oder ein riesiges Landkrokodil, das bis zu sieben Meter lang werden könne und auf Komodo, Rinca, Padar und Flores zu Hause sei. Im Wissen, dass die Einheimischen gerne Phantasie und Wirklichkeit vermischen, schenkten die späteren Kolonisatoren den Erzählungen über die Riesenechse keinen Glauben. Zumal es Drachen für aufgeklärte Westler ohnehin nicht gab.

So dauerte es bis zum Jahr 1910, ehe die Existenz des Komodowarans wissenschaftlich belegt wurde. Ursache war eine Inspektionsreise des Kolonialbeamten und Offiziers van Steyn van Hensbroek im Jahr 1910 in den Westen der Insel Flores, bei der der Holländer ein Exemplar von Varanus komodoensis sehen, erlegen und anschliessend von einem Wissenschaftler bestimmen lassen konnte. Die Sage über den «Drachen» hatte sich doch als wahr erwiesen. So werden sie denn auch im Englischen «Komodo Dragon» genannt, auch wenn die Tiere maximal «nur» drei Meter lang werden und natürlich weder Feuer speien noch fliegen können.

Dafür aber weisen sie eine andere, für Echsen eher ungewöhnliche Eigenschaft auf: Sie besitzen Giftdrüsen – ähnlich denen von Giftschlangen. Allerdings wird die toxische Flüssigkeit nicht über Zähne im Oberkiefer ins Opfer injiziert, sondern sie fliesst aus den im Unterkiefer befindlichen Drüsen in die Mundhöhle.

Kannibalistischer Jäger

Das Gift bewirkt Bewusstlosigkeit durch schnellen Blutdruckabfall, übermässige Schmerzempfindlichkeit und Hemmung der Blutgerinnung. Komplettiert wird dies durch mehrere todbringende Bakterien im Speichel. Dadurch ist es dem Komodowaran möglich, auch grössere Tiere wie Hirsche oder Wildschweine zu erbeuten. Ausserdem wird vermutet, dass das Gift – wiederum wie bei Schlangen – die Verdauung unterstützt.

Komodowarane jagen in der Regel aus dem Hinterhalt – und dabei sprichwörtlich alles, «was nicht bei drei auf den Bäumen ist». Denn mit zunehmendem Alter und Gewicht lässt die Kletterfähigkeit der Riesenechsen nach, weshalb auch junge und kleinere Artgenossen vor ihren kannibalistisch veranlagten grösseren und somit schwereren Brüdern und Schwestern Schutz im Geäst suchen. Für Menschen ist es ebenfalls ratsam, Abstand zu halten. 1974 wurde ein Schweizer Tourist auf Komodo, der sich von seiner Reisegruppe entfernt hatte, mutmasslich Opfer der Warane. Jedenfalls fand man von ihm später nur noch eine Kamera und eine Sonnenbrille. Andere Angriffe und tödliche Unfälle mit den Riesenechsen sind dagegen verbürgt, wie etwa ein Vorfall aus dem Jahr 2007, als ein Komodowaran einen 9-jährigen Einheimischen tötete, der kurz «in die Büsche» gegangen war.

Auf der anderen Seite können Komodowarane in menschlicher Obhut relativ zahm werden. Bekanntestes Beispiel ist Moritz. Dieser lebte von 1927 bis 1943 im Aquarium des Zoos Berlin und folgte seinem Pfleger auf dessen morgendlichen Rundgängen durch alle Etagen des Gebäudes wie ein Hund. Damals waren die vom Aussterben bedrohten Echsen in den Tiergärten des Westens übrigens eine absolute Rarität und gelangten meist nur als Staatsgeschenke dorthin. Das änderte sich erst ab Mitte der 1990er Jahre, als auch ausserhalb von Indonesien die Zucht gelang. So braucht man heute nicht zwingend in die Heimat der Drachen zu reisen, sondern kann sie im Tropiquarium Servion und im Aquatis Lausanne auch in der Schweiz bewundern.

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