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Reportage

Der Matula von Zürich

Von: Ginger Hebel

18. Juni 2013

Privatdetektiv Marco Specker beschattet potenzielle Fremdgänger, krankgeschriebene Mitarbeiter und heimlich trinkende Jugendliche.

Er sitzt im Café, den Blick unauffällig auf eine bestimmte Person gerichtet. Er beobachtet die Ahnungslose und verfolgt ihre Spur, bis er weiss, mit wem sie sich trifft und ob es wahr ist, was ihr Mann vermutet. Privatdetektiv Specker beschattet untreue Ehefrauen, krankgeschriebene Mitarbeiter und heimlich trinkende Jugendliche. Er verfolgt ihre Spur im Auto, im Tram, zu Fuss, und joggt ihnen auch hinterher, wenns sein muss. Nachts wartet er vor der Bar, bis der Proband herauskommt. «Ich werde oft aus meinem Privatleben gerissen, aber das ist meine Tätigkeit. Wenn ein Anruf kommt, beginnt mein Einsatz», sagt Marco Specker. Die meisten Anfragen drehen sich um Beziehungsangelegenheiten. Frauen wie Männer zwischen 20 und 85 wollen wissen, ob der Partner fremdgeht. «Manchmal verfolge ich vier Fälle pro Tag, manchmal keinen, es schwankt sehr.» Wenn Specker zurückblickt, dann waren meistens die Herbstmonate die arbeitsintensivsten, doch dieses Jahr war der kalte Frühling besonders stark. «Derzeit herrscht eine männerintensive Zeit», sagt Specker und erinnert sich an einen Fall, bei dem ein 85-Jähriger nach einem Tête-à-Tête über den Balkon floh, um vom eifersüchtigen Ehemann nicht entdeckt zu werden.

«Vertrauen ist gut, Kontrolle besser»
Marco Specker beobachtet die Zielpersonen aus der nötigen Distanz, denn Diskretion ist das A und O. «Das Schlimmste, was passieren kann, ist, wenn die betroffene Person merkt, dass ich sie überwache.» Als er als Privatdetektiv anfing, kurvte er noch mit dem Töff durch die Stadt. Ein Mann spürte, dass er ihn verfolgte, und riss ihm den Helm vom Kopf. «Heute ziehe ich mich rechtzeitig zurück, wenn ich merke, dass sich die Zielperson ­beobachtet fühlt.» Wenn Specker den potenziellen Fremdgeher in flagranti erwischt, schiesst er Fotos als Beweismittel, oft mit seinem iPhone, weil das weniger auffällt. Danach ist es seine Pflicht, den gehörnten Partner mit den Fakten zu konfrontieren. «Es ist kein schönes Gefühl, wenn ich der betroffenen Person sagen muss, dass sie betrogen wird, aber dann hat sie wenigstens Gewissheit.» Als Specker einer italienischen Klientin den Fotobeweis ihres untreuen Mannes erbrachte, lauerte diese ihrer Rivalin auf und riss sie an den Haaren. «Ich musste die beiden auseinanderzerren», erinnert er sich. Doch hintergeht man seine Partnerin oder den Partner nicht, wenn man sie oder ihn von einem Privatdetektiv überwachen lässt? Specker winkt ab. «Im Gegenteil. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Die Leute möchten an ihrer Beziehung festhalten. Sie wollen wissen, was Sache ist, um wieder neues Vertrauen fassen zu können.»

Auch Leute aus dem Ausland beauftragen ihn, meist dann, wenn der Partner beruflich in Zürich weilt und keiner weiss, was er nach getaner Arbeit treibt. Doch unter Fremdgehen versteht jeder etwas anderes. «Für manche ist Händchenhalten oder Küssen Betrug genug, bei anderen erst, wenn es zu einer Übernachtung kommt.» Oft schleicht er beim Observieren stundenlang durch Wohnquartiere und wartet, bis jemand das Haus verlässt. Früher haben besorgte Anwohner gerne mal die Polizei gerufen, weil sie in ihm einen Einbrecher vermuteten. «Heute werde ich von der Polizei kaum noch kontrolliert, die Leute denken wohl einfach, ich sei ein Spinner.» Er erhält auch viele Anfragen von Firmen, die erfahren möchten, ob die krankgeschriebenen Mitarbeiter tatsächlich krank sind oder ob ein Versicherungsbetrug vorliegt. Kürzlich kam er jemandem auf die Schliche, der trotz vermeintlicher Handverletzung auf öffentlichem Grund herumwerkelte. Specker erbrachte Beweise mittels Videoaufnahmen. «Da fühle ich mich manchmal schon wie ein Schnüffler», gibt er zu. Er muss aufpassen, dass er Grenzen nicht überschreitet. Telefonanrufe mitschneiden ist beispielsweise verboten, aber ein Auto mit einem GPS-Gerät auszustatten, damit man weiss, wohin der Partner fährt, ist eine legale Methode, genauso die App Find-my-iPhone, mit der man überprüfen kann, wo der ­andere steckt.

Beschatten an Feriendestinationen
Der 37-jährige Zürcher wollte schon als kleiner Bub Detektiv werden und sah sich gerne Serien wie «Ein Colt für alle Fälle» und «Magnum» an, wenn auch sie mit der Realität nichts zu tun hätten, wie er sagt. «Es ist nicht immer spannend wie im Film. Manchmal sitze ich stundenlang im Auto und warte. Das ist ermüdend.» Doch die persönliche Auseinandersetzung mit den Problemen der Auftraggeber reizt ihn bis heute. Nach dem Wirtschaftsstudium absolvierte er von 1997 bis 2002 diverse Praktika bei Schweizer Privatdetektiven. Heute besitzt er eine eigene Detektei in der Stadt. Seine Tätigkeit hat sich verändert, besonders, seit es die längeren Ladenöffnungszeiten gibt. «Wenn ich jemanden von der Arbeit abfangen soll, weiss ich nie genau, wann seine Schicht zu Ende ist. Oft warte ich lang vor einem Lift in einem Einkaufscenter oder vor der Tankstelle», sagt Specker. Eine leidige Sache sei das, denn: «Der Aufwand wird zum Nachteil des Auftraggebers, weil er mehr zahlen muss. Und wir kommen unter Preisdruck, weil leider auch viele Detektive zu unseriös tiefen Preisen arbeiten.»

Doch sein Job hat auch angenehme Seiten; etwa dann, wenn er auf Auftrag Personen an schönen ­Feriendestinationen beschatten soll. Marco Specker kann durch seine Tätigkeit hinter die Fassade blicken und erlebt hautnah, wenn der Schein trügt. «Wenn mich eine Frau mit wenig Geld und drei kleinen Kindern anruft, die glaubt, dass ihr Mann fremdgeht, weil er nie nach Hause kommt, und ich ihn dann ertappe, wie er im Casino sein Geld verspielt, dann ärgert mich das.» Doch obwohl er schon viele traurige Entwicklungen miterlebt hat, misstrauisch ist er dadurch nicht geworden – er ist glücklich verheiratet. Doch auch ein Privatdetektiv wie er hat seine Prinzipien. In einschlägige Etablissements geht er nicht, und auf Lockvogelangebote lässt sich Specker nicht ein. «Es gibt Frauen, die eine hübsche Frau auf ihren Mann ansetzen wollen, um herauszufinden, ob er treu ist. Das ist eine geplante Verführung, so was mache ich nicht.»

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